Grüne Logistik: Paketversand Hermes sattelt auf Lastenräder und Elektroautos um

In Berlin werden 300.000 Menschen emissionsfrei beliefert. Eine Expansion ist geplant, auch in andere Städte. Doch es gibt einige Wünsche an die Politik

Nein, das ist kein Test und kein Pilotprojekt mehr, sagte Marco Schlüter von Hermes. „Das geht nicht wieder weg.“ Seit Dienstag stellt der Paketversand in einem großen Teil der Berliner Innenstadt seine Sendungen zu, ohne dass dort klimaschädliches Kohlendioxid frei wird – und das soll auch so bleiben, wie der Leiter des operativen Geschäfts am selben Tag bekräftigte. 28 elektrische Lastenräder und 14 elektrische Transporter ersetzen die 50 Dieselfahrzeuge, die Hermes bislang in dem Bereich einsetzte. „Damit wird Berlin zur Blaupause für weitere deutsche Innenstädte“, so Schlüter. Er kündigte außerdem an, dass Hermes in weiteren Teilen Berlins Pakete und Päckchen emissionsfrei befördern will. Doch mit Blick auf die geplante Expansion äußerte Schlüter Wünsche an die Politik – und er musste sich mit Kritik auseinandersetzen, dass die Lastenräder oft auf Gehwegen parken.

Es war nachvollziehbar, dass die Hermes-Leute den Euref-Campus am Schöneberger Gasometer gewählt hatten, um ihre Nachricht zu verkünden – und die Konkurrenz damit unter Druck zu setzen. Überall auf dem Gelände geht es um Energiewende, Nachhaltigkeit und moderne Mobilität. Das Areal, auf dem rund 3500 Menschen in mehr als 150 Unternehmen und Forschungseinrichtungen arbeiten, erfüllt bereits seit 2014 die ehrgeizigen Klimaziele für 2045.

Berlin als Vorbild – künftig auch in Dresden, Leipzig, Erfurt und Mainz
Hermes hatte E-Vans von Mercedes-Benz mitgebracht, die als Teil der neuen City-Logistik vor allem schwere Pakete zu den Empfängern bringen sollen. Auch elektrische Lastenräder des Treptower Unternehmens Ono, die Sendungen in Containern befördern, parkten vor der Halle. Neben den futuristisch anmutenden Dreirädern leuchtete eine Akku-Wechselstation von Swobbee, einem weiteren Start-up aus Berlin.

Elektrofahrzeuge dieser Art werden von nun an in Mitte, Tiergarten, Prenzlauer Berg, Schöneberg, Kreuzberg und im Regierungsviertel im Einsatz sein. „Es ist das mit Abstand größte zusammenhängende Gebiet, das wir emissionsfrei beliefern“, sagte Marco Schlüter. Rund 300.000 Menschen wohnen dort. „Hinzu kommen etliche Geschäftskunden“, sagte Pouyan Anvari, bei Hermes zuständig für Berlin. Auch die 79 Paketshops in dem Bereich werden elektrisch beliefert. Der Erdatmosphäre bleiben nun 220 Tonnen Kohlendioxid pro Jahr erspart, rechnet das Unternehmen der Hamburger Otto-Gruppe vor. Der Konzern will bis 2030 klimaneutral werden.

Eine Schlüsselrolle spielen die Mikrodepots. Hermes betreibt in Berlin drei solcher innerstädtischen Lager und Umschlagplätze – in Schöneberg und Mitte. Vorerst gelangen die Paketsendungen aber noch fast immer mit Dieselfahrzeugen vom Ketziner Verteilzentrum dorthin, wie Pouyan Anvari einräumte. Allerdings sollen auch zwischen dem Landkreis Havelland und der Berliner Innenstadt künftig elektrische Fahrzeuge für Hermes rollen, so Marco Schlüter. „Sobald der Bund die Anschaffung von E-Lkw fördert, werden wir einen solchen Lastwagen kaufen.“

Auch für die Liefergebiete in Berlin, in denen Hermes noch nicht emissionsfrei unterwegs ist, zeichnet sich eine Umstellung auf „Green Delivery“ ab. „Da sehen wir noch einiges Wachstumspotenzial“, erklärte Pouyan Anvari. Dort erwartet das Unternehmen aktuell ebenfalls 2,5 Millionen Sendungen pro Jahr. Das in Berlin gereifte Konzept soll noch in diesem Jahr in einer zweiten Stadt in Deutschland eingeführt werden, 2022 werden weitere Städte folgen. Im Gespräch sind Dresden, Leipzig, Erfurt und Mainz.

„In Berlin zeigen wir, dass weit mehr möglich ist, als in unserer Branche derzeit umgesetzt wird“, sagt Chief Operating Officer Schlüter. Trotzdem bleibe eine solche Umstellung in dem traditionell margenschwachen Wirtschaftszweig ein Wagnis: „Wir rechnen im Vergleich zu konventioneller Zustellung mit höheren Kosten.“ Für eine weitere Expansion der grünen Logistik bräuchten die Unternehmen die Unterstützung der Politik. So gebe es bei der Zahl der Ladesäulen Nachholbedarf, sagte Schröder. Und bei der Schaffung neuer Anlagen für den Fahrradverkehr sollten die Planer in der Verwaltung bedenken, dass Lastenräder mehr Platz benötigen als andere Zweiräder.

Ein besonderes Problem sei es, in dicht bebauten Innenstadtgebieten bezahlbare Immobilien für Mikrodepots zu finden. Zwar habe die Corona-Krise dazu geführt, dass Läden und andere Flächen leer stehen, sagte der Hermes-Manager. Doch bei vielen Vermietern sei „kein übergroßes Engagement“ festzustellen, die Lokale zu tragbaren Preisen rasch neu zu belegen, formulierte der Hamburger höflich.

Grüne Logistik entlastet die Straßen. Jedoch ist immer wieder zu beobachten, dass Lastenräder auf Bürgersteigen den Fußgängern im Weg stehen – und damit klimafreundliche Fortbewegung behindern. „Unsere Fahrerinnen und Fahrer kennen ihre Zustellbezirke“, entgegnete Pouyan Anvari. Sie wüssten, wo Platz zum Parken sei und wo nicht. Klar sei, dass Gehwege nicht versperrt werden dürfen. „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Lastenräder mehr Sympathiepunkte bekommen als Lieferautos“, sagte Marco Schlüter.

Quelle:
Berliner Zeitung

Schreibe einen Kommentar