Die größten Baustellen der Deutschen Bahn

Im Schienennetz wimmelt es derzeit von Bauprojekten. Diese Beschreibung lässt sich auf den DB-Konzern übertragen: Es gibt zahlreiche, an Dringlichkeit zunehmende Probleme, die die DB und der Bund als ihr Eigentümer endlich angehen müssen. Die wichtigsten im Überblick.

DB Schenker: Konzentration auf Kernaufgaben
Das Problem
Die DB-Tochter DB Schenker ist ein Logistikkonzern. Nahezu eigenständig, erfolgreich und global aktiv. Tätig mit Lkw-Transporten und in der See- und Luftfracht. Warum sollte DB Schenker also als Staatskonzern weltweit um Aufträge buhlen mit anderen Logistikgrößen? Warum sollte ein staatliches Unternehmen hierzulande im Wettbewerb antreten gegen Mittelständler? Ist das wirklich eine hoheitliche Aufgabe?

Bewertung
Ursprünglich war DB Schenker 2002 in den DB-Konzern geholt worden, damit die Lkw-Sparte den Schienengüterverkehr mit zahlreichen Sendungen füttert. Diese Synergieeffekte waren sehr überschaubar. Daher gibt es keinen Grund mehr für einen Verbleib von DB Schenker bei der DB. Nur zur Deckung der Verluste im Konzern war die Sparte noch gut. Das kann kein Grund sein, weiterhin einem Staatsunternehmen anzugehören.

Dringlichkeit !!!!!
Höchste Eisenbahn. Der Verkaufsprozess ist angestoßen. Wird ein angemessener Beitrag erzielt, sollte es nicht mehr lange dauern, bis bei Schenker das Kürzel DB wegfällt.

Verlagerung von Transporten auf die Schiene
Das Problem
Mehr Güter auf die Bahn: Dieser Spruch ist fast so alt wie die Bahn selbst. Doch kaum ein Bundesverkehrsminister hat dieses Ziel erreicht – ebenso wenig die (zahlreich) wechselnden DB-Cargo-Vorstände. Laut aktuellem Koalitionsvertrag soll der Anteil der Schiene am Modal Split bis 2030 auf 25 Prozent geschraubt werden. Derzeit liegt dieser Wert bei knapp unter 19 Prozent. Wobei auch die privaten Güterbahnen (Marktanteil 58 Prozent) in der Pflicht stehen. Und DB Cargo? Von 2012 bis 2020 ist die Güterverkehrsleistung jedes Jahr gesunken, und zwar von 105,9 auf 78,7 Millionen Tonnenkilometer. Nach dem Corona-Krisenjahr gab es 2021 erstmals wieder einen Anstieg auf 84,8 Millionen Tonnenkilometer.

Bewertung
Die 25 Prozent Marktanteil bis 2030 erscheinen angesichts des desolaten Netzzustandes illusorisch. Das sieht man selbst bei DB Netz so, wo dem Schienennetz im Netzzustandsbericht eine schlechte Note erteilt wird (siehe links „Zustand von Gleisen, Stellwerken, etc.“). Optimistischer zeigen sich die privaten Bahnen. So teilte der Verband „Die Güterbahnen“ vergangene Woche mit, dass sie den Marktanteil der Schiene auf mindestens 25 Prozent bis 2030 steigern wollen.

Dringlichkeit !!!!
Noch droht nicht das Abstellgleis. Aber die Klimawende muss sich auch bei DB Cargo bemerkbar machen. Transporte lassen sich allerdings nicht von heute auf morgen verlagern. Heute jedoch müssen die Grundlagen gelegt werden für die Verkehre von morgen.

Pünktlichkeit im Schienengüterverkehr
Das Problem

Die mangelnde Pünktlichkeit im Schienengüterverkehr ist einer der Schlüsselfaktoren, warum die Bahn im Wettbewerb mit dem Lkw nicht richtig vorankommt. Eine Pünktlichkeit von über 80 Prozent sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, ist von DB Cargo in den vergangenen zehn Jahren aber nie erreicht worden. 2021 sackte der Wert sogar unter die 70-Prozent-Marke.

Bewertung
Eine wirkliche Besserung ist nicht abzusehen. Bis 2026 wird eine Pünktlichkeit von mehr als 74 Prozent angestrebt, langfristig ein Wert von mehr als 77 Prozent. Kein ambitioniertes Ziel, aber angesichts der zahlreichen Baustellen im Rahmen der Korridorsanierung womöglich eine realistische Zielmarke. Im Vergleich zu den Schweizerischen Bundesbahnen, die im Güterverkehr eine Pünktlichkeit von 91,5 Prozent erzielen, trennen die beiden Nachbarn Welten.

Dringlichkeit !!!
Pünktlich wie die Eisenbahn: Bis diese Redewendung im Schienengüterverkehr zutrifft, dürften noch einige Jahre ins Land ziehen. Trotzdem muss daran gearbeitet werden. Eine deutliche Besserung ist aktuell jedoch nicht in Sicht.

Verlustbringer DB Cargo
Das Problem

Letztmals hat DB Cargo 2014 schwarze Zahlen geschrieben. Überschaubare 46 Millionen Euro betrug das bereinigte EBIT damals. 2021 waren es 481 Millionen Euro Verlust (siehe Grafik oben). Zwischen 2015 und 2021 beträgt das angehäufte Minus 2,061 Milliarden Euro. Die Zahlen für 2022 verkündet die DB am Donnerstag. Doch nach einem Minus von 299 Millionen Euro im ersten Halbjahr 2022 würde alles andere als ein Verlust in Höhe eines deutlich dreistelligen Millionenbetrages verwundern.

Bewertung
Die Zahlen für DB Cargo sind niederschmetternd. Doch derzeit ist nicht erkennbar, wie das Unternehmen aus der Verlustzone kommen will. Die zahlreichen Baustellen im Netz binden Kapazitäten und ziehen damit hohe Kosten nach sich. Und beim Betrieb des defizitären Einzelwagenverkehrs werden die Stimmen nach staatlicher Unterstützung immer lauter.

Dringlichkeit !!!!!
Die Signale bei DB Cargo stehen schon viel zu lange auf Rot, was das Geschäftsergebnis betrifft. Und statt eines energischen Entgegensteuerns gibt es im Management immer wieder Rufe nach stärkerer finanzieller Unterstützung. Das beobachten nicht nur die privaten Güterbahnen mit Sorge.

Zustand Von Gleisen, Stellwerken etc.
Das Problem

Die gesamte Verkehrsinfrastruktur befindet sich in einem kritischen Zustand. Doch bei dem Schienennetz scheint es noch extremer zu sein: Hier reichen zur Beschreibung die Adjektive je nach Betrachter von „schlecht“ bis hin zu „marode“ oder „katastrophal“. Laut Bundesrechnungshof hat die Bundesregierung die überalterte Eisenbahninfrastruktur als den entscheidenden langfristigen Engpassfaktor bestätigt. Und auch DB Netz verteilt in ihrem Netzzustandsbericht keine guten Noten: Das Gesamtnetz von 33.000 Kilometern erhält die Note 2,94, bei einer Benotung von 1 (neuwertig) bis 5 (mangelhaft). Das Netzsegment mit der höchsten Auslastung (hA+), das 3.500 Streckenkilometer des Gesamtnetzes ausmacht, bekommt nur die Note 3,01. Bei wichtigen Komponenten wie Stellwerken sieht es ganz kritisch aus: 1.018 von deutschlandweit 4.207 erhalten die Note 5. Die Anlagen sind dringend erneuerungsbedürftig.

Bewertung
Die geplante Korridorsanierung (siehe unten „Sanierung des Schienennetzes“) wird von allen Akteuren gutgeheißen. Doch sie allein ist nicht ausreichend, soll das Netz irgendwann tatsächlich mal 25 Prozent der Güterverkehrsleistung in Deutschland bewältigen. Dazu bedarf es weiterer Infrastrukturmaßnahmen wie der Elektrifizierung von Strecken, ein 750-Meter-Netz, mehr Terminalkapazitäten et cetera.

Dringlichkeit !!!!
Die Modernisierung des Netzes will gut vorbereitet sein. Eine schnelle Besserung ist nicht zu erreichen. Aber: Jetzt müssen die Weichen dafür gestellt werden, um mehr Güterverkehr auf der Schiene abwickeln zu können.

Sanierung des Schienennetzes
Das Problem

Im nächsten Jahr geht es los mit der Korridorsanierung. Den Anfang macht 2024 eine der meistbefahrenen Strecken Deutschlands, die Riedbahn. Für fünf Monate wird die Route Frankfurt–Mannheim komplett gesperrt. Das gilt dann nach und nach für 43 weitere Abschnitte bis 2030, die sich über 4.200 Kilometer erstrecken. Eigentlich doch eine sinnvolle Maßnahme. Warum das ein Problem ist? Siehe „Bewertung“.

Bewertung
Die Korridorsanierung stößt bei den Betroffenen auf Zustimmung. Die bisherige Sanierung im laufenden Betrieb hat sich als nicht zielführend erwiesen. Aber dies ist ein bislang einmaliges Projekt. So viele Korridore der Reihe nach modernisieren: Wird das klappen? Und wenn nicht, was ist dann los in Deutschland? Zudem gibt es von den privaten Güterbahnen auch viel Kritik. Sie fordern mehr Kapazität auf den Ausweichstrecken und Konzepte für Anrainer, die sich mit ihrem Betrieb an diesen Korridoren befinden.

Dringlichkeit !!!
Der Fahrplan zur Sanierung steht, jetzt muss er nur noch eingehalten werden – was bei der Bahn ja nicht unbedingt ein Selbstläufer ist.

Neue Netzgesellschaft Infra-Go
Das Problem

Die Trennung von Netz und Betrieb: eine Debatte, die aus dem letzten Jahrtausend stammt, aber zuletzt neu Fahrt aufgenommen hat. So hat der Bundesrechnungshof in seinem Bericht (mal wieder) diese Trennung gefordert: „Die Struktur des integrierten Konzerns in Verbindung mit der Rechtsform Aktiengesellschaft ist mit Nachteilen verbunden.“ Als ein Beispiel wird die fehlende Steuerungsmöglichkeit genannt: Der Bund stellt viele Gelder zur Verfügung, bestimmt aber nur bedingt über deren Verwendung. Laut den Plänen von Bundesverkehrsminister Volker Wissing soll es bereits 2024 eine neue Netzgesellschaft mit dem Namen Infra-Go geben. Doch außer groben Rahmenvorstellungen hat das Ministerium bisher wenig dazu verraten. Daher lässt sich noch nicht sagen, ob Netz und Betrieb tatsächlich getrennt werden sollen.

Bewertung
Die Leistung und vor allem die finanziellen Ergebnisse bei der DB sind ein wichtiges Argument, warum Institutionen wie der Bundesrechnungshof eine Trennung fordern. Aber: Wie bei der Korridorsanierung wäre das ein Experiment, für das es weltweit kaum eine Blaupause gibt. Die Schweiz zeigt zudem, dass auch in einem integrierten Konzern Schienenverkehr funktioniert. Und die Gewerkschaften befürchten mit einer Trennung die Zerschlagung des Konzerns. Zahlreiche Für und Wider: Doch den einen, wahren Königsweg scheint es nicht zu geben.

Dringlichkeit !!!
Hier sollte Gründlichkeit vor Schnelligkeit gelten. Ansonsten kann der ganze Schienenverkehr schnell aus dem Gleis springen. Auch wenn die Debatte sich schon einige Jahrzehnte hinzieht.

Verschuldung des Konzerns
Das Problem

2021 ist die Verschuldung im DB-Konzern zwar gesunken. Das lag aber an den Corona-Beihilfen, Trassenpreiszuschüssen und an dem hohen Gewinn von DB Schenker (siehe Grafik links). Diese Sondereffekte fehlten teilweise im ersten Halbjahr 2022, weshalb die Nettofinanzschulden um 1,4 Milliarden auf 30,5 Milliarden Euro gestiegen sind.

Bewertung
Vor allem der Schienenverkehr im DB-Konzern gleicht immer mehr einem Fass ohne Boden. Völlig zu Recht gucken private Güterbahnen immer genauer hin, ob auch DB Cargo Staatsgelder bekommt, die ihnen verwehrt bleiben.

Dringlichkeit !!!!
Der Bund muss stärker darauf hinwirken, dass die Verluste im Schienenverkehr deutlich reduziert werden.

Quelle:
DVZ

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