Seefrachtenflash: Für Kontraktkunden wird es immer enger

Seit einigen Wochen mehren sich Berichte aus der Branche, dass vor allem Speditionen sowie kleine und mittlere Verlader von Reedereien aus Kontrakten herausgedrängt und zu teureren Spotpreisen genötigt werden.

Mit dem kometenhaften Anstieg der Spotfrachtraten wird es für Kontraktkunden, die über feste Raten und Platzallokationen verfügen, in der Seefracht immer enger. So mehren sich seit einigen Wochen Berichte aus der Branche, wonach die Kapazitäten für Kontraktladung auf ein Minimum beschränkt und die Kunden für Teile ihres Volumens zu Spotkonditionen gedrängt werden. Für die Carrier ist das viel lukrativer: Zumindest auf den Exportrouten aus Fernost heraus liegen die Spotfrachten um ein Vielfaches über den Kontraktraten. Bei den betroffenen Verladern werden die Budgets damit über den Haufen geworfen.

In einer Umfrage der Handelsplattform Freightos unter Verladern mit langlaufenden Seefrachtkontrakten gaben 70 Prozent der Teilnehmer an, dass bei ihnen in den letzten Wochen Container „gerollt“ worden seien – also stehen gelassen und erst auf späteren Abfahrten mitgenommen wurden – oder nur zu höheren Spotraten verschifft werden konnten. Ein Teil von ihnen gab zudem an, dass Carrier auf Nachverhandlungen drängten, um die Kontraktraten auf ein höheres Niveau zu heben. Der Preisinformationsdienst Xeneta stellt fest, dass vor allem Speditionen sowie kleine und mittlere Verlader von Reedereien aus Kontrakten herausgedrängt und zu teureren Spotpreisen genötigt würden. Ihre Lieferketten seien demnach stärker bedroht als die von Großverladern, die aufgrund ihrer Einkaufspower per se einen höheren Stellenwert bei den Carriern genössen.

Auch Nachverhandlungen von Kontrakten gingen für kleinere Kunden und Dienstleister deutlich ungünstiger aus. So lägen die langfristig gültigen Raten auf der Route von Fernost in den Mittelmeerraum für Speditionen inzwischen 850 US-Dollar/FEU höher als für Direktkunden aus der Industrie, berichtet Xeneta. Anfang des Jahres hätten Speditionen noch einen Preisvorteil von 540 Dollar/FEU bei länger laufendem Geschäft gehabt. Durch solche Berichte wird deutlich, dass Kundenbeziehungen in der Seefracht heute wieder arg strapaziert werden. Zum zweiten Mal innerhalb von zwei Jahren. Fast jeder hat die Engpässe und Störungen während der Corona-Pandemie noch frisch in Erinnerung. Noch immer beschäftigen sich Gerichte in den USA mit Schadenersatzklagen von Verladern gegenüber Carriern aus dieser Zeit.

Indes deutet alles darauf hin, dass es in den nächsten Wochen erst einmal schlimmer wird, bevor sich die Lage bessert. Am Terminmarkt für Seefracht an der Shanghai Energy Exchange preisen Händler weitere Verteuerungen im zweistelligen Prozentbereich bei der Seefracht ein. Immer mehr Schiffsabfahrten in Asien verzögern sich, die durchschnittlichen Transitzeiten nehmen zu, weil die Häfen überlastet sind – vor allem in China und Südostasien, aber auch im westlichen Mittelmeer. Jede zweite Abfahrt von Asien nach Europa verspätet sich derzeit, wie die Marktforschungsfirma Linerlytica schreibt. Laut Clarksons haben die Staus vor den Häfen in Südostasien das gleiche Ausmaß wie zu Corona-Zeiten.

Kurzfristig wird der Druck nicht nachlassen. Denn wenn sich die Chance bietet, krallen sich Carrier kurzfristig noch Schiffe für Abfahrten außer der Reihe und zahlen dafür Charterraten, wie man sie nur einmal in der Geschichte gesehen hat: Über 100.000 Dollar/Tag soll ein 7.000-TEU-Schiff von CMA CGM für eine einzige Rundreise ex Fernost Mitte Juni bekommen – ein „Flashback“ in die Pandemiezeit, wie ein britischer Schiffsmakler anmerkt.

Quelle:
DVZ

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