Arbeitsunfälle bei Lieferdiensten deutlich gestiegen

Allein in Berlin gab es im vergangenen Jahr knapp 600 Lieferdienst-Unfälle – mehr als das zehnfache im Vergleich zu Vor-Pandemiezeiten. Die Grünen fordern strengere Kontrollen beim Arbeitsschutz.


Mit der Ausbreitung von Schnelllieferdiensten wie Gorillas, Flink und Getir in deutschen Großstädten sind auch die Unfallzahlen der Kurierfahrer deutlich gestiegen. Allein in Berlin hat sich die Zahl der Arbeitsunfälle bei Lieferdiensten in den vergangenen fünf Jahren mehr als verzehnfacht, von 50 Unfällen im Jahr 2017 auf 596 im Jahr 2022. Das geht aus einer Erhebung der Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik (BGHW) hervor, die Capital exklusiv vorliegt. Öffentlich wurde sie durch eine schriftliche Anfrage des Grünen-Abgeordneten Christoph Wapler bei der Berliner Senatsverwaltung für Arbeit.

Zeitdruck als Teil des Geschäftsmodells
„In der Branche herrschen leider immer noch Wild-West-Methoden“, sagt Wapler gegenüber Capital. „Es wird ein unglaublicher Zeitdruck auf die Fahrer aufgebaut, damit das Werbeversprechen mit der 10-Minuten-Lieferung aufgeht“, so der arbeitspolitische Sprecher der Berliner Grünen-Fraktion. Gleichzeitig seien die Fahrräder der Kuriere oft nicht verkehrstüchtig.

Die prekären Arbeitsverhältnisse dürfe man den Unternehmen nicht einfach so durchgehen lassen. „Die Kontrolldichte ist viel zu niedrig“, meint er. Der Grünen-Abgeordnete fordert deswegen mehr Personal und eine unabhängige Beschwerdestelle auf Landesebene.

Strafen wegen Arbeitsschutz-Verstöße
Laut der Senatsverwaltung für Arbeit gab es in den vergangenen fünf Jahren mehrere Schwerpunktkontrollen bei Berliner Lieferdiensten. Dabei habe das zuständige Landesamt für Arbeitsschutz immer wieder Mängel bei der Einhaltung des Arbeitsschutzes und der gesetzlich vorgeschriebenen Arbeitszeiten festgestellt, etwa mit Blick auf Pausenräume, Fluchtwege, Arbeitsmittel, Ruhepausen und Feiertagsarbeit.

Im Jahr 2022 habe man deshalb insgesamt 7.170 Euro an Bußgeldern gegen Lieferdienste in Berlin verhängt, im Jahr 2021 seien es sogar 12.640 Euro gewesen.

Lieferdienste haben in der Pandemie einen Boom erlebt. Viele Millionen Kunden lassen sich seitdem Supermarkt-Einkäufe und Restaurant-Essen per Fahrradkurier nach Hause bringen. Durch den Aufschwung der Lieferdienste sind auch die Fahrerflotten der Anbieter gewachsen.

Die Kuriere haben in der Vergangenheit bereits häufiger die prekären Arbeitsbedingungen in der Branche angeprangert. Erst vergangene Woche protestierten rund 30 Fahrer des finnischen Lieferdienstes Wolt in Berlin wegen mutmaßlich unbezahlter Arbeitsstunden im Wert von mehreren hunderttausend Euro.

Quelle:
Capital

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