Schillerndes Ding zwischen den Welten

Kombinierter Verkehr statt Einzelwagenverkehr: Diesen Weg ist Norwegen schon vor etlichen Jahren gegangen. Sehr konsequent, sehr erfolgreich, weil die Skandinavier schon damals erkannt hatten, dass die Bündelung von immer weniger Einzelwagen auf der Schiene einfach zu teuer ist.

Bei DB Cargo soll es etliche geben, die diesem Beispiel liebend gern folgen würden. Das sei aber in Deutschland politisch nicht durchsetzbar, sagt Sigrid Nikutta. An jedem kleinen Bahnkunden hängt auch ein rebellischer Bundestagsabgeordneter. Und der Bundesverkehrsminister, der Bahn und ihren Anhängern vor allem in Süddeutschland innig verbunden, taugt auch nicht gerade zum Produkt-Revoluzzer. Die DB-Cargo-Chefin wählt deshalb den Mittelweg: Sie will mit Instrumenten des Kombinierten Verkehrs dem siechen Einzelwagen neuen Schwung verleihen.

Mit seiner Zwitterstellung zwischen den klassischen Produktionswelten ist EVplus ein schillerndes Ding. So ist durchaus denkbar, dass Verlader mit wenig Volumen, die bisher auf den Lkw setzten, hier einen Zugang zur Schiene finden. Dafür brauchen sie noch nicht mal spezielles Equipment, weil ihnen die Bahn das stellt, und Vor- und Nachlauf auf der Straße werden gleich mit angeboten. Hier stimmt das Modell: Es kommen Sendungen ins System, die Lücken im rückläufigen Einzelwagenverkehr füllen können.

Spannend ist die Frage, ob sich trailerfixierte Kunden vielleicht von den Vorteilen des 45-Fuß-Wechselbehälters überzeugen lassen, den die Bahn ihnen stellen würde. Der bringt deutlich weniger Totlast auf die Schiene als der Sattelanhänger, könnte also ein belebendes Element für die Produktions- und Kostenstruktur des Kombinierten Verkehrs sein.

Weil EVplus aber eben nur schillert und nicht strahlt, gibt es auch dunkle Seiten. Nicht notwendigerweise schlechte, aber solche mit ungewisser Wirkung. So ist keinesfalls sicher, dass die EVplus-Kunden vom Wettbewerber Straße zuwandern und nicht von der Schienenschwester Kombinierter Verkehr. Und wie wohl kann sich Kombiverkehr damit fühlen, dass der wichtigste Leistungslieferant nun ein weiteres Eisen im Feuer hat, dessen Ergebnis aber nicht nur zu 50 Prozent einzahlt (wie über die Beteiligung an Kombiverkehr), sondern komplett?

Dass der Operateur dennoch eher unaufgeregt auf die Pläne reagiert, mag gute Miene zum bösen Spiel sein. Tatsächlich aber weist doch einiges darauf hin, dass noch viel Luft im Konzept EVplus ist – und zwar weniger nach oben als vielmehr zum Rauslassen.

So lässt die Tragwagenplanung vermuten, dass noch nicht mal die Hälfte des anvisierten Volumens von EVplus aus Kombisendungen bestehen kann – den überwiegenden Teil soll das Nachtsprungnetz zwischen großen Rangierbahnhöfen bringen, das gerade wieder aufgebaut wird. Und das wäre konventioneller Einzelwagenverkehr.

Entspannen dürfte die Kombi-Manager auch ihre Erfahrung mit Terminalbau und -betrieb. Wer in Deutschland eine Umschlaganlage plant, braucht viele Genehmigungen, und die sind nicht leicht zu bekommen. Nicht so leicht jedenfalls wie Auflagen zu Lärm- und Gewässerschutz oder Sicherheit. Da ist es auch egal, ob die Anlagen „tiny“ oder „mega“ sind: Vor dem Auflagengeber sind alle gleich. Bis die DB-Cargo-Chefin also ihre Zugbildungsanlagen mit „tiny terminals“ ausstatten kann, dürften noch viele Sendungen auf den Tragwagen der Operateure landen.

Dennoch hat der deutsche Mittelweg auch seinen Charme. Denn EVplus rüttelt an den Grenzen zwischen den Produktionswelten, und das hat dem Schienenverkehr schon immer gut getan.

Quelle:
DVZ

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