Warum Hapag-Lloyd einen Terminal in Ägypten baut

Deutschlands größte Reederei erweitert ihr Netzwerk mit einer Hafenanlage nahe dem Suezkanal. Die Schwergewichte der Schifffahrtsbranche investieren immer tiefer in die Transportkette hinein.

Auf den ersten Blick entsteht der Eindruck, Hapag-Lloyd habe derzeit einfach zu viel Geld. Zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit plant Deutschlands führende Linienreederei mit Sitz am Ballindamm die Beteiligung an einem Containerterminal, nach Wilhelmshaven diesmal im ägyptischen Damietta. 2021 hatte Hapag-Lloyd 9,1 Milliarden Euro Nettogewinn erwirtschaftet – den vermutlich höchsten Gewinn, der je einem Hamburger Unternehmen gelungen ist. Bedingt war diese enorme Summe vor allem durch die aktuellen Engpässe bei den internationalen Container-Liniendiensten und hohe Transportpreise.

Anfang Mai hatte Hapag-Lloyd seine Beteiligung an dem Projekt in Damietta angekündigt: „Wir überlegen schon lange, was wir im östlichen Mittelmeer machen können, denn unser Geschäft dort ist seit der Fusion mit der Reederei UASC im Jahr 2017 stark gewachsen“, sagte Rolf Habben Jansen WELT AM SONNTAG, Vorstandsvorsitzender von Hapag-Lloyd, der weltweit fünftgrößten Linienreederei. „Uns geht es um die Entwicklung unseres Netzwerks und darum, möglichst viel Kontrolle beim Umschlag und der Weiterverteilung der Container zu haben.“ Die Stadt Hamburg hält an Hapag-Lloyd derzeit 13,9 Prozent der Anteile.

Der Terminal in Damietta soll voraussichtlich 2024 in Betrieb gehen, mit einer Kapazität von 3,3 Millionen Containereinheiten (TEU) im Jahr. Das ist mehr als die Hälfte der Kapazität des HHLA-Terminals Burchardkai, des größten Hamburger Hafenterminals – und für das östliche Mittelmeer künftig ein Schwergewicht. Die neue Anlage liegt rund 60 Kilometer nordwestlich von Port Said, dem nördlichen Ausgang des Suezkanals, den die weltweit größten Containerfrachter auf ihrem Weg von Asien nach Europa durchqueren. Am neuen Terminal können sie einen Teil ihrer Ware auf kleinere, sogenannte Feederschiffe umladen. „Damietta wird unser Verteilzentrum für das östliche Mittelmeer sein, und es wird obendrein unseren Zugang zum ägyptischen Markt stark verbessern“, sagt Habben Jansen. Hapag-Lloyd wird 39 Prozent der Anteile am Terminal Damietta halten, der Bremer Terminalbetreiber Eurogate 29,5 Prozent, das Unternehmen Contship der Hamburger Familie Eckelmann weitere 29,5 Prozent. Dem Eckelmann-Unternehmen Eurokai in Hamburg wiederum gehören 50 Prozent an Eurogate.

Für Hapag-Lloyd ist Damietta die vierte Beteiligung an einem Terminal. Der Reederei gehören bereits 25,1 Prozent am Hamburger HHLA-Terminal Altenwerder. Anfang Mai gab die EU-Kommission eine Beteiligung von Hapag-Lloyd mit 30 Prozent am Containerterminal JadeWeserPort in Wilhelmshaven frei. Auch dort ist Eurogate der Partner von Hapag-Lloyd, ebenso wie bei einer Beteiligung von zehn Prozent der Reederei am Terminal TC3 im Hafenkomplex Tanger Med 2 im Norden Marokkos. Ein Automatismus für Partnerschaften mit Eurogate entstehe dadurch allerdings nicht, sagt Habben Jansen: „Wir entscheiden Beteiligungen an Terminals immer danach, was die Position von Hapag-Lloyd stärkt.“

Nicht nur Hapag-Lloyd, auch andere Linienreedereien wie MSC und CMA CGM unterhalten Beteiligungen an Terminals oder betreiben eigene Anlagen. APM Terminals, Schwesterunternehmen der weltgrößten Linienreederei Mærsk mit Sitz in Kopenhagen, betreibt weltweit allein oder mit Partnern 76 Containerteminals. Seit dem Wiederaufschwung der Containerschifffahrt am Ende des vergangenen Jahrzehnts – nach langer Krise – bauen die führenden Linienreedereien ihre Präsenz in der gesamten Transportkette deutlich aus, mit Beteiligungen nicht nur an Terminals, sondern auch an Speditionen und Luftfrachtunternehmen. Sie wollen das Transportgeschäft noch stärker kontrollieren. „Wir werden perspektivisch wohl mehr als die aktuellen vier Beteiligungen an Containerterminals halten, wenn auch nicht 50 oder 60“, so Habben Jansen.

Für Hamburgs Hafen hat das auch Nachteile. Hapag-Lloyd und seine Partner im Reedereibündnis „The Alliance“ bringen etwa 50 Prozent des gesamten Containerumschlags in die Hansestadt. Neue Beteiligungen an Terminals, gerade in Nordeuropa, erhöhen die Flexibilität von Hapag-Lloyd, Ladung über andere Häfen wie Wilhelmshaven zu führen. „Wir müssen die Kräfte der deutschen Seehäfen bündeln“, sagt Habben Jansen. „Die größte Konkurrenz für Hamburg sind nicht Bremerhaven und Wilhelmshaven, sondern Rotterdam und Antwerpen.“ Derzeit sei nicht geplant, Liniendienste von Hapag-Lloyd nach Wilhelmshaven zu verlegen. Zudem glaube er, „dass auch künftig der größte Teil unserer Ladung über Hamburg laufen wird“. Aber: „Auch Wilhelmshaven hat gewisse Stärken.“

Hamburgs führender Terminalbetreiber HHLA reagiert auf solche Veränderungen des Marktes – und erwirbt selbst Beteiligungen an Terminals außerhalb der Hansestadt, zuletzt 2021 in Triest. Dort will die HHLA langfristig auch die Stärke ihres Tochterunterunternehmens Metrans ausspielen: Denn Metrans, der Betreiber von Containerzügen, unterhält heute schon beste Bahnverbindungen auch in die Häfen der nordöstlichen Adria.

Quelle:
Welt

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