Experte: Amazon strebt maximale Markttransparenz an

Als im Februar der Vorstoß von Amazon in die See- und Luftfrachtspedition bekannt wurde, sorgt dies für großes Aufsehen. Das Angebot Amazon Global Logistics (AGL) richtet sich an die Teilnehmer des Services Fulfillment by Amazon, also an all jene Händler auf der Plattform, die auch weitere Logistikdienstleistungen des Konzerns in Anspruch nehmen. Außer Luftfracht und Standard-Seefracht für FCL- und LCL-Sendungen bietet der Konzern dabei auch einen Express-Seefrachtservice. Die Kunden können Waren aus Asien in die USA, nach Europa, Japan und in das UK versenden.

Für Dritthändler bietet Amazon nun also nicht nur das Fulfillment ihrer Sendungen, sondern auch den Transport aus Übersee zu den Absatzmärkten. Durch dieses Einbinden von Drittmengen steigert der Onlineriese die verhandelbare Masse. Infolge der Skaleneffekte sinken die eigenen Frachtkosten, und Amazon kann zugleich Zusatzerträge erzeugen sowie die Marketplace-Händler noch stärker von sich abhängig machen, wie Nathan Zielke von der Logistikberatung Cullinan Consulting kürzlich beim E-Commerce Logistics Day der DVZ analysierte.

Das wirklich Spannende an dem Vorstoß des Onlinegiganten in die See- und Luftfracht sei aber ein anderer Aspekt: „Amazon kennt nicht mehr länger nur die Downstream-Seite der Partner, sondern auch den Upstream“, sagt Zielke. Stromaufwärts in Lieferketten beschreibt die Beschaffungsseite, stromabwärts die Auslieferung an die Kunden. Amazon übt Einfluss in beide Richtungen aus – und sammelt massenhaft Kunden- und Händlerdaten.

„Das ist, wie wenn man eine große Shoppingmall betreiben würde und man wüsste von jedem Kunden, der durch die Tür reinkommt, wie er heißt, wo er vorher war, wo er danach hingeht, durch welchen Shop er wann durchgelaufen ist, welches Produkt er sich angeschaut hat, was er tatsächlich gekauft und bezahlt hat. Und zugleich weiß man von allen Shops in diesem Einkaufszentrum, wann diese wo, was, für wie viel eingekauft haben“, sagt Zielke und fügt hinzu: „Das ist so ziemlich das Maximum an Markttransparenz, was man erreichen kann.“

„Tendenziell hochgefährlich“
Und das alles sei für Amazon strategisch sehr wertvoll, sagt Zielke weiter, der auch als Investor und Unternehmer aktiv ist und früher im Vorstand von SBB Cargo war und Digitalisierungsthemen bei der Rail Cargo Group verantwortet hat. Denn seiner Ansicht bringt sich der Onlineriese damit in eine Idealposition für Amazon Basics, wie die Hausmarke des Konzerns heißt.

„Wenn man diese ganzen Daten hat, kann man risikofrei eigene Produkte lancieren, auf der eigenen Plattform verkaufen und den aktuellen Partnern gezielt Marge wegnehmen – und das macht Amazon ja auch“, sagt Zielke. Bei Produkten, die bei Dritthändlern besonders gut laufen, kann der Konzern sein Eigensortiment ausbauen und die Preise strategisch unterbieten. So sei der AGL-Service für die Marketplace-Verkäufer letztlich verlockend und „tendenziell hochgefährlich“ zugleich.

Quelle:
DVZ

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