Vorwürfe gegen Hapag-Lloyd – „Räuberische Geschäftspraktiken“

US-Abgeordnete werfen Hapag-Lloyd vor, ihre Preise zu Lasten von Verbrauchern unverhältnismäßig erhöht zu haben. Aufgrund einer Sonderregelung zahlt die Reederei trotz Rekordprofiten kaum Steuern.

Als die größte deutsche Reederei Hapag-Lloyd im März einen Rekordgewinn in Höhe von 9,3 Milliarden Euro verkündete, gab es in Deutschland kaum Kritik. Dabei gleicht der Gewinn vor Steuern fast dem nach Steuern. Denn mit rund 60 Millionen Euro führte die Reederei weniger als ein Prozent vom Gewinn an die Staatskasse ab.Das hat die Reederei einer Spezialregelung zu verdanken, der „Tonnage-Steuer“, die sich nicht nach dem Gewinn, sondern nach den eingesetzten Schiffsgrößen richtet. „Das soll jeder mit seinem Steuersatz mal vergleichen,“ sagt Norbert Hackbusch, Fachmann für Wirtschaft bei der Linkspartei in Hamburg. „Wir müssen ein Mindeststeuer-Prinzip einführen, auch für Reedereien.“

US-Regierung will durchgreifen
Schützenhilfe bekommt die kapitalismuskritische Partei nun von unerwarteter Seite. Regierung und Parlament der Vereinigten Staaten knöpfen sich global agierende Großreedereien vor, weil diese nach ihrer Auffassung mit hohen Frachtraten die Inflation anheizen und damit Verbraucher und Unternehmen in den USA belasten, selbst aber hohe Gewinne verbuchen. In seiner Rede zur Lage der Nation hatte Präsident Joe Biden bereits einen „Crackdown“ gegen die „Ocean Carriers“ angekündigt. „Die ausländischen Firmen haben ihre Preise um bis zu 1000 Prozent angehoben und Rekordprofite eingefahren“, sagte Biden am 1. März. „Ich kündige hiermit an, hart gegen diese Firmen durchzugreifen, die amerikanische Unternehmen und Verbraucher abzocken.“

Allianzen beherrschen 90 Prozent des Weltmarkts
Die acht weltweit größten Reedereien, ausschließlich europäische und ostasiatische Unternehmen, haben sich zu drei Allianzen zusammengeschlossen, die zusammen fast 90 Prozent des Weltmarkts beherrschen. Hapag-Lloyd gehört zu einer der drei Allianzen. Die US-Administration verdächtigt die Reedereien, die Preise wie in einem Kartell miteinander abzustimmen. Der US-Präsident nannte weder Hapag-Lloyd noch andere Reedereien beim Namen. Aber zwei Abgeordnete des amerikanischen Kongresses verschickten einen Tag später Briefe an Marktführer Maersk in Kopenhagen, an die Reederei CMA-CGM in Marseille und an Hapag-Lloyd in Hamburg.

James E. Clyburn und Raja Krishnamoorthi, demokratische Mitglieder des Repräsentantenhauses, monieren in dem Schreiben an Hapag-Lloyd, dass die Frachtraten im Vergleich zu den operativen Kosten unverhältnismäßig gestiegen seien. Das habe zu „übermäßigen Profiten“ geführt.Die beiden Kongressabgeordneten stehen zwei Unterausschüssen vor, die sich unter anderem mit Betrug, Missbrauch und Profitmacherei während der Corona-Pandemie befassen. „Wir sind tief besorgt, dass Hapag-Lloyd in der Pandemie räuberische Geschäftspraktiken angewandt und so zahlreiche Güter für Verbraucher und kleine Unternehmen verteuert haben könnte“, heißt es in dem Brief.

Firmendokumente angefordert
Um dem Verdacht nachzugehen, verlangen die Ausschussvorsitzenden von Hapag-Lloyd die Herausgabe zahlreicher Firmenunterlagen, die seit dem 1. Januar 2020 erstellt wurden, etwa interne und externe Kommunikation, auch mit anderen Reedereien, Preislisten, Marktanalysen und Dokumente zur Bezahlung von Führungspersonal. Die Abgeordneten setzten Hapag-Lloyd für die Herausgabe der Unterlagen eine Frist bis zum 16. März. Auf Anfrage von Panorama 3 verweist ein Sprecher der Reederei zunächst auf ein „schwebendes juristisches Verfahren“ und räumt in einer Stellungnahme „massiv gestiegene Preise“ ein, die er mit hoher Nachfrage nach Schifftransporten und geringem Angebot an verfügbarer Ladefläche begründet. „Wir verstehen völlig, dass dies zu vielen Nachfragen aus der Politik und von Wettbewerbsbehörden führt und bemühen uns alle Fragen umfassend zu beantworten und an Lösungen mitzuwirken“, erklärt der Sprecher von Hapag-Lloyd.Später präzisiert das Unternehmen: „Wir sind dabei, den US-Behörden Informationen zukommen zu lassen – dies ist jedoch noch nicht vollständig geschehen, da die Menge der angeforderten Informationen enorm ist.“

Hapag-Lloyd weist Vorwürfe zurück
Die Reederei weist in ihrer Stellungnahme gegenüber Panorama 3 die Verantwortung für die Preissteigerungen den Vereinigten Staaten selbst zu. Die USA hätten zuletzt mehr Waren im- und exportiert als jemals zuvor, was zu Wartezeiten und einem Mangel an verfügbarer Ladefläche geführt habe. Den Vorwurf kartellartiger Preisabsprachen weist Hapag-Lloyd zurück. Gespräche über Frachtraten seien verboten. An das Verbot halte man sich „strikt und ausnahmslos“. Ein Ausschuss-Sprecher des US-Kongresses teilte Panorama 3 auf Anfrage mit, dass „die beiden Unterausschüsse in Kontakt mit den Großreedereien“ stünden. Eine Bestätigung, ob die angeforderten Dokumente schon teilweise übergeben worden seien, erhielt Panorama 3 vom Kongress nicht. „Die Amerikaner haben recht,“ sagt Norbert Hackbusch von der Hamburger Linkspartei. Eine solche Erhöhung der Preise, das müsse man sich näher ansehen.

Hamburger Senat verteidigt Praxis
Deutsche Politiker in Regierungsverantwortung hingegen wollen zum Vorgehen der Amerikaner nichts sagen. „Die Tätigkeit des US-Kongresses und Verlautbarungen seiner Mitglieder kommentieren wir nicht“, schreibt ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums auf Anfrage von Panorama 3. Der Hamburger Senat teilt mit, dass er „zu schwebenden Verfahren börsennotierter Aktiengesellschaften“ in der Öffentlichkeit nicht Stellung nehme.Die „Tonnage-Steuer“ für Reedereien befürwortet der Senat hingegen nachdrücklich. Die Steuerlast in Jahren mit hohem Gewinn sei bei dieser Regelung zwar gering, wird eingeräumt. Dafür müssten die Reedereien auch in Verlustjahren Steuern zahlen. Die Regelung helfe deutschen Reedereien, im globalen Wettbewerb zu bestehen. Ähnlich äußerten sich das Bundesfinanzministerium und Hapag-Lloyd selbst. Die deutsche Politik wird die Gewinne der Reederei also nicht beschneiden. Welche konkreten Folgen der „Crackdown“ der Vereinigten Staaten gegen die Großreedereien haben wird, ist unklar.

Quelle:
Tagesschau

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