Arabische Investoren greifen nach deutscher Logistik – und erhöhen Druck auf etablierte Speditionen

Der Hafenbetreiber DP World baut sein Deutschlandgeschäft aus – dank prominenter Industriekunden. Andere arabische Investoren entdecken das Potenzial.

Die deutsche Logistikbranche gerät zunehmend unter Einfluss arabischer Firmen. Allen voran der Hafenbetreiber DP World aus Dubai, einer der weltweit größten Logistikkonzerne, signalisiert ambitionierte Pläne. Nach einer ersten Übernahme des Duisburger Warenversorgers Imperial Logistics International hat der Konzern schon weitere Zukäufe im Blick und erste lukrative Industrieverträge gewonnen.

„Die europäischen Aktivitäten von Imperial sind Teil unseres Plans“, sagte der frisch berufene Imperial-CEO und DP-World-Vorstand Mohammed Akoojee dem Handelsblatt. „Sie verschaffen unserem Geschäft neue Möglichkeiten.“

Das überrascht viele Branchenexperten. Die Duisburger Firma war im Februar an die Araber gefallen, als die den Mutterkonzern Imperial Holdings aus Südafrika übernahmen. Weil DP World damals erklärte, mit dem Deal vor allem das Afrikageschäft ausbauen zu wollen, galt der renditeschwache Duisburger Ableger eher als Beifang. Viele in der Branche sagten dem deutschen Unternehmen, das 2019 noch 1,5 Milliarden Euro im Jahr umsetzte, die rasche Zerschlagung vorher.

Das war ein Irrtum. Tatsächlich nutzen die Araber seit wenigen Wochen ihren 750 Millionen Euro schweren Zukauf, um ihre Rolle in Deutschlands Logistikbranche deutlich auszubauen.

Anfang April übernahm DP World über seinen neuen Vorposten in Duisburg das Auslandsversorgungszentrum von BMW am Standort Leipzig, das mit 100 Doppelcontainern täglich Werke in China oder Mexiko mit Schrauben, aber auch kompletten Motoren beliefert. Zum 1. August folgte der nächste Coup. In Halle/Saale holte der Autozulieferer Schaeffler die neue DP-World-Tochter an Bord, um mit ihrer Hilfe die europaweite und teilweise globale Ersatzteilversorgung zu organisieren.

Gemessen am Umsatz bedrängt die um Imperial vergrößerte DP World schon jetzt mächtige Speditionskonzerne wie DB Schenker oder Kühne + Nagel. Mit umgerechnet mehr als 14 Milliarden Euro an kombinierten Erlösen ist ihnen der Neuaufsteiger dicht auf den Fersen.

Schon 2017 beteiligten sich Staatsfonds in Deutschland
Für Volkswagen betreibt Imperial seit Längerem schon im Jade-Weser-Port eine Logistikdrehscheibe, nun aber ist der Duisburger DP-World-Ableger nach Handelsblatt-Informationen auch mit 150 Mitarbeitern für Porsche in Leipzig tätig. Zwei Jahrzehnte lang hatte die Nobelmarke dort vorzugsweise auf die Dienste des Wolfsburger Logistikers Schnellecke vertraut.

Der Vorstoß von DP World ist nicht der erste Griff arabischer Staatskonzerne in die deutsche Logistikbranche. Schon 2017 beteiligten sich die Staatsfonds von Katar, Saudi-Arabien, Irak, Kuwait und den Vereinigten Arabischen Emiraten bei der Hamburger Reederei Hapag-Lloyd mit einem Asset-Deal zu 28 Prozent am Aktienkapital. Allein im Mai 2022 bescherte ihnen der Deal, bei dem sie zuvor gerade einmal ein Eigenkapital von umgerechnet 1,63 Milliarden Euro eingebracht hatten, eine Jahresdividende von 1,38 Milliarden Euro.

Der Erfolg des Investments, so scheint es, hat sich am Persischen Golf herumgesprochen. „Nach vielen Jahren mit niedrigen Renditen ist Deutschland für Logistiker wieder zu einem interessanten Markt geworden“, beobachtet Burkhard Sommer, Logistikexperte der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC Deutschland. „Gleichzeitig gibt es aus Sicht kapitalstarker Logistikkonzerne aktuell attraktive Targets, mit denen sie die eigene Wertschöpfungskette nach vorne und hinten verlängern können.“

DP World ist so ein kapitalstarker Logistikkonzern. Das Unternehmen aus Dubai betreibt 78 Hafenterminals in 32 Ländern. Die Übernahme von Imperial ist ein weiterer Baustein in der Konsolidierung der Branche, die vor einem Jahr an Fahrt aufgenommen hat. Getrieben durch die enormen Gewinne, die sich aufgrund knapper Transportkapazitäten teilweise verzehnfachten, melden insbesondere die weltweit operierenden Reedereien seit Herbst 2021 Zukäufe auf Rekordniveau. Wie DP World verfolgen sie damit ein klares Ziel: die eigene Lieferkette verlängern – sowohl in Richtung Produzenten wie auch die zum Endkunden.

Die Wirtschaftsprüfungsfirma PwC errechnete für das zweite Halbjahr 2021 einen historischen Rekord bei Großübernahmen in der Logistik, hinter dem die ersten sechs Monate 2022 kaum zurückblieben. So kündigten Kaufinteressenten zwischen Januar und Juni 2022 weltweit bereits 129 Deals mit jeweils mehr als 50 Millionen Dollar an, die einen Gesamtwert von 125,9 Milliarden Dollar erreichten.

Der Trend zu „alles aus einer Hand“ wird nicht zuletzt durch die Beschaffungsquerelen und Transportverzögerungen beflügelt, unter denen Importeure aus den westlichen Industrienationen seit Beginn der Coronakrise leiden. „Je mehr ein Unternehmen die komplette Lieferkette kontrolliert“, sagt PwC-Logistikspezialist André Wortmann, „desto besser ist es gegenüber seinen Kunden aufgestellt.“ Denn damit halte es die Hebel in die Hand, um Sendungen im Fall von Lieferunterbrechungen auf andere Transportmittel des eigenen Unternehmens umzurouten.

Griff nach Luftfahrtkonzernen
Sogar Airlines gerieten deshalb zuletzt ins Visier großer Transportgesellschaften. Im April startete die dänische Reederei Maersk ein Luftfrachtangebot unter dem Namen „Maersk Air Cargo“ und übernahm dafür den Flugbetrieb von Senator International für 644 Millionen Dollar. Man wolle mit eigenen Kapazitäten „von der Fabrik bis aufs Sofa“ liefern, begründete Maersk-Logistikchef Aymeric Chandavoine das neue Angebot.

Wettbewerber MSC, derzeit die Nummer eins auf den Weltmeeren, scheiterte zwar mit der geplanten Übernahme des Alitalia-Nachfolgers ITA, für den man gemeinsam mit Lufthansa geboten hatte. Dafür aber will die Schweizer Reederei jetzt mit vier Boeing 777 F selbst ins Luftfrachtgeschäft einsteigen. Frankreichs Containerreederei CMA CGM dagegen wusste im Mai ihre überbordenden Seefracht-Einnahmen zu nutzen, um als Ankeraktionär bei der Fluggesellschaft Air France-KLM einzusteigen. Dort verspricht man sich nun Vorzugsbehandlungen bei der Luftfracht.

Auch in Deutschland kam ein solcher Bund zustande, wenn auch nur indirekt. Hapag-Lloyds Großaktionär Klaus-Michael Kühne nutzte die für 2021 an ihn ausgeschüttete Dividende von 1,9 Milliarden Euro, um als Hauptaktionär bei der Lufthansa einzusteigen.

Mit Hafenbetreiber DP World springt dieser Funke nun erstmals auf eine Nachbarbranche über. „Wir wollen eine durchgängige Lieferkette von der Fabrikhalle bis zur Kundentür schaffen“, sagt DP Worlds Chief Operation Officer Mohammed Akoojee. Im See- und Luftfrachtgeschäft gebe es dazu noch „Lücken“, doch die wolle man durch weitere Zukäufe oder eigene Initiativen in Zukunft schließen.

„In der Vergangenheit endete das Geschäft von DP World, sobald die Ware den Hafenterminal verließ“, sagt der Chief Operating Officer von Imperial. „Nun ist unser Ziel, eine End-to-End-Lösung für unsere Kunden zu schaffen.“

Das ist durchaus auch als Drohung an die etablierten Speditionskonzerne zu verstehen. Sollte es Transportanbietern wie CMA CGM, Maersk, MSC oder DP World mit ihren Zukäufen gelingen, Kunden eine nahtlose Lieferkette samt durchgängiger IT zu bieten, würden die Dienste von DHL, DB Schenker oder Kühne + Nagel womöglich kaum noch gebraucht.

Quelle:
Handelsblatt

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