260.000 Container fehlen: Lockdown in Shanghai verschärft Probleme in Deutschland

Seit Ende März ist die Millionenmetropole Shanghai im Corona-Lockdown. Auch, wenn die Behörden jetzt die Maßnahmen langsam lockern, werden die Auswirkungen in Deutschland noch den ganzen Sommer zu spüren sein.

Wenn in diesen Tagen ein Containerschiff in Hamburg anlegt, dass zuvor Fracht in Shanghai aufgenommen hat, dann ist das ein Blick in eine simplere Vergangenheit. Mehr als einen Monat dauert alleine schon die direkte Fahrt vom ostchinesischen Riesenhafen in die Elbmetropole, doch auf dem Weg machen die meisten Containerschiffe noch in anderen Häfen Halt, so dass die Reise effektiv bis zu 80 Tage dauern kann. Die Schiffe, die jetzt also ihre Waren abliefern, haben den Lockdown in Shanghai noch nicht erlebt.

Seit Ende März steckt die Metropole im Ruhemodus. Bewohner dürfen ihre Häuser nicht verlassen, Geschäfte sind geschlossen. Zwar läuft der Betrieb im weltweit größten Handelshafen weiter, doch die Lieferwege von Waren zu den Anlegestellen funktioniert nicht mehr, weil Fabriken im Umland still gelegt sind, Lkws und Züge nicht fahren. Zeitweise bildete sich ein langer Stau vor der Küste. Der betraf nicht nur den Hafen von Shanghai, denn an der Millionenmetropole fließt auch der für den Handel wichtige Yangtse ins Meer. Am südlichen Ende der Bucht von Hangzhou liegen mit der gleichnamigen Millionenstadt und dem drittgrößten Handelshafen der Welt – Ningbo-Zhoushan – weitere wichtige Punkte auf der Handelskarte.

Lockdown in Shanghai: 260.000 Container weniger verschifft
Der Stau der Containerschiffe vor Shanghai muss jetzt langsam abgebaut werden. Bis der Verkehr wieder wie vor dem Lockdown fließt, wird es Monate dauern. Das wird in Deutschland erst jetzt zu spüren sein, denn Schiffe, die Anfang April in Shanghai abgelegt haben, kamen frühestens im Mai in Europa an. Die meisten bewegen sich jetzt erst auf die Häfen im Mittelmeer, Rotterdam, Hamburg und Bremen zu. Damit kommt jetzt auch erst die Lockdown-Krise aus Shanghai bei uns an.

Die Londoner Schifffahrtsberatung Drewry schätzt, dass im April 260.000 Container weniger in Shanghai verladen wurden als im Normalbetrieb. Darin wären viele Produkte gewesen, die deutsche Verbraucher gerne in den Händen halten würden. Laptops, Smartphones und andere Elektronikprodukte zum Beispiel, aber auch Möbel, Textilien und Spielwaren. Fast noch wichtiger: Der Mangel an Gütern aus China wirkt sich auch auf viele andere Industrien aus, denn deutsche Hersteller beziehen wichtige Rohstoffe und Vorprodukte aus Shanghai. Darunter wären zum Beispiel Elemente wie Lithium und Kobalt für Elektroautos und Batterien, aber vor allem viele elektronische Bauteile von Halbleitern über Platinen bis zu Schaltungen.

Das Ärgerliche: Es ist nicht so, als wären diese Waren vor dem Shanghai-Lockdown im Überfluss verfügbar gewesen. Schon seit mehr als einem Jahr klagen deutsche Industriebetriebe über Materialmängel. Im April waren es nach einer Umfrage des Ifo-Instituts 75 Prozent der Betriebe, denen Waren fehlten. Das sind zwar weniger als noch in den Vormonaten, aber eben immer noch ein extrem hoher Wert. Der jetzt verzögert in Deutschland spürbare Shanghai-Lockdown könnte die Zahl wieder ansteigen lassen. „Der Blick nach China bereitet Sorgen“, sagte Umfrageleiter Klaus Wohlrabe schon vor einem Monat.

Sehr lange Lieferzeiten: Es fehlt an Möbeln, Textilien und Elektronikprodukten
Weitere Lockdowns in China sind nicht ausgeschlossen. Das Land geht weiter rigoros bei Coronafällen vor. Shanghai wurde etwa abgesperrt, nachdem 3500 Coronafälle unter den 26,3 Millionen Einwohnern entdeckt wurden. Das entspricht einer Inzidenz von 13. Solche Häufungen gibt und wird es auch weiterhin in anderen Millionenstädten geben. Geht China seinen Weg mit sofortigen harten Lockdowns weiter, werden also auch noch mehr Fabriken und Häfen darunter leiden müssen.

In Deutschland wird sich das so auswirken, wie wir es aus dem vergangenen Jahr bereits gewohnt sind. Bestimmte Produkte, vor allem Elektrogroßgeräte und Möbel, dürften weiterhin sehr lange Lieferzeiten haben oder ganz vergriffen sein. Unternehmen, zum Beispiel in der Autoindustrie, könnten gezwungen sein, ihre Produktion zu kürzen oder gar temporär anzuhalten und Mitarbeiter in Kurzarbeit zu schicken. Das betrifft auch Firmen, die nicht direkt Waren aus China beziehen. Das liegt daran, dass diese oft Zulieferer in anderen Ländern für Bauteile haben, für die die Zulieferer wiederum auf chinesische Produkte angewiesen sind.

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