Schiffsstaus: Ist vorerst ein Höhepunkt erreicht?

Aktuelle Positionsdaten in der weltweiten Containerschifffahrt könnten auf ein Plateau bei den Staus hindeuten. So hat sich der Wert für den Anteil an Waren, die sich global auf wartenden Containerschiffen befinden, im Juni bei etwa 11,5 Prozent eingependelt. Das zeigt das jüngste Datenupdate des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW). Ob damit nun tatsächlich ein Stau-Höhepunkt erreicht ist oder ob es sich nur um ein vorübergehendes Plateau handelt, muss sich aber erst noch zeigen.

„Ein Ende der Staus in der Containerschifffahrt ist derzeit nicht in Sicht“, meint IfW-Ökonom Vincent Stamer. Mit Blick auf wichtige Seeregionen lässt sich zumindest eine Stabilisierung erkennen. So stauen sich in der Nordsee Schiffe mit 2,15 Prozent der globalen Frachtkapazität. Sie können in Deutschland, Holland oder Belgien weder be- noch entladen werden. Hier hat sich zwischen Mitte Juni und Anfang Juli kaum noch etwas zum Besseren oder Schlechteren entwickelt.

Der aktuelle Wert von mehr als 2 Prozent ist aber immer noch ungewöhnlich hoch, wie die DVZ-Grafik auf Basis der am Dienstag vom IfW bereitgestellten Daten zeigt. So warten zum Beispiel weiterhin große Schiffe in der Deutschen Bucht, um in den Hamburger Hafen zur Abfertigung einlaufen zu können. Anfang Juni betrug der Anteil in der Nordsee 1,96 Prozent und zwei Jahre davor 0,63 Prozent.

Die Stausituation vor Shanghai und der angrenzenden Provinz Zheijang hat sich anscheinend ebenfalls stabilisiert. Seit Mitte Juni ist der Anteil sogar ganz leicht rückläufig. Für den gesamten Monat gilt aber auch hier: Die Staus von Containerschiffen halten an und sind gestiegen. In dem Seegebiet stauen sich nun Schiffe mit 3,59 Prozent der globalen Frachtkapazität. Anfang Juni betrug der Anteil 3,36 Prozent, zwei Jahre davor allerdings sogar 4,67 Prozent.

Entspannung in Nordamerika
„Dagegen entspannt sich die Lage in Nordamerika“, sagt Stamer, auch wenn vor den Häfen der US-Ostküste zuletzt eine leichte Zunahme in den Daten zu beobachten ist. „Die pandemiebedingt hohe Nachfrage nach Konsumgütern in den USA hat nachgelassen, der Stau vor dem Hafen von Los Angeles hat sich aufgelöst. Das entlastet die Transportwege, und so sind die Frachtkosten von Asien an die Westküste Nordamerikas seit Beginn dieses Jahres um knapp die Hälfte gefallen“, fügt Stamer hinzu. Frachtraten auf dem Weg von Asien nach Nordeuropa seien dagegen noch immer sechs Mal so hoch wie vor zwei Jahren.

Dass auf dieser Handelsroute von Entspannung noch keine Rede sein kann, zeigt sich auch am Frachtvolumen im Roten Meer. Das war Stand 1. Juli noch 22,5 Prozent niedriger, als es in normalen Zeiten zu erwarten wäre – ein Indiz dafür, dass weiter Lieferungen aus Asien und hier vor allem China ausbleiben. So groß war die Lücke zuletzt nach Ausbruch der Corona-Pandemie vor zwei Jahren. „Maßgeblich dafür könnte sein, dass sich die negativen Effekte des Lockdowns in Shanghai aufgrund der 40-tägigen Fahrt von China nach Europa nun erst zeigen. Auch der Containerschiffstau in der Nordsee und eine zunehmende Bedeutung des Schienentransports auf der Neuen Seidenstraße reduzieren dort womöglich das Frachtaufkommen“, sagt Stamer.

Russland orientiert sich Richtung Asien
Das Frachtaufkommen in Russlands Häfen lässt nach Einschätzung der IfW-Forscher mittlerweile „recht eindeutig auf den Versuch schließen, den verlorenen Handel mit Europa durch Asien zu substituieren“. Im Ostseehafen Sankt Petersburg, wo Waren aus Europa ankommen, ist das Frachtaufkommen nachhaltig eingebrochen. In den übrigen, im Asienhandel eingebundenen Häfen, erholt es sich dagegen etwas. „Allerdings können die Importe aus Asien bisher noch nicht den Handel mit Europa ersetzen“, sagt Stamer.

Ein am IfW programmierter Algorithmus wertet die Schiffsbewegungen aus und übersetzt sie in Handelsdaten. Dieser sogenannte Kiel Trade Indicator schätzt die Im- und Exporte von 75 Ländern und Regionen weltweit sowie des Welthandels insgesamt. Aus dem jüngsten Datenupdate geht hervor, dass der globale Handel im Juni im Vergleich zum Vormonat preis- und saisonbereinigt eine leicht positive Tendenz zeigt.

Für Deutschland zeigen die Werte einen Zuwachs bei den Importen an und eine rote Null bei den Exporten. In der EU zeichnen sich nur moderate Veränderungen sowohl bei den Exporten als auch Importen ab.

Etwas eindeutiger fallen die Signale für den Juni-Handel der USA aus: sowohl die Aus- als auch die Einfuhren liegen im Plus. Auch für Chinas Handel sind die Vorzeichen bei Ex- und Importen positiv. Für Russland weist der Kiel Trade Indicator im Juni eine schwarze Null im Export und einen abermaligen Rückgang im Import aus.

Das Fazit von Stamer, der für den Frühindikator zuständig ist: „Grundsätzlich zeigt der Welthandel im Juni eine leicht positive Tendenz, aber massive Schiffsstaus, hohe Transportkosten und daraus resultierende Lieferengpässe hemmen den Warenaustausch, insbesondere mit Blick auf Europa“.

Quelle:
DVZ

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