Das Tor zur Welt – vorübergehend geschlossen

Der Hafen in der südchinesischen Metropole Shenzhen musste wegen eines Corona-Ausbruchs zwei Wochen lang dicht machen. Die Auswirkungen sind gravierender als nach der Sperrung des Suez-Kanals

Sie stapeln sich dicht an dicht und übereinander, kilometerlang: Die Container im Hafen von Shenzhen. Bis zu 23 Tage stehen sie hier herum, statt auf Schiffen um den Globus zu fahren, denn ein Corona-Ausbruch in Südchina hat den Frachtverkehr erheblich durcheinander gebracht. Der am stärksten betroffene Hafen ist der Yantian International Container Terminal, unweit der ehemaligen britischen Kronkolonie Hongkong gelegen, werden hier normalerweise gut zehn Prozent der chinesischen Exportgüter verladen: Computer, Mikrowellen, Klimaanlagen für die ganze Welt. Der Hafen von Shenzhen ist der vielleicht wichtigste Umschlagplatz der Globalisierung. Ausgerechnet dieses Zentrum des Warenaustausches schlossen die chinesischen Gesundheitsbehörden für mehrere Tage. Alles musste desinfiziert werden.

In den ersten zwei Juni-Wochen haben deshalb insgesamt 298 Containerschiffe mit einer Kapazität von mehr als drei Millionen Containern Shenzhen nicht anlaufen können. Auch der Hafen von Guangzhou, ebenfalls einer der größten der Welt, ist von dem jüngsten Covid-Ausbruch betroffen.

Fachleute schätzen, dass alleine in Shenzhen in den vergangenen zwei Wochen etwa 357 000 sogenannte Zwanzig-Fuß-Standardcontainer, die in der Branche mit TEU (Twenty-foot Equivalent Unit) abgekürzt werden, nicht verladen werden konnten. Der Hafenbetrieb wurde inzwischen zwar wieder aufgenommen – aktuell liegt die Auslastung bei etwa 70 Prozent – es werde aber bis Ende Juni dauern, bis die volle Kapazität von 36 400 TEU pro Tag erreicht werde, teilt der Hafenbetreiber mit.

Schwer betroffen sind auch Lieferungen nach Deutschland
„Uns trifft der Corona-Ausbruch in Shenzhen schwerer als die Blockade des Suezkanals im März“, meint Jens Eskelund, China-Geschäftsführer der weltgrößten Reederei Maersk. Vor drei Monaten hatte die Sperrung des verkeilten Frachtschiffes Ever Given den Seeweg zwischen dem Roten Meer und Europa für sechs Tage blockiert, etwa 330 000 TEU waren betroffen. Nun Shenzhen.

Der Engpass in Südchina belastet die ohnehin wegen der Pandemie bereits sehr angespannte Branche enorm. Namhafte Industrieverbände haben angesichts der Lage in einem Brandbrief an die Bundesregierung auf Verschlechterungen bei der Zuverlässigkeit und Qualität im Container-Seeverkehr hingewiesen, insbesondere auf den Strecken zwischen Asien, Nordamerika und Europa. Auf vielen Routen müssen die Reedereien nämlich kräftig umplanen.

„Kunden sollten in den kommenden Wochen erwägen, Exportcontainer in andere Häfen zu verlagern und 20-Fuß-Container einzusetzen, um den Mangel an 40-Fuß-Containern zu überwinden“, heißt es auf der Maersk-Website zur Situation in Shenzhen. Schwer betroffen sind auch Lieferungen nach Deutschland. „Der Hamburger Hafen ist mit starken Staus konfrontiert“, vermeldet Maersk. Zur Wahrung der Fahrplansicherheit werde Hamburg in den kommenden vier Wochen nicht angefahren und die Ladung stattdessen in Bremerhaven gelöscht.

Die Konsequenz sind gewaltige Preissteigerungen im Frachtverkehr. Bereits vor der Schließung Shenzhens und der Suez-Blockade waren die Raten pro Container ordentlich gestiegen. Das lag vor allem daran, dass Schiffe voll beladen aus China nach Europa oder in die Vereinigten Staaten fuhren. Die Welt steckte im Lockdown und aus chinesischen Fabriken kamen jene Produkte, die auf einmal gefragt waren: Spielkonsolen, Bildschirme fürs Homeoffice oder neue Kaffeemaschinen. Zurück nach China fuhren die Frachter oft leer, da die Produktion außerhalb der Volksrepublik lange Zeit ruhte. Der langsame Umschlag in den Häfen in Südchina hat die Preise noch einmal in die Höhe getrieben, derzeit verlangen Reedereien für die Passage von Asien nach Nordeuropa bis zu 20 000 Dollar für einen 40-Fuß-Container. Vor der Pandemie bezahlte man teilweise nur eine Zehntel davon.

Quelle:
Xing

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