„In ganz Europa fehlen Container“: Transportpreise erreichen Rekordwerte

Die Preise für Lkw-Transporte klettern auf ein Dreijahreshoch, bei Schiff- und Luftfracht sieht es nicht viel besser aus. Und Entspannung ist nicht in Sicht

Mit dem Abklingen der Corona-Pandemie stapeln sich bei Deutschlands Speditionen die Transportaufträge in unerwarteter Höhe. „Die Transportunternehmen können die Einhaltung von Leistungszusagen nur noch unter erheblichen Anstrengungen garantieren“, warnte Axel Plaß, Präsident des Bundesverbands Spedition und Logistik (DSLV) am Donnerstag. Grund seien Nachholeffekte, Konsumverlagerungen in den Onlinehandel und eine veränderte Vorratshaltung bei Industrie und Handel.

Eine enorme Nachfrage erlebe die Branche insbesondere im Sammelguttransport, bei dem sich mehrere Speditionen meist zu Verteilnetzen zusammenschließen. Diese Systemnetze hätten im ersten Quartal 2021 Rekordzahlen verzeichnet, berichtete Plaß. Gegenüber dem Vorkrisenjahr 2019 sehe man derzeit ein Umsatzplus von bis zu 20 Prozent. Für dieses Jahr erwarte man deshalb rund 130 Millionen Stückgutsendungen – nach 119 Millionen im Vor-Corona-Jahr 2019.

Ähnliches gelte inzwischen auch für komplette Lkw-Ladungen. „Erste Verlader registrieren wieder einen Laderaummangel bei spürbar steigenden Frachten“, sagte der DSLV-Präsident.

Daten des Transport Market Monitors (TMM), den die Ulmer Transportplattform Transporeon monatlich veröffentlicht, zeigen, was dies für Europas Speditionskunden bedeutet. So sinken die Transportkapazitäten auf der Straße schon seit März, erreichten im Mai jedoch ein Dreijahrestief. Mit einem Indexwert von 74,7 lag der angebotene Frachtraum im Mai 11,3 Prozent unter dem Vormonat, verglichen mit Mai 2020 sogar um 58,4 Prozent niedriger. „Am Straßentransportmarkt zeigt sich die wirtschaftliche Erholung nach der Pandemie“, glaubt Transporeon-Frachtexperte Nikolay Pargov.

Die neuen Engpässe treiben die Transportpreise derzeit in die Höhe. Schon seit März 2021 steigen sie laut TMM wieder an und markierten im Mai mit 113,5 Indexpunkten ein Dreijahreshoch. Allein seit April kletterten sie um 8,4 Prozent, verglichen mit dem Mai 2020 betrug die Steigerung sogar 28 Prozent.

Nicht nur auf den Straßen boomt der Frachtverkehr. An Deutschlands Flughäfen übertraf das Frachtaufkommen im ersten Quartal 2021 den entsprechenden Zeitraum des Vor-Corona-Jahres 2019 um stattliche acht Prozent. Als Grund nennt der Speditionsverband die „langsam einsetzende Reaktivierung des Passagierverkehrs“, dessen Bellyfracht für mehr als die Hälfte aller Lufttransporte steht. Doch trotz der sich langsam wieder ausweitenden Kapazitäten klagt der DSLV bei den Airlines weiterhin über ein „beachtlich hohes Frachtratenniveau“.

Lieferengpässe auch auf See
Nicht besser ist die Lage auf hoher See. Mit einem Durchschnittspreis von 3613 Dollar ist der Containertransport auf dem Spotmarkt aktuell viermal so teuer wie vor einem Jahr. Selbst nach dem chinesischen Neujahrsfest, das wegen des zweiwöchigen Produktionsstopps im Reich der Mitte üblicherweise für Entspannung sorgt, gingen die Frachtraten nur kurzzeitig und moderat zurück. Inzwischen liegen sie sogar über den Werten des Vorweihnachtsgeschäfts 2020.

Dass die maritimen Lieferketten vor allem aus Asien immer noch angespannt sind, liegt längst nicht mehr nur an den Nachwirkungen der Blockade im Suezkanal, bei der ein havarierter Containerfrachter den Betrieb für sechs Tage verhinderte. Ein Corona-Ausbruch in der chinesischen Provinz Shenzhen sorgte neulich dafür, dass der Hafen Yantian zum Teil schließen musste. Die Zahl der dadurch blockierten Container soll sogar höher liegen als die Menge stillliegender Stahlboxen während des Suez-Unfalls.

„In ganz Europa fehlen Container, und Schiffsraum bleibt knapp und sehr teuer“, bestätigt DSLV-Präsident Plaß. Lieferengpässe gebe es deshalb vor allem für Bauteile, Möbel, Textilien und Computer-Chips.

Deutschlands Speditionen allerdings könnten die damit verbundenen üppigen Frachtraten den dringend benötigten Schub verpassen. 2020 hatten sie, so jedenfalls rechnet der Verband vor, angesichts der Mengeneinbrüche im ersten Halbjahr ein Umsatzminus von knapp fünf Prozent erlitten.

Quelle:
Handelsblatt

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