Wie die Schifffahrt die Inflation anfeuert

Es gibt zu viele Waren für zu wenige Schiffe. Die Folge: Die Frachtraten sind explodiert. Das treibt selbst die Inflation in die Höhe. Unternehmer und Verbände machen ihrem Ärger Luft

Die Containerschifffahrt schreibt zur Zeit viele Rekorde: Die Schiffe sind so groß wie nie zuvor. Sie transportieren so viele Container, wie nie zuvor. Sie sind so verspätet wie nie zuvor. Der bemerkenswerteste Rekord von allen aber ist ein anderer: Der Schiffstransport ist so teuer wie nie zuvor.

Das zeigen zum Beispiel Daten des Branchenanalysten Drewry. Dessen World Container Index, der Frachtraten von Schiffen auf der ganzen Welt abbildet, stieg zuletzt auf über 7000 Dollar – eine absoluter Spitzenwert. Ein Container auf der wichtigen Exportroute von Schanghai nach Rotterdam kostet laut Drewry mittlerweile schon rund 12.000 Dollar. Die Zahl wirkt schon beinahe absurd. Noch vor einem Jahr hätte ein Containertransport von Asien nach Nordeuropa nicht mal 2000 Dollar gekostet.

Die Schifffahrt befindet sich in einer Ausnahmesituation. In der Coronapandemie haben die Menschen in Amerika und Europa unerwartet viel gekauft und konsumiert. Durch Ausganssperren und Arbeit von Daheim wuchs auch das Bedürfnis, dieses Zuhause zu verschönern – oder wenigstens sich selbst. Doch die neuen Haushaltsgeräte, Haarschneidemaschinen, Hantelbänke und Hula-Hoop-Reifen werden häufig in China gefertigt – und kommen von dort per Schiff in die heimischen Häfen. Mittlerweile gibt es zu viel Nachfrage für zu wenige Schiffe, deshalb steigen auch die Preise.

Das schlägt sich mittlerweile auf die gesamte Wirtschaft durch. Handelskonzerne und Hersteller beschweren sich über die Frachtraten. Die Frachtkosten seien „zunehmend unkalkulierbar“, schreibt etwa der Bundesverband der Deutschen Industrie in einem Positionspapier. Gemeinsam mit anderen Wirtschaftsverbänden schickte der BDI einen Brandbrief an die Regierung. Die Schiffe seien Verspätet, es gäbe starke Qualitätsdefizite bei gleichzeitig „stark ansteigenden Transportkosten“, hieß es in dem Schreiben. Das beeinträchtige nicht nur Lieferketten sondern teilweise auch die Produktion.

Tatsächlich dürften die hohen Logistikkosten sich mittlerweile selbst in der Inflation zeigen: Das Essener Forschungsinstitut RWI sagt nach einer aktuellen Prognose für dieses Jahr eine Teuerungsrate von im Schnitt 2,5 Prozent voraus – das ist deutlich über dem Zielwert der Europäischen Zentralbank von knapp unter zwei Prozent. Das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) hält in den kommenden Monaten sogar einen temporären Anstieg auf bis zu vier Prozent für möglich.

Für die Rückkehr der Inflation gibt es eine Reihe von Gründen – doch die steigenden Transportkosten und globalen Lieferproblem spielen dabei eine gewichtige Rolle. 90 Prozent aller Industrie- und Konsumgüter werden per Seefracht transportiert. Wenn hier die Preise steigen, schlägt das auf die gesamte Wertschöpfungskette durch – bis hin zum Konsumenten.

Auf den Weltmeeren sind die Container derzeit extrem knapp, vor vielen großen Häfen haben sich Staus gebildet. „Vor allem vor chinesischen Häfen ist die Anzahl der wartenden Containerschiffe stark gestiegen“, berichtet Vincent Stamer, Handelsökonom am Institut für Weltwirtschaft. So musste der Hafen von Yantian, viertgrößter Hafen der Welt, wegen eines Ausbruchs des Coronavirus seine Aktivität zeitweise komplett stoppen. In den USA habe sich die Lage hingegen etwas entspannt.
Trotzdem dürften die Lieferschwierigkeiten bei wichtigen Rohstoffen andauern, prognostizieren die Volkswirte des RWI. „Die Engpässe dürften nur allmählich beseitigt werden, der durch sie ausgelöste Preisdruck mit abnehmender Wirkung noch bis Ende des Jahres bestehen bleiben“.

Quelle:
Wirtschaftswoche

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