Binnenschifffahrtsverband sieht viele Defizite

as Bundesverkehrsministerium erwartet quasi stündlich, dass die EU-Kommission die weiterentwickelte Förderrichtlinie zur nachhaltigen Flottenmodernisierung in der Binnenschifffahrt genehmigt. Es bereitet daher das Inkrafttreten der Richtlinie wie langfristig angestrebt zum 1. Juli vor, erfuhr die DVZ. Eine erneute Verlängerung der Ende Juni auslaufenden Förderrichtlinie sei damit dann nicht mehr notwendig.

Die Kommission hatte den ersten Entwurf der neuen Richtlinie zurückgewiesen. Deshalb musste das Ministerium nachbessern. Anfang August will es mit Branchenverbänden über die notifizierte Förderrichtlinie, deren Umsetzung sowie das neu eingeführte Förderaufrufverfahren sprechen.

Die vergleichsweise umweltfreundliche Binnenschifffahrt ist ein wesentlicher Baustein im Klimaschutz und Hoffnungsträger beim Thema Verkehrsverlagerung. Damit das gelingt, muss das Bundesverkehrsministerium allerdings noch einiges tun, mahnt der Bundesverband der Deutschen Binnenschifffahrt (BDB). In einem 10-seitigen Forderungspapier zur Bundestagswahl spricht er die Defizite an und macht konkrete Verbesserungsvorschläge.

Für die Infrastruktur hält er jährlich künftig 1,6 Milliarden Euro für Investitionen in die Flüsse, Kanäle, Wehre und Schleusen für notwendig. Der gerade von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) vorgestellte Bundeshaushalt 2022 sieht nur 1,4 Milliarden Euro vor.

Desweiteren muss das Bundesverkehrsministerium laut Binnenschifffahrtsverband den Aktionsplan „Niedrigwasser Rhein“ fortführen. „Die historischen Pegeltiefstände haben im Jahr 2018 die Schifffahrt auf dem Rhein, Europas wichtigster Wasserstraße, teilweise zum Erliegen gebracht“, schreibt der BDB. Er warnt, dass in den nächsten 20 bis 30 Jahren wegen der Erderwärmung mehrere solcher Ereignisse eintreten könnten.

Zur Schiffsflotte schreibt der Verband, dass diese dringend modernisiert werden müsse. Zugleich sollte das Ministerium ein Neubauprogramm auflegen. Eine Studie zu kleineren Schiffen sei in Arbeit, sie erscheine aber erst nach der Bundestagswahl.

Nicht zuletzt müsse es ähnlich wie im Kombinierten Verkehr die 44-Tonnen-Regelung für Vor- und Nachlaufverkehre im Massengut geben. Der BDB schlägt vor, die Straßenverkehrszulassungsverordnung für einen entsprechenden Feldversuch zu öffen. Die Vor- und Nachlaufverkehre per Lkw sollten außerdem von der Mautpflicht befreit werden. Dies würde zusätzliche Impulse für eine verstärkte Nutzung der Wasserstraße geben.

Die EU-Kommission will sich darum kümmern, die Binnenschifffahrt besser in intermodale Transportketten einzubinden und die Flottenerneuerung sowie niedrigwassertaugliche Schiffe zu fördern. Das geht aus dem Förderprogramm „Naiades III“ hervor, das die Kommission gerade vorgelegt hat. Dort werden 35 Vorhaben aufgelistet, die bis 2027 umgesetzt werden sollen.

Unter anderem soll die Binnenschifffahrt mehr Gewicht bekommen, wenn die Verordnung über die transeuropäischen Transportnetze (TEN-V) und die Richtlinie für Kombinierten Verkehr 2021 und 2022 überarbeitet werden. Die Kommission kündigt auch an, den Bau von mehr Umschlagterminals und deren Verbesserung stärker zu fördern. Bis 2023 will sie zudem ein System ausarbeiten, mit dem Kunden und Verlader über den CO2-Fußabdruck verschiedener Verkehrsträger informiert werden.

EU-Verband warnt vor zusätzlicher Belastung
Der EU-Branchenverband European Barge Union (EBU) begrüßte den Aktionsplan und erklärte, die Branche sei bereit, den Klimaschutz voranzutreiben und mehr Güter und Passagiere zu transportieren. „Wir sehen in Naiades III ein deutliches Bekenntnis der EU-Kommission, die Binnenschifffahrt zu stärken und die nötige Unterstützung bereitzustellen, damit sie ihr ganzes Potenzial entfalten kann“, sagte EBU-Präsident Paul Goris. Um mehr Fracht auf die Kanäle zu bekommen, müsse auch das schon lange bestehende Problem der Staus in Seehäfen angegangen werden.

Die EBU ruft die EU-Kommission auf, die richtige Balance zwischen ehrgeizigen Vorgaben und Unterstützung zu finden. Skeptisch sieht der Verband Pläne, das Prinzip, nachdem „der Verschmutzer bezahlt“ durch einen Mix aus Emissionshandel, Infrastrukturnutzungsgebühren und Energiebesteuerung umzusetzen. In der Binnenschifffahrt, die nur sehr geringe „externe Kosten“ für Umwelt und Gesundheit verursache, werde das nur hohe bürokratische Lasten mit sich bringen und eher zu einer Verlagerung von Fracht auf andere Verkehrsträger führen.

In der EU-Taxonomieverordnung, die Investitionen in „grüne“ Wirtschaftszweige begünstigen soll, wünscht sich die EBU „angemessene“ und „realistische“ Kriterien für die Binnenschifffahrt, um ihr gleiche Investitionschancen wie anderen Verkehrsträgern zu geben.

Bei den Plänen für eine Überarbeitung der Energiesteuerregeln weist der Verband darauf hin, dass harmonisierte EU-Mindestsätze für in der Binnenschifffahrt eingesetzte Treibstoffe internationale Abkommen verletzen würden. Das könne der angestrebten Verkehrsverlagerung auf Binnenschiffe zuwiderlaufen, warnt die EBU.

Quelle:
DVZ

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