EU-Druck auf Österreich wegen Brennertransits steigt

Die Verkehrsminister von Tschechien, Litauen, Rumänien, den Niederlanden und Bulgarien haben beim EU-Verkehrsministerrat in Luxemburg Forderungen von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) und seinem italienischen Amtskollegen Matteo Salvini unterstützt, endlich eine Lösung für den Transitverkehr über die Brennerroute zu finden. Vorschläge von Bayern, Tirol und Südtirol, den Verkehr über den Brenner durch ein digitales Slotbuchungssystem besser zu managen, finden allerdings bei der EU-Kommission und offenbar auch in Berlin keinen Anklang.

Deutschland und Italien hatten das Thema am Donnerstag auf die Tagesordnung des Rates gebracht. „Wir wollen hier eine klare Positionierung Österreichs haben, die wir dringend brauchen“, sagte Wissing mit Blick auf Blockabfertigung und sektorales Fahrverbot. „Wir können mit den verkehrsbeschränkenden Maßnahmen nicht dauerhaft zurechtkommen.“

Die Lage sei dramatisch. Wissing verwies darauf, dass es wegen der Lkw-Blockabfertigung an Österreichs Grenze im Dezember in Bayern einen Rückstau von 52 Kilometern gegeben habe. Das sei kein Einzelfall. Es müsse verhindert werden, dass solche Staus auf 80 bis 100 Kilometer anwüchsen. Dadurch würden keine Probleme gelöst, sondern die Belastung von Menschen und Umwelt werde nur an andere Orte verlagert.

Ähnlich äußerte sich Salvini. Die Luftqualitätswerte in Tirol lägen „unter der Alarmgrenze“, sagte er. Die Verkehrsfreiheit einseitig auf einer für die „strategische Autonomie“ Europas wichtigen Achse einzuschränken, sei ein „gefährlicher Präzedenzfall“. Salvini forderte die Kommission auf, die Freizügigkeit für alle Europäer wiederherzustellen.

„Es ist jetzt Zeit zum Handeln“, sagte Wissing. Die EU-Kommission habe einen Vermittlungsvorschlag unterbreitet. Darüber müsse gesprochen werden. Wissing sagte allerdings nicht, welchen Vorschlag er meint.

Österreich wirbt für Slotsystem
Die seit April auf dem Tisch liegende Anregung der Landesregierungen von Tirol, Südtirol und Bayern, ein digitales Slotsystem auf dem Brennerkorridor einzuführen, finde jedenfalls nicht die Zustimmung der Bundesregierung, war in diplomatischen Kreisen zu hören. Eine Absichtserklärung für solch ein digitales Verkehrsmanagement mit verbindlich buchbaren Fahrtzeiten haben der bayerische Ministerpräsident Markus Söder, der Tiroler Landeshauptmann Anton Mattle und sein Südtiroler Kollege Arno Kompatscher unterschrieben. Die Entscheidung darüber muss aber von den Regierungen in Wien, Berlin und Rom getroffen werden.

Österreich unterstütze den Vorschlag, sagte Österreichs Ministerin für Klimaschutz, Energie, Umwelt und Verkehr, Leonore Gewessler (Grüne) in Luxemburg. Sie werde dafür werben, „dass auch die Nachbarländer das tun. Es kann nicht sein, dass Österreich hier die Last trägt und bei den Lösungen nicht unterstützt wird.“

Sie unterstrich, auf dem Brenner gebe es mehr Transitfahrten als auf allen anderen Routen durch die Alpen zusammen. Im vergangenen Jahr seien 2,5 Millionen Lkw gezählt worden. Zu 90 Prozent habe es sich dabei um Transitfahrten gehandelt, in 30 Prozent der Fälle hätten die Unternehmen für die Route über den Brenner sogar einen Umweg in Kauf genommen. Der Korridor sei weit über die Kapazitätsgrenze hinaus belastet, die Menschen in Tirol litten seit Jahrzehnten unter dem vielen Verkehr.

Gewessler setzt auf Entlastung durch die Bahn
Gewessler sagte, Tirols Verkehrsbeschränkungen stünden in Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes, die Warenverkehrsfreiheit sei nicht eingeschränkt. Es gebe keine Pflicht, Transporte mit dem Lkw zu ermöglichen. Gewessler erinnerte an die großen Investitionen Österreichs in die Schieneninfrastruktur und den Brennerbasistunnel. Unterstützung bekam sie von den Vertretern aus Luxemburg und Belgien. Beide sagten, die Probleme sollten durch eine stärkere Förderung des Schienengüterverkehrs und mehr Verkehrsverlagerung auf die Bahn gelöst werden.

EU-Verkehrskommissarin Adina Valean stimmte zu, dass der Brennerbasistunnel Entlastung bringen werde. Sie appellierte an Österreich, Deutschland und Italien, weiter an einer Lösung zu arbeiten. „Die gleichen Fragen jahrelang immer weiter zu diskutieren, ohne sich einen Zentimeter aufeinander zuzubewegen, ist aber keine Lösung“, sagte sie in der Ratssitzung. Sie rief dazu auf, sich die Vorschläge der Kommission ernsthaft anzusehen, ohne zu präzisieren, welche das sind.

Valean hält nichts von Verkehrsdosierung
Auch in der Pressekonferenz nach der Ratssitzung blieb Valean auf Nachfrage der DVZ vage. Es gehe darum, dass Österreich Verkehrsbeschränkungen aufhebe, während auch die Nachbarländer „Maßnahmen“ ergriffen. Sie sei enttäuscht, dass Österreich hier noch nicht zustimme.

Von einem Slotsystem hält Valean nichts. „Dosierung des Verkehrs ist nicht gut“, sagte sie. „Das schränkt den freien Warenverkehr ein.“ Durch stehende und wartende Lkw würden die Emissionen lediglich verlagert, möglicherweise gebe es sogar mehr Emissionen.

Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber begrüßte zwar, dass der Brennertransit von den Verkehrsministern diskutiert wurde, zeigte sich aber vom Ergebnis enttäuscht. Offenbar habe Verkehrsminister Wissing sich nicht mit seinem Bestreben durchsetzen können, „dem Verkehrschaos am Brenner ein Ende zu setzen“. Während die EU-Kommission in neue Vier-Augen-Gespräche mit den Anrainerstaaten gehe, schaffe das Land Tirol mit einem Dosierungskalender für das zweite Halbjahr Fakten, sagte Ferber. Er forderte erneut, die Kommission müsse zur Not auch mit einem EU-Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich vorgehen.

Diskussion über Führerscheinrichtlinie
Eine längere Aussprache führten die EU-Verkehrsminister über den Gesetzesvorschlag zur Überarbeitung der Führerscheinrichtlinie. Einige Mitgliedsstaaten, darunter auch Deutschland, haben Vorbehalte dagegen, dass Führerscheinbesitzer ab dem Alter von 70 Jahren ihren Gesundheitszustand mit Blick auf die Fahrtauglichkeit selbst einschätzen sollen.

Wissing sieht Euro-7-Vorschläge kritisch
Gesprochen wurde auch über die Vorschläge für eine neue Abgasnorm Euro 7 für Pkw und Lkw. Wissing machte deutlich, dass er die Pläne kritisch sieht. Auch Frankreich, Italien, Bulgarien, Tschechien, Ungarn, Polen, Rumänien und die Slowakei haben Vorbehalte. Wissing wies auf die hohen Kosten hin, die Automobilhersteller durch eine neue Norm während der Transformationsphase hin zu klimafreundlichen Antrieben zu schultern hätten. Das könne „erhebliche Auswirkungen auf den Industriestandort Deutschland“ haben. Über die neue Euro-7-Norm entscheiden allerdings nicht die Verkehrs-, sondern die Umweltminister.

Quelle:
DVZ

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