Deutschland: Bund pumpt wegen 9-Euro-Ticket Unsummen in die Bahn – dabei ist die ein Milliarden-Grab

Die Deutsche Bahn kann als Unternehmen nur überleben, weil der Bund für ihre Schulden geradesteht. Die werden immer mehr. Würde nicht der Steuerzahler einspringen, könnte sich die Bahn das Neun-Euro-Ticket, das am Mittwoch offiziell in Deutschland startet, als Angebot niemals leisten.

Wer etwas über die Stimmung der Deutschen in Sachen Bahn und Neun-Euro-Ticket erfahren will, kann zum Beispiel auf das Bewertungsportal „Trustpilot“ gehen: „Hab‘ für meine Mutter das Neun-Euro-Ticket als Überraschung gebucht“, schreibt eine enttäuschte Kundin.

„Leider hat eine Freundin das für denselben Monat auch gemacht. Jetzt wollte ich wenigstens fragen, ob man eines der Tickets ändern könnte. Aber der Mitarbeiter vom Kundendienst war total gelangweilt: Umtausch sei ausgeschlossen. Ich finde, man könnte seinen Kunden in so Fällen etwas entgegenkommen. Aber es geht wie immer nur ums Geld….“

Deutsche Bahn: 2,5 Milliarden für das 9-Euro-Ticket
Die Dame hat recht. Bei der Bahn geht es nur noch ums Geld, und das liegt daran, dass dieses Geld theoretisch fehlt – praktisch aber unbegrenzt fließt. Denn theoretisch ist die Bahn längst pleite, praktisch aber kann sich kein Land eine Bahn leisten, die wegen Überschuldung stehen bleibt. Deutschland mit seinen Klimazielen erst recht nicht. Deswegen fließen Milliarden Euro an Steuergeld in das staatliche Unternehmen.

Durch das Neun-Euro-Ticket werden es voraussichtlich noch einmal 2,5 Milliarden mehr sein – allein für die drei Sommermonate, für die das Ticket zu haben ist. So viel jedenfalls zahlt der Bund zusätzlich an die Länder, die den Regionalverkehr bei der Bahn bestellen und das Geld entsprechend weiterreichen. Der Freizeitspaß, um den es sich bei einem Ticket, das in der Hauptferiensaison gilt, offenbar handelt, ist also ein teurer Spaß, den sich die Bahn an sich nicht leisten könnte.

Das staatliche Unternehmen, dessen Börsengang vor 14 Jahren angeblich wegen der Finanzkrise tatsächlich aber wegen schlechter Kennzahlen und einem miserablen Ruf bei den Kunden auf den Sankt Nimmerleinstag verschoben wurde, ist während der Corona-Krise so tief in die Verlustzone gefahren wie noch nie in seiner Geschichte.

Unterm Strich türmte sich im Jahr 2020 ein Minus von 5,7 Milliarden Euro auf. Und dieser Wert hat sich seither verfestigt. Parallel schnellten die Schulden des Unternehmens innerhalb eines Jahres um fünf Milliarden Euro nach oben und pendeln inzwischen um die Marke von 30 Milliarden Euro.

Bei der Bahn steht der Bund für Verluste gerade
Wäre die Bahn jemals eine börsennotierte Gesellschaft geworden, läge der Aktienkurs heute tief im Keller. Analysten achten bei ihrer Bewertung unter anderem auf den Verschuldungsgrad. Für sie ist relevant, wie lange ein Unternehmen brauchen würde, um seine Schulden zu begleichen. Fünf Jahre oder mehr gelten als Zeitraum für die Rückzahlung als kritisch. Auch diese Latte hat die Bahn gerissen, was aber niemanden kümmert, da letztlich der Bund für die Miesen geradesteht.

Es ist richtig: Die Pandemie hat das Ergebnis verschlimmert. Die Gründe für die roten Zahlen allerdings liegen anderswo. Bereits vor der Corona-Krise litt die Bahn unter massiven Problemen und konnte ihre Investitionen aus eigenen Mitteln nicht mehr finanzieren.

Geld sollte durch den Verkauf der Auslandstochter Arriva, in der der Nahverkehr in Europa gebündelt ist, in die Kasse kommen. Doch Arriva erweist sich als Ladenhüter, bisher will sie niemand haben. Im Schienengüterverkehr hat der einstige Fast-Monopolist mehr als die Hälfte der Marktanteile verloren.

Baustellen am Schienennetz produzierten so viele Staus, dass sich Kunden andere Transportmöglichkeiten gesucht haben. An diesem Montag, drei Tage, bevor das Neun-Euro-Ticket am 1. Juni gilt, musste Deutsche-Bahn-Chef Richard Lutz öffentlich zur Lage auf dem Schienennetz einräumen: „Wir stehen vor einer Zäsur. So wie bisher geht es nicht weiter.“

Er spricht von „Wachstumsschmerzen“. Tatsächlich lebt der Patient jedoch nur noch dank Dauerinfusion von frischem Geld. Die Dosis, die er braucht, steigt nun noch einmal wegen des Neun-Euro-Tickets.

„Bahn steckt in der größten finanziellen Krise“
Die Schulden hatten auch im Jahr 2019, also noch vor der Corona-Krise, zugenommen. Damals verbuchte die Bahn einen Passagierrekord. Dass dennoch neue Schulden dazukamen, lag laut Unternehmen an den hohen Kosten für Investitionen in Züge und Infrastruktur.

Lutz hatte damals schon mit der gleichen Zerknirschtheit wie heute zum Besten gegeben: „Die Bahn steckt in der größten finanziellen Krise seit der Bahnreform.“ Die Investitionen waren also als eine Art Flucht nach vorn zu verstehen.

Die Flucht hätte in der Pandemie zumindest unterbrochen werden können. So machte es die andere ehemals staatliche deutsche Transportgesellschaft, die Lufthansa. Sie wurde vor 25 Jahren vollständig privatisiert, die Aktien werden an der Börse gehandelt und ihre Besitzer haben derzeit nicht viel Freude an dem Papier.

Aber immerhin war die Airline in der Pandemie in der Lage, den Flugplan einzudampfen, Personal nach Hause zu schicken und Maschinen loszuwerden. Auch sie brauchte Geld vom Staat, das sie aber inzwischen zurückgezahlt hat.

Im Fernverkehr fließen jährlich mehr als eine Milliarde Euro in neue Züge
Ganz anders bei der Bahn: Ungeachtet des Einbruchs durch Corona hielt sie auch auf politischen Druck an ihrem Investitionsprogramm auf Rekordniveau fest. Im Wochenrhythmus wurden neue ICEs ausgeliefert. Allein im Fernverkehr fließen jährlich mehr als eine Milliarde Euro in neue Züge, Instandhaltungswerke und die Renovierung älterer Waggons.

Die Investitionen müssen zuerst finanziert werden. Die Schulden sind zweitrangig. Und die 2,5 Milliarden, die der Bund nun via Länder zusätzlich für das Neun-Euro-Ticket überweist, fallen da auch nicht mehr ins Gewicht. Mit ihnen sollen die Einnahmeausfälle kompensiert werden, die trotz des erwarteten Ansturms auf die vorübergehende Billigbahn entstehen.

Wie dieser Ansturm mit dem Klagen der Bahn über noch immer coronabedingte Ausfälle zusammenpasst, bleibt das Geheimnis des Staatsunternehmens. Hauptsache auch dafür gibt es Geld aus der Steuerkasse: 1,2 Milliarden Euro sind es, die die Bahn wegen Corona-Problemen in diesem Jahr noch oben drauf bekommt.

Quelle:
Focus

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