Wie China Europas Häfen entert

Piräus, Rotterdam, Antwerpen und bald womöglich auch Hamburg – China besitzt in 14 europäischen Häfen eigene Terminals oder hält Anteile an Hafenbetreibern. Kritiker warnen vor den Folgen des Expansionsdrangs

Derzeit verhandelt der börsennotierte Hamburger Hafenbetreiber HHLA mit der chinesischen Staatsreederei Cosco über eine mögliche Beteiligung an einem seiner Containterterminals – mit dem bezeichnenden Namen Tollerort. Eine rechtsverbindliche Vereinbarung sei bislang noch nicht getroffen worden, teilte die HHLA kürzlich mit. Doch deutet die Veröffentlichung einer derartigen Mitteilung daraufhin, dass die Gespräche auf der Zielgeraden sind.Der Handel mit China ist für den drittgrößten europäischen Seehafen das mit Abstand wichtigste Geschäft. Schiffe der chinesischen Reederei Cosco laufen bereits seit fast 40 Jahren Hamburg an. Vor zwei Jahren hatte auch Chinas Vize-Staatspräsident Wang Qishan das Terminal Tollerort besichtigt. Mit seinen vier Liegeplätzen an einer gut einen Kilometer langen Kaimauer, 14 Containerbrücken und einem fünfgleisigen Bahnanschluss ist Tollerort eines von insgesamt vier Containerterminals im Hamburger Hafen und das zweitgrößte der HHLA.

Wichtige Lücke
Experten zufolge würde China mit dem Einstieg in Hamburg die größte Lücke in seiner maritimen Seidenstraße schließen. Mehr noch: Durch eine Partnerschaft mit der HHLA könnte Cosco auch gleich einen privilegierten Zugang zum italienischen Adria-Hafen Triest erhalten. Dort hatte der Hamburger Hafenbetreiber im letzten Jahr die Mehrheit an einem neuen Terminal übernommen – mit ausdrücklicher Billigung der Regierung in Rom, die damit den ebenfalls interessierten Chinesen den Weg versperren wollte. Denn eine Mehrheitsbeteiligung von Cosco am größten Containerterminal von Triest wäre aus Sicht der Italiener einem Ausverkauf gleichgekommen.Nun könnte den Chinesen der Zugang zu Triest über den Umweg Hamburg doch noch gelingen. Das wäre ein entscheidender Schachzug in der Expansionsstrategie Pekings, ist doch Triest der nördlichste Hafen im Mittelmeer und damit besonders wichtig für Zentral- und Osteuropa. Außerdem ist die HHLA an Terminals in der Ukraine und in Estland beteiligt.

„Verlust von Souveränität“
Cosco und das Schwesterunternehmen China Merchant besitzen schon in insgesamt 14 europäischen Häfen eigene Terminals – oder jedenfalls Anteile an den Hafenbetreibern. Alle wichtigen Seehäfen des Kontinents sind darunter, von Rotterdam und Antwerpen über Le Havre, Bilbao, Genua, Valencia bis Marseille. Berechnungen von US-Experten zufolge werden bereits mehr als zwei Drittel der 50 größten Containerterminals der Welt bereits von den Chinesen kontrolliert oder zumindest durch Beteiligungen unterstützt. „Europa hat damit ein Stück Souveränität verloren“, beklagte sich bereits im letzten Jahr der frühere französische Premierminister und China-Kenner, Jean-Pierre Raffarin.Begonnen hat der Ausverkauf 2016, als das damals praktisch bankrotte Griechenland von der Troika aus Währungsfonds, EU und EZB gezwungen wurde, den Hafen von Piräus zu privatisieren. Die Chinesen griffen gerne zu und bekamen für einen Schnäppchenpreis von 280 Millionen Euro die komplette Kontrolle des strategisch günstig gelegenen Hafens.Heute ist Piräus die Nummer vier in Europa, hinter Rotterdam, Antwerpen und Hamburg. Der Hafen ist der Endpunkt der maritimen Seidenstraße, von China über den Indischen Ozean ins Rote Meer. Dessen Eingang zur Weiterfahrt durch den Suez-Kanal kontrolliert Peking übrigens auch, mit einer Marinebasis in Dschibuti am Horn von Afrika.

Seidenstraßen-Projekt – alles andere als ein Marketing-Gag
Welche politischen Auswirkungen der zunehmende Einfluss Chinas in manchen Ländern hat, zeige sich am Beispiel Griechenlands, meint der frühere EU-Kommissar und Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Günther Oettinger. „Bevor die Europäische Union im März symbolische Sanktionen gegen China verhängte, gefiel sich Griechenland in der Rolle, Resolutionen gegen China zu verzögern und zu verwässern. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt“, so der CDU-Politiker in einem Gastbeitrag für den „Tagesspiegel“.Stoppen lässt sich die Expansion Chinas wohl nicht mehr. „Wir können die Chinesen nicht dafür verantwortlich machen, dass sie klug waren. Wir können uns nur selbst die Schuld dafür geben, dass wir derart dumm waren“, sagt Frankreichs Präsident Emmanuel Macron mit Blick auf die Strategie Chinas, in Europas Wirtschaft eine immer größere Rolle zu spielen. Tatsächlich haben die EU-Länder der Einkaufstour Chinas mit Übernahmen von Technologiefirmen wie des deutschen Roboterbauers Kuka lange tatenlos zugesehen.“Als Chinas Führung 2013 das Projekt der ‚Neuen Seidenstraße‘ ausrief, glaubten viele in Europa an einen Marketing-Gag“, so Günther Oettinger. Dabei meinte Präsident Xi Jinping es sehr ernst, wie an dem inzwischen aufgebauten Handelsnetz zu sehen ist. In Europa hilft China bevorzugt jenen Staaten, etwa Griechenland oder Ungarn, die ärmer sind als die Westeuropäer. Diese Länder wolle man mit Milliardeninvestitionen in die Infrastruktur eng an sich binden, um auf diese Weise ein „chinafreundliches Europa“ zu schaffen, wie ein hochrangiger EU-Diplomat der „Welt“ sagte.

Keine Bedenken aus Berlin
Wie angespannt die Beziehungen zwischen der EU und China inzwischen sind, zeigt die jüngste Entscheidung des EU-Parlaments, die Beratungen über das Ende letzten Jahres erzielte Investitionsabkommen mit China auszusetzen. Es sollte unter anderem den Zugang europäischer Firmen zum chinesischen Markt regeln, stieß jedoch auf wachsende Ablehnung in der Europäischen Union. Kritiker bemängelten, das Abkommen setze dem Expansionsdrang Chinas keine Grenzen.Den Einstieg der Chinesen in den Hamburger Containrehafen Tollerort dürfte dies kaum verhindern. Die Verhandlungen sind nach NDR-Informationen weit fortgeschritten und mit der Bundesregierung abgestimmt. Aus dem Kanzleramt sowie dem Wirtschafts- und dem Verkehrsministerium sowie beim Auswärtigen Amt gebe es keine Bedenken.

Quelle:
Xing

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