Kombikunden brauchen noch Geduld

Kunden können vor 2024 kaum mit einer höheren Qualität im Kombinierten Verkehr rechnen. Das räumt Ralf Günter Kloß ein. Man sehe zwar eine Reihe von Ansätzen, pünktlichere Züge fahren zu können, sagte der Produktionsvorstand der DB Cargo AG am Mittwoch vor den Gesellschaftern von Kombiverkehr in Offenbach. Zum Teil seien diese auch schon eingeleitet, doch die Umsetzung werde noch dauern. Vertriebsvorstand Pierre Timmermans: „In der kurzen Frist 2022 und 2023 werden wir keine massiven Veränderungen schaffen können.“

Im Mai haben nach Angaben von Kombiverkehr-Geschäftsführer Alexander Ochs weniger als 50 Prozent der Unternehmenszüge ihr Ziel pünktlich erreicht – „ein historischer Tiefstand“. In der Spitze habe sein Unternehmen deutlich mehr als 10 Prozent der Züge auslegen müssen – heißt: Sie fuhren gar nicht. Mehr als 3.000 waren das 2021. Kombiverkehr sei dadurch „ein zweistelliger Millionenbetrag an Umsatz“ entfallen. Im Betrieb müsse Kombiverkehr derzeit „ein Drittel bis die Hälfte mehr“ aufwenden, um das gleiche Volumen wie zuvor zu fahren,“ warnt Geschäftsführer-Kollege Armin Riedl. Ochs: „Die Trendwende, die Kombiverkehr 2021 geschafft hat, ist damit in Gefahr – das System Kombinierter Verkehr kann in den kommenden Jahren nachhaltig Schaden nehmen.“

Timmermans beschreibt die Situation aus Sicht der Bahn: „Um Pfingsten herum hatten wir teilweise 450 Züge im Rückstau – die kriegten wir einfach nicht mehr raus.“ Inzwischen hat sich die Qualität laut Kloß zwar bei knapp über 60 Prozent eingependelt. Aber in den kommenden Monaten könne es nur relative Verbesserungen geben. Kloß: „Erwarten Sie in den nächsten zwei bis drei Jahren bitte nicht 80 Prozent – die Zahl 7 vorneweg ist unser Ziel“.

Fassungslosigkeit bei Kunden
Die Kombikunden sehen das mit Fassungslosigkeit. Von einer „Qualitätsinsolvenz“ sprach Spediteur Michael Schaaf – die Deutsche Bahn wirke konzeptlos. Sie solle sich auf den Kombinierten Verkehr statt auf den Einzelwagenverkehr konzentrieren und einen „Fünfjahresplan mit messbaren Größen“ aufstellen, um die Qualität wieder in einen marktgerechten Stand zu bringen.

Bahn dreht an Stellschrauben
Ein solches Konzept gibt es aber durchaus, betonte Kloß. Die Baumaßnahmen im Netz sollen ab 2023 geschickter gebündelt werden – beispielsweise würden dann alte Weichen vorausschauend ersetzt, wenn in ihrem Bereich ohnehin gebaut werde. Das Mischungsverhältnis von Personen- und Güterverkehr solle im kommenden Jahr neu bewertet werden. Neues Personal und zusätzliche Lokomotiven seien bereits eingestellt beziehungsweise beschafft. Die Schulung der neuen Mitarbeitenden brauche aber noch Zeit bis ins kommende Jahr hinein. Kombiverkehr-Geschäftsführer Riedl hat noch einen weiteren Vorschlag: „Wir brauchen im Vorstand von DB Netz unbedingt einen Verantwortlichen für den Güterverkehr, der sich stärker um unsere Belange kümmert.“

Dass DB Cargo noch im Juli das Operations Center und den Kundenservice zentralisieren will, kommt bei Kombiverkehr gut an. Das werde zwar die Qualität nicht direkt beeinflussen, verbessere aber wenigstens die Auskunftsfähigkeit des Operateurs gegenüber den Kunden, betont Ochs – ein wichtiger Baustein, um die Folgen unpünktlicher Züge zu mildern. Dennoch bleibt der ernüchternde Appell von Hermann Lanfer, Vorsitzender des Kombiverkehr-Verwaltungsrates: „Wir müssen das Beste daraus machen.“

Riedl fordert Kostenausgleich
Um die qualitätsbedingten Zusatzkosten im Tagesgeschäft der Spediteure auszugleichen, fordert Riedl einen Kostenausgleich für die Kunden. Und auch bei den Energiekosten sieht er Handlungsbedarf: „Die Schiene zahlt heute die höchsten Abgaben für Energiesteuern, -umlagen und -entgelte im Güterverkehr. Das sind 8,33 Cent pro Kilowattstunde laut der Allianz pro Schiene, 2,68 Cent mehr als der Diesel-Lkw und 6,39 Cent mehr als der LNG-Lkw.“ Dieser Preistrend könne nur durch eine Strompreis-Bremse gestoppt werden, „die schnellstens seitens der Bundesregierung vorbereitet werden muss“. Für sinnvoll hält er außerdem, den Güterverkehr angesichts der aktuellen Probleme komplett von Trassenpreisen zu befreien.

Deutliches Plus im vergangenen Jahr
Kombiverkehr hatte im Geschäftsjahr 2021 das Transportvolumen um 9,3 Prozent auf 938.000 Sendungen (knapp 1,9 Mio. TEU) gesteigert. Im nationalen Verkehr wurden 190.000 Einheiten befördert – 15,4 Prozent mehr als 2020. Das Aufkommen im internationalen Verkehr stieg um 7,9 Prozent auf fast 748.000 Sendungen.

Ein kräftiges Wachstum verzeichnete der Operateur bei der Gesamttonnage und der Transportleistung. Die auf Kombiverkehr-Zügen beförderte Transportmenge legte um 9,2 Prozent auf 22,16 Millionen Bruttotonnen zu. Bei einer mittleren Transportentfernung der Sendungen von 833 Kilometern hat sich die Transportleistung um 10,2 Prozent auf 18,46 Milliarden Tonnenkilometer verbessert.

Gut ins Jahr 2022 gestartet
2022 hat für Kombiverkehr trotz aller Probleme durchaus vielversprechend begonnen: Bis Mai stieg das Aufkommen um etwa 8 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum 2021. Damit könnte in diesem Jahr zum zweiten Mal in der Unternehmensgeschichte die 1-Millionen-Sendungen-Marke geknackt werden. Ochs warnt allerdings angesichts der vielen Störungen in den Lieferketten vor zu viel Optimismus: „Wir befürchten schon, dass sich der positive Trend im Jahresverlauf abflachen wird.“

Robert Breuhahn verabschiedet
Mit Standing Ovations verabschiedeten die Kommanditisten Kombiverkehrs den langjährigen Geschäftsführer Robert Breuhahn in den Ruhestand. Er hatte sein Amt Anfang des Jahres an Alexander Ochs übergeben und berät das Unternehmen noch bis Ende 2022. Breuhahn appellierte an die Teilnehmer, die „Phase der Mängelverwaltung“ zu nutzen, um das Unternehmen fit für die Zukunft zu machen: „Das müssen wir tun, die Praktiker – nicht Dritte.“

Quelle:
DVZ

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