Streit um DB Cargo: „Ein krankes System

Der Bund will die sanierungsbedürftige DB Cargo mit Millionen fördern. Die privaten Wettbewerber geißeln die Subventionen als Verschwendung – denn ihnen gelingt längst, woran die Deutsche Bahn scheitert.

Wenn es um seinen Konkurrenten die Deutsche Bahn geht, kann sich Johannes Marg schnell in Rage reden. Marg ist Geschäftsführer der Mindener Kreisbahnen. Eine von ehemals hunderten regionalen Bahnen in Deutschland, die schon zur Kaiserzeit betrieben wurden. Die „Kleinbahn“ (so der lokale Rufname) übernimmt in Ostwestfalen das Rückgrat der regionalen Wirtschaft. Dort betreibt Marg mit 100 Angestellten den Nahverkehr und eine Güterbahnsparte.

Die schreibt im Gegensatz zur verschuldeten DB-Tochter schwarze Zahlen. Und das mit genau jenem Produkt, das bei DB Cargo vermeintlich für alle Probleme verantwortlich ist: dem Einzelwagenverkehr, also dem Transport, bei dem Unternehmen nicht ganze Züge, sondern einzelne Waggons fahren lassen. Die Deutsche Bahn fordert dafür üppige Fördersummen. Das bringt den Geschäftsführer schon mal aus der Fassung: „Wenn das System seit Jahren nicht funktioniert, muss man es ändern, nicht aber öffentliche Gelder für den Erhalt eines kranken Systems verbrennen“, empört sich Marg.

„Kein Hexenwerk“
858 Millionen Euro Verlust hat DB Cargo im vergangenen Jahr angehäuft, 442 Millionen gingen allein auf das Konto der Einzelwagen, bilanziert der Schienenbeauftragte der Bundesregierung, Michael Theurer (FDP). „Ein Sanierungsfall“, urteilte der Bundesrechnungshof über Cargo schon vor Jahren. Passiert ist bislang wenig. Jetzt soll der Bundestag im September über eine Förderrichtlinie entscheiden, die den Einzelwagenverkehr mit 300 Millionen Euro im Jahr bezuschussen würde. Viel Geld. Doch auch nötig? Die privaten Bahn-Wettbewerber haben da so ihre Zweifel und vermuten, dass die Förderung andere Mängel bei Cargo bloß verdecken soll.

„Der Einzelwagenverkehr ist kein Hexenwerk“, meint Johannes Marg. Wenn es ihm als Bahn-Quereinsteiger gelinge, profitabel zu arbeiten, müssten andere das doch auch hinbekommen. Marg ist gelernter Buchhändler, rutschte nach dem BWL-Studium in die Bahnwelt. Seit sieben Jahren leitet er die Kreisbahnen. In Minden nutzt er die Güterbahn vor allem für den Entsorgungsverkehr, den Transporten von Abfällen. Dazu sammeln Entsorger in den beauftragenden Gemeinden und Unternehmen Metalle, Glas und Schrott ein, packen diese an verschiedenen Verladestellen in Spezialwaggons und verschicken sie quer durch die Republik in Müllverbrennungsanlagen.

Den Unterschied zwischen privaten Wettbewerbsbahnen und der Deutschen Bahn sieht Marg dabei in einem „anderen konzeptionellen Denken“. Marg zufolge steht bei den Privaten die „Optimierung des kundeneigenen Produktionsprozesses“ im Vordergrund. Ziel sei es, die Volumen der Kunden so zu bündeln, dass sich die Transporte zu ihren Produktionsprozessen passten. Hinter jeder Wagengruppe steht meist ein individuelles Konzept – anders als bei DB Cargo. Das Problem, so Marg: Das offene System der DB Cargo benötigt „viel zahlende Fracht“. Die Bahn hatte aber seit Jahren die Anzahl der Gleisanschlüsse und Ladegleise reduziert. Darunter leiden jetzt die Kunden, die mit der „Qualität“ unzufrieden seien.

Von einer Einzelwagenförderung in seiner angedachten Form würden auch die Kreisbahnen profitieren, so wie eine Handvoll anderer Privatbahnen in Deutschland, die den Einzelwagenverkehr meist regional anbieten. Als Dauerförderung aber findet Marg die Subventionen „sehr schädlich“. „Wenn Verkehre sich nur mit Förderung rechnen, sind sie nicht nachhaltig realisierbar und führen zu einer starken Abhängigkeit von den Fördertöpfen.“ Das sieht auch CDU-Eisenbahnexperte Michael Donth so: „Immer mehr Geld Jahr für Jahr für die DB Cargo auszugeben, kann nicht die Lösung sein. Es braucht endlich strukturelle Veränderungen.“

Was die aktuelle Förderung vorsieht: Knapp 80 Prozent der Fördergelder gingen wohl jährlich an die DB. Die betreibt zwar insgesamt nur 40 Prozent aller Güterwagentransporte in Deutschland – aber neun von zehn Zügen im Einzelwagenverkehr.

Der Verband der privaten Wettbewerbsbahnen hält die Förderung für viel zu hoch, mindestens 200 Millionen Euro im Jahr würden dabei zu viel eingeplant. Vor Monaten hatte er zusammen mit anderen Verkehrsverbänden eine günstigere Alternative vorgeschlagen. Die hatte ebenfalls eine Subvention von regionalen Verkehren vorgeschlagen, um mit den Preisen der günstigen Lkw mitzuhalten.

Doch das habe wohl der DB und ihren Beratern nicht gereicht, so die Güterbahnen. Die werfen der Bahn vor, mit der neuen Förderung eine systematische Strategie der Wettbewerbsverzerrung fortzusetzen, wie sie bereits jetzt genutzt werde: „Schon heute wird der Einzelwagenverkehr der DB Cargo dazu genutzt, Leistungen für andere Verkehrssysteme zu erbringen – etwa den Transport von Leerwagen von Ganzzugtransporten, bei denen DB Cargo mit anderen Unternehmen im Wettbewerb steht.“

Drohkulisse steht
Das sieht Marg ähnlich. Ihm zufolge nutze Cargo ihr Einzelwagensystem „zu einem nicht unerheblichen Teil“ für Ganzzüge für Großkundschaft, um die Frachtraten „extrem günstig“ anzubieten. Ohne das System der Einzelwagen könnte der Rest „nicht wettbewerbsfähig realisiert werden können“. Anschuldigungen, die die Bahn dementiert. Die Höhe der Förderung entspreche der Summe, die auch andere Staatsbahnen in Europa erhalten. Das hat auch der Güterbahnchef der österreichischen ÖBB der WirtschaftsWoche bestätigt.

Die Bahn zumindest will das Geld unbedingt. Und hat bereits eine Drohkulisse errichtet, um unentschlossene Politiker auf ihre Seite zu ziehen. Von einem möglichen Arbeitsplatzabbau ist die Rede und von der generellen Absicht, die umweltfreundliche Schiene zu vernachlässigen. „Die Sorgen sind Rituale aus alten Zeiten, die mit der Realität nichts zu tun haben“, kommentiert Peter Westenberger von den Güterbahnen. Ängste vor einem Arbeitsmangel hält er angesichts des Fachkräftemangels für übertrieben.

Quelle:
WiWo

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