Die Deutsche Bahn zerschlagen oder nicht?

Verbände und Politik diskutieren die Zukunft des Konzerns, immer mehr Organisationen und Verbände fordern eine Abtrennung des Netzes von der Deutschen Bahn. Die Frage ist, ob der politische Mut dazu reicht.

Die jüngste Flutkatastrophe im Südwesten Deutschlands hat auch die Schieneninfrastruktur massiv beschädigt. Der Wiederaufbau dürfte Jahre dauern und die Deutsche Bahn Milliarden Euro kosten. Dabei braucht der Staatskonzern das Geld eigentlich, um die eigene Flotte und das Netz für stark steigende Passagierzahlen zu rüsten, wenn die Bahn verstärkt zur Alternative zum Auto- und Flugverkehr werden soll.

Dieses Dilemma belebt eine altbekannte Debatte neu: Muss der Bahn-Konzern aufgeteilt werden, um den Ausbau der klimafreundlichen Schiene zu beschleunigen?

Bisher betreibt die Bahn nicht nur die Züge. Sie ist auch für das Schienennetz verantwortlich und verbaut das Geld, das der Bund für die Gleisinfrastruktur zur Verfügung stellt. Kritiker sehen darin einen Interessenkonflikt, der den Wettbewerb erschwert.

In dieser Woche haben mehrere Verbände und Organisationen diese Debatte mit einem Aufruf neu belebt. Verbraucherschützer, Verbände von Bahn-Konkurrenten und Kunden, die deutsche Bauindustrie und sogar die Lokführergewerkschaft GDL fordern in einem gemeinsamen Papier eine „Bahnreform 2.0“ sowie eine „grundlegende Reform des Systems Schiene“.
Und ernteten umgehend Widerspruch. Martin Burkert, stellvertretender Vorsitzender der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), warnt vor heftigen Folgen einer solchen Reform. „Das Bündnis für eine zweite Bahnreform ist in Wahrheit ein Bündnis gegen Beschäftigung, denn die Zerschlagung des DB-Konzerns hilft weder dem System Eisenbahn noch der Umwelt“, sagt der Gewerkschafter.

Tatsächlich ist die Forderung nach einer Zerschlagung der Bahn fast schon so alt wie der integrierte Konzern selbst. Regelmäßig kommt sie hoch, auch von der Monopolkommission. Ebenso regelmäßig wurde sie bisher von den Vertretern des Eigentümers Bund – der Regierung in Berlin – ignoriert.

Doch die Bundestagswahl im September könnte eine neue Bundesregierung bringen – mit Beteiligung der Grünen oder der FDP. Beide wollen Veränderungen bei der Bahn, das weckt Begehrlichkeiten bei den Kritikern.

Die Grünen wollen die Bahn umbauen
Die Hoffnungen auf eine Bahnreform könnten sich allerdings schnell zerschlagen. Noch zu Jahresbeginn hatten Vertreter der Grünen klar dafür plädiert, das Schienennetz abzutrennen und „gemeinwohlorientiert“ allen Anbietern gleichberechtigt zur Verfügung zu stellen. Im Wahlprogramm der Partei klingt das nun etwas zurückhaltender.

„Die bundeseigene Infrastruktur wollen wir vom Druck, Gewinne erzielen zu müssen, und von der chronischen Unterfinanzierung befreien und dafür entsprechende Strukturen schaffen“, heißt es lediglich. Und weiter: „Den Deutsche-Bahn-Konzern wollen wir transparenter und effizienter machen und auf das Kerngeschäft ausrichten, die Eisenbahn in Deutschland und im benachbarten europäischen Ausland.“

Zwar greifen die Grünen damit eine Kernkritik an der bisherigen Struktur des Unternehmens Bahn auf. Die Erlöse der Netz-Tochter – erzielt mit sogenannten Trassenpreisen, die auch die Wettbewerber bezahlen – gleichen Verluste im Betrieb aus. Das sei intransparent und behindere den Wettbewerb, heißt es etwa bei den Konkurrenzverbänden Mofair und NEE.

Doch wie genau die künftige Konzernstruktur einer Deutschen Bahn aussehen soll, dazu geben die Grünen keine Informationen. Auch das Wort Zerschlagung fällt nicht. Das könnte einen Grund haben: Auch die Verkehrsexperten der Umweltpartei haben erkannt, wie komplex eine Aufspaltung der Deutschen Bahn ist.

Darauf hebt auch Gewerkschaftler Burkert von der EVG ab. Die Bahn wäre auf Jahre mit dem eigenen Umbau beschäftigt. Angesichts der ehrgeizigen Zeitvorgaben beim Klimaschutz wäre das eher kontraproduktiv.

Bahn verweist auf andere Länder wie Japan
Andererseits sticht das Argument der Kritiker, dass ein solcher Umbau immer zeitaufwendig ist – unabhängig davon, wann er vorgenommen wird. „Es ist an der Zeit für eine neue Bahnreform, um Ineffizienzen abzustellen und gemeinsam als gesamte Bahnbranche, inklusive der Wettbewerbsbahnen, dem Klimawandel entschieden zu begegnen“, sagt Matthias Stoffregen von Mofair, dem Verband, in dem sich Rivalen wie Flixtrain oder Abellio organisiert haben.

Die Bahn selbst verweist bei dem Thema immer wieder auf Beispiele aus anderen Ländern. Diejenigen mit den besten Bahnsystemen seien die mit einem integrierten Unternehmen wie etwa in Japan, hatte Konzernchef Richard Lutz erst in vergangenen Woche betont.

Wahrscheinlich wird die aktuelle Debatte um die Bahn folgendermaßen enden: Die neue Bundesregierung – wie auch immer sie aussehen mag – wird ein neues Gutachten in Auftrag geben. Das braucht Zeit und dürfte neben den Vorteilen auch die zahlreichen Herausforderungen einer Aufteilung des Konzerns aufzeigen. Ob der politische Mut und Wille dann ausreicht, den Staatskonzern tatsächlich zu zerschlagen, ist völlig offen.

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