Chinesische Billigware verstopft Fracht-Flugzeuge

Tausende Tonnen Ware fliegen Temu und Shein täglich aus. Selbst Apple kann da nicht mithalten. Andere Firmen müssen bei der Menge um Frachtplatz kämpfen – das treibt die Preise. Inzwischen ist die Paket-Schwemme für manche folgenreicher als die Angriffe der Huthis auf Frachtschiffe im Roten Meer.

Das rasante Wachstum der chinesischen Firmen Temu und Shein überschwemmt nicht nur den europäischen und US-Markt mit Billig-Klamotten. Es sorgt inzwischen für Engpässe im weltweiten Lufttransport und treibt die Frachtraten auf Rekordhöhe. „Noch Mitte 2023 war die Nachfrage aus China sehr schwach, ab Ende des Jahres stieg sie jedoch plötzlich massiv an“, sagt ein deutscher Logistik-Experte. „Dahinter steckten zwei Firmen, wie sich herausstellte: Temu und Shein.“ Zusätzliche Mengen könnten die Flieger kaum aufnehmen, falls wegen der Attacken der Huthi auf Schiffe im Roten Meer die Firmen einige Güter per Flugzeug befördern wollten.

Sicherheitsbedenken bei vielen Produkten
Da alle Waren in wenigen Tagen direkt nach Bestellung ankommen, hat dies gravierende Folgen für die Luftfracht. Nach Daten von Branchenexperten fliegen Shein und Temu jeweils 4000 bis 5000 Tonnen Waren täglich aus. Anders ausgedrückt: Jeden Tag müssen allein dafür über Hundert Frachter vom Typ Boeing 777 abheben. Zum Vergleich: Große Tech-Firmen wie Apple kommen allenfalls auf 1000 Tonnen am Tag. Branchenkreise zufolge müssen sie bereits um Frachtplatz in den Maschinen kämpfen. Apple wollte sich auf Anfrage nicht äußern.

Die Strategie von Shein und Temu scheint klar: Beide Firmen liefern direkt aus China und lassen die Ware bis zur Wohnungstür in Berlin, New York oder Rio de Janeiro liefern. Zwischenhändler gibt es genauso wenig wie Logistikzentren oder Lagerhäuser. Hemden, Toaster oder Spielzeug, das zurückgegeben wird, wird vernichtet. Die Apps sind teils wie Spiele gestaltet, die zu immer neuen Käufen anregen sollen. Datenschützer halten sie für bedenklich. Aber auch Verbraucherschützer warnen teils wegen Sicherheitsbedenken vor vielen Produkten.

Waren werden unter der Zollgrenze verpackt
Günstig sind die Waren auch, weil die Firmen darauf achten, alles unterhalb der jeweiligen Zollgrenzen der Länder zu verpacken. „Ein Stift für Brasilien wurde so in vier Teile zerlegt und einzeln verpackt“, sagt ein Logistik-Experte. Um die vergleichsweise strengen chinesischen Vorschriften bei Exporten von Elektro-Produkten zu umgehen, würden die Waren mittlerweile per Lkw nach Vietnam geschafft und dann von Hanoi ausgeflogen. Selbst Thailand sei ein Ziel gewesen, da viele Passagierflugzeuge dort im Bauch noch Frachtkapazität hätten und die Luftfrachtraten entsprechend niedriger seien.

Zudem versuchten die Firmen inzwischen selbst Flieger zu beschaffen: „Wir haben gehört, dass Temu zwölf Großtransporter sucht, um sie zu leasen. Sie suchen den Markt nach jedem Flugzeug ab, das sie bekommen können. Wir haben sogar eine Anfrage direkt auf unsere Website bekommen“, berichtet Marc Schlossberg, Vice-President beim Luftfracht-Transporteur Unique Logistics. Temu erklärte, man suche in den USA und Europa nach Zwischenhändlern, um Transportwege und Lieferzeit zu verkürzen. Shein hat bereits begonnen, Lagerhäuser in den USA einzusetzen. „Shein arbeitet ständig daran, sich für den Kunden zu verbessern und effizienter zu werden“, erklärte das Unternehmen.

Ein schnelles Abflauen des Fracht-Booms aus China erwarten Logistiker jedoch nicht. Zwar hätten einige Fracht-Linien ihre Kapazitäten ausgeweitet, doch auch diese seien bereits langfristig gebucht, sagt ein Schenker-Sprecher. „Wir erwarten, dass die starke Nachfrage in den kommenden Monaten anhält.“

Was eigentlich in der Branche für Freude sorgen sollte, wird jedoch auch kritisch gesehen. Es sei ungewiss, ob das Geschäft mit Temu und Shein dauerhaft sei, sagt der Asien-Verantwortliche eines Logistikers. Die Gefahr bestehe, dass jahrelang zuverlässige Kunden nun verdrängt würden. „Und mit Blick auf Umweltfreundlichkeit und Nachhaltigkeit ist das Geschäft mit Temu und Shein ohnehin eine Katastrophe.“

Quelle:
NTV

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