Hafen Shanghai im Lockdown: Wie die Lehren aus der Pandemie jetzt helfen

Der größte Seehafen der Welt ist seit Montag im Lockdown. Doch die Störungen in der Lieferkette fallen wohl geringer aus als 2021 in Yantian und Ningbo. An Land sieht es schlechter aus.

Der Lockdown des weltgrößten Seehafens in Shanghai wird in den internationalen Lieferketten voraussichtlich weit weniger Schaden anrichten als die zurückliegenden Hafenschließungen in Ningbo und Yantian. Davon zeigt sich der Asienchef des Logistikkonzerns Kühne + Nagel, Siew Loong Wong, gegenüber dem Handelsblatt überzeugt.

„Das operative Geschäft im Hafen selbst ist wenig betroffen“, berichtete der chinesische Frachtexperte, der das Asiengeschäft derzeit von Singapur aus steuert. Auf dem riesigen Gelände gebe es zwar Arbeitsausfälle, Shanghai sei aber der am stärksten automatisierte Hafen der Welt.

Seit Montag verharrt der östliche Teil der 25-Millionen-Einwohner-Metropole – einschließlich des Megahafens und des Airports Pudong – eine Arbeitswoche lang unter einem strengen Lockdown. Erst ab Freitag, so haben es die chinesischen Behörden beschlossen, darf dort wieder voll gearbeitet werden. An diesem Mittwoch folgt nun auch der westliche Stadtteil Puxi wegen des jüngsten Coronaausbruchs den Quarantänemaßnahmen.

„Wir versuchen, wo immer dies möglich ist, die Seecontainer im 150 Kilometer entfernten Hafen Ningbo zu verladen“, berichtet Wong von seinem Notfallplan. Schwerwiegende Unregelmäßigkeiten im Seeverkehr, wie sie deutsche Importeure nach den jeweils vierwöchigen Hafenschließungen in Yantian und Ningbo im Mai und August 2021 beklagten, seien kaum zu erwarten.

„Die Liniendienste der Reedereien laufen wie gewohnt weiter“, beobachtet der K+N-Asienchef, „auch wenn manche Stopps in Shanghai womöglich ausfallen oder kürzer sind als geplant.“ Laut dem Seeportal „Seaexplorer“ warten Schiffe vor den Häfen von Shanghai und Ningbo aktuell gerade einmal 2,8 Tage. Zum Vergleich: Vor den US-Ports Seattle, Charleston und Oakland sind die Wartezeiten im Moment mehr als doppelt so lang.

Ähnlich optimistisch äußerte sich auch Anne-Sophie Zerlang Karlsen, die für das Asien- und Pazifikgeschäft der Containerreederei Maersk verantwortlich ist. „Ich sehe, dass die Hafengruppen in China im letzten Jahr aus der Situation gelernt haben und seit der Schließung des Hafens von Yantian im Jahr 2021 einen langen Weg zurückgelegt haben“, kommentierte sie den Lockdown in einem Beitrag auf dem Business-Netzwerk LinkedIn.

Statt der kompletten Hafenschließungen konzentrierten sich die Behörden nun ersatzweise auf Coronatests von Lkw-Fahrern und Terminalarbeitern. „Ich sehe nun ein China, das dafür ‚geprobt‘ hat“, so die Maersk-Managerin weiter, „und ich glaube, dass die Häfen ihren Betrieb fortsetzen werden.“

Deutlich gravierendere Probleme im Landverkehr
Deutlich gravierender sind die Lieferkettenprobleme seit dem Lockdown allerdings auf der Landseite. So schickte der irische Autoteilehersteller Aptiv, ein Zulieferer von Tesla, seine in Shanghai beschäftigten Mitarbeiter am Dienstag nach Hause, die vor allem Kabelbäume fertigen. Sie sollten in den darauffolgenden Tagen aufgrund der Quarantänemaßnahmen nicht zur Arbeit kommen.

Auch der deutsche Autozulieferer Bosch erklärte, dass er in Shanghai mit reduzierter Personalkapazität fertige. Die Stuttgarter betreiben dort zwei Werke für Kraftfahrzeugkomponenten und Thermotechnik.

Das Unternehmen sagte gegenüber Nachrichtenagenturen, dass man alles daransetze, die Lieferketten aufrechtzuerhalten und die Nachfrage der Kunden zu bedienen. Da die Lockdowns zeitlich befristet seien und man zwei Jahre lang Erfahrungen mit dem Pandemiemanagement gesammelt habe, halte man die Auswirkungen jedoch für überschaubar.

Wie das Pandemiemanagement konkret aussieht, offenbarte jetzt der US-Autobauer General Motors. In dessen Werk in Shanghai müssen Beschäftigte Insidern zufolge auf dem Fabrikboden übernachten, um die Produktion trotz des strengen Corona-Lockdowns aufrechtzuerhalten. Solche Maßnahmen entsprächen dem „Closed-Loop“-Management, einem „geschlossener Kreislauf“, den die Metropole von Unternehmen verlangt, um Produktion und Geschäft am Laufen zu halten.

Sorgen bereitet den Logistikern zudem, dass Lkw-Fahrer an den Grenzen der abgeriegelten Provinzen streng kontrolliert werden. „Dadurch entstehen erhebliche Schlangen“, berichtet K+N-Manager Wong. Maersk schätzt, dass die Lkw-Dienste von und nach Shanghai derzeit um 30 Prozent beeinträchtigt sind.

Bei Kühne + Nagel bemüht man sich deshalb, auf Zuliefererwerke in anderen Provinzen zurückzugreifen. „Viele Unternehmen haben ihr Stammwerk zwar in Schanghai“, berichtet Wong, „inzwischen ihre Produktion aber über ganz China verteilt.“

Diese Zusatzmaßnahmen beim Sourcing lohnten sich allerdings nur, wenn sich der Lockdown länger hinziehen werde als geplant. „In Shenzhen war er bereits wieder nach einer Woche vorbei“, erinnert sich der chinesische Frachtexperte an die behördlichen Anordnungen Mitte März.

Quelle:
Handelsblatt

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