Seehafenspediteure erwarten Durststrecke

Die Inflation und Stagnation in der Wirtschaft haben das Seefrachtgeschäft im ersten Quartal schwer belastet. Im Import brachen die Volumina deutlich zweistellig ein, wie eine aktuelle Umfrage des Vereins Bremer Spediteure (VBSp) aufzeigt. Die Auftragsentwicklung für den Rest des Jahres beurteilen die Mitgliedsunternehmen nicht viel besser.

Auf sage und schreibe minus 17 Prozent schätzt der Verein den Verlust bei den abgewickelten Transportmengen seiner Mitglieder im Seefracht-Import in den ersten drei Monaten. Für das Gesamtjahr sind die Erwartungen mit minus 15 Prozent Volumenrückgang (Import) gegenüber dem Vorjahr nicht wesentlich höher.

„Wir beobachten in den letzten Monaten, dass sich der Privatkonsum reduziert und auch verlagert“, verdeutlichte Vorstandsmitglied Thorsten Dornia, geschäftsführender Gesellschafter von Brelog. Besonders die Containerbuchungen für höherwertige Konsumgüter seien stark gefallen, etwa für Garten- und Outdoor-Produkte.

Lager laufen über
Dornia nannte aus eigener Erfahrung das Beispiel eines Händlers für Swimming-Pools, der noch auf seiner gesamten zusätzlich georderten Ware aus dem Vorjahr sitzt – 250 Stück. „Das Volumen, das uns in der Seefracht jetzt fehlt, liegt hier in den Lagern.“ Bei der Einfuhr von Nahrungsmitteln und Vorprodukten für die Industrie ist die Lage seiner Einschätzung nach stabiler.

Sven Schoon von ETS Transport & Logistics, ebenfalls Vorstandsmitglied, sieht die Abschwächung hauptsächlich beim Import aus Fernost. „Im vierten Quartal war es noch konstant, aber zum Jahreswechsel hat sich die Lage schlagartig geändert.“

Auf anderen Relationen wie von Europa nach Nordamerika liefen die Geschäfte aber nach wie vor zufriedenstellend. „Man muss es differenziert betrachten“, so Schoon.

Die Umfrage des VBSp kommt zu dem Ergebnis, dass es generell im Seefracht-Export besser läuft als im Import, was die Mengen angeht. Die Volumeneinbußen der Mitglieder im ersten Quartal rechnet der Verein auf 6 Prozent gegenüber dem Vorjahr hoch. Jedoch ist der Trend hier offenbar weiter fallend: Für das Gesamtjahr lautet die Prognose minus 8 Prozent.

Schwierig seien die Geschäfte vor allem beim Versand Richtung Fernost, weil dort zusätzlich auch die Frachten im Keller sind. „Wir reden hier über negative Frachtraten nach Abzug von Zuschlägen für Umschlag und Bunker“, stellte der scheidende VBSp-Vorsitzende Oliver Oestreich, Chief Operating Officer von Leschaco, fest. Vor einem Jahr habe er darauf gewettet, dass der Markt nie wieder auf ein so niedriges Niveau fällt.

Tiefer runter geht es kaum
Oestreich schätzt den Ausblick für das Gesamtjahr aber etwas positiver ein als die Umfrage. Seit Januar habe sich der Rückstand beim Auftragsvolumen gegenüber dem Vorjahr sukzessive verkleinert, „in der Spitze waren es minus 30 Prozent“. Leschaco gehe jetzt von einem weiter anziehenden Geschäft aus. „Wir erwarten, dass es im dritten und vierten Quartal besser wird.“

Auch bei den Frachten scheint es eine Bodenbildung zu geben. Indizes zufolge liegen die Raten in der Linienschifffahrt im Großen und Ganzen wieder auf dem Niveau wie direkt vor der Pandemie und noch weit über den Tiefständen aus Krisenjahren wie 2016.

„Die Reeder verstehen es besser, ihre Kapazitäten entsprechend zu steuern. Sie spielen es gut“, sagte Thorsten Dornia. Wegen der künstlichen Verknappung von Laderaum müsse sogar wieder Ware in den chinesischen Häfen „gerollt“ werden, also liegengelassen und auf die nächste Schiffsabfahrt umgebucht werden.

An dieser Praxis wird sich aus seiner Sicht nicht viel ändern. „Dass die Raten noch weiter runtergehen, halte ich für fast ausgeschlossen“, so Dornia. Viele Mitglieder des VBSp scheinen das ähnlich zu sehen und beurteilen ihre finanziellen Perspektiven für das Jahr trotz Volumenrückgängen relativ gut.

Stabile Raten bedeuten schließlich auch stabile Margen für die Logistiker. So gaben insgesamt 65 Prozent der Dienstleister an, dass sie mindestens mit einem „zufriedenstellenden“ Jahresergebnis rechnen.

Quelle:
DVZ

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