Verkehrsminister Wissing: Bahn kann und muss besser werden

Seit einem halben Jahr ist Volker Wissing im Amt, nun will er die Probleme bei der Bahn anpacken. Eine Forderung: Zuverlässigkeit. Auch zur angekündigten „Generalsanierung“ hat er klare Vorstellungen.

Bundesverkehrsminister Volker Wissing sieht dringenden Handlungsbedarf bei der Deutschen Bahn, um einen zuverlässigeren Betrieb für Millionen Fahrgäste und Güterzugkunden zu erreichen.

„So wie es im Augenblick ist, kann es nicht bleiben. Die Bahn kann und sie muss besser werden“, sagte der FDP-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. Darüber sei er mit Bahnchef Richard Lutz einig. Um zu analysieren, wo genau die Probleme liegen, habe er viele Gespräche unter anderem mit dem bundeseigenen Konzern geführt. „Die Ergebnisse sind in ein Konzept geflossen, das aufzeigt, wie wir die Probleme angehen wollen.“ Es solle noch in diesem Monat vorgestellt werden.

„Ich will, dass die Bahn für die Bürgerinnen und Bürger eine echte Alternative wird“, sagte Wissing. „Die Bahn muss begeistern können, durch attraktive Züge, eine effiziente Taktung und vor allem durch Pünktlichkeit. Ich will dafür sorgen, dass die notwendigen Maßnahmen ergriffen werden, um die Gesellschaft mobil zu halten.“ Dazu gehöre die Bahn. „Ich sehe Defizite und die will ich beseitigen“, sagte der Minister. „Ich bin ambitioniert.“

Die Bahn hat gerade mit operativen Problemen zu kämpfen. Das Ziel, in diesem Jahr im Fernverkehr eine Pünktlichkeit von 80 Prozent zu erreichen, hatte Lutz einkassiert. Bei der Pünktlichkeitsquote hätten 80 Prozent der Züge nicht mehr als sechs Minuten zu spät am Ziel ankommen dürfen.

Der Bahnchef kündigte zudem eine „Generalsanierung“ wichtiger Strecken an. Ziel ist demnach der Aufbau eines „Hochleistungsnetzes“. Bahnkunden müssen sich dadurch aber auf Sperrungen für Baustellen und Umleitungen einstellen. Hintergrund ist das Ziel, den Bahnverkehr auszubauen, aber den Sanierungsstau im Netz zu bekämpfen. „Wir müssen dieses Thema grundsätzlicher und radikaler angehen“, hatte Lutz gesagt. „Lieber eine große statt vieler kleiner Sperrungen.“ In belasteten Korridoren sollen ab 2024 Bauvorhaben gebündelt abgearbeitet werden.

Wissing sagte, das Netz müsse von Grund auf modernisiert werden. Das sei die Grundlage für mehr Pünktlichkeit, schnellere Verbindungen und ein insgesamt attraktiveres Angebot. „Eine ganz zentrale Maßnahme ist, dass unser Netz technisch so ausgestattet sein muss, dass bei einer Reparatur oder bei der Einrichtung einer Baustelle der Netzbetrieb minimal gestört wird und nicht maximal. Im Moment ist die Beeinträchtigung des Netzbetriebs bei einer Baustelle zu groß. Das muss auf ein Minimum reduziert werden. Es gibt dafür technische Möglichkeiten, und die wollen wir nutzen“, so der Minister.

„Die Streckensanierung darf nicht zu Lasten der Bahnnutzerinnen und -nutzer erfolgen, sonst werden wir Kundinnen und Kunden verlieren, statt gewinnen. Deshalb müssen wir hier sehr strategisch vorgehen. Man kann nicht alles, was am Netz verbessert werden muss, auf einmal machen“, erläuterte Wissing. „Sonst müsste man hinnehmen, dass eine gewisse Zeit lang alles stillsteht. Das geht nicht. Das heißt, man muss quasi im laufenden Betrieb sanieren. Und deswegen muss man die Maßnahmen so organisieren, dass sie schnell vorankommen und gleichzeitig der Betrieb gut weiterläuft.“ Diese Anforderung stellten auch die gesamte Industrie und die Wirtschaft zu Recht.

Wissing machte mit Blick auf die Konzernführung der Bahn zudem deutlich: „Wir brauchen eine klare Zielvereinbarung für den neuen Infrastrukturvorstand. Zuverlässigkeit ist ein Schlüsselkriterium für die Position der Bahn im Wettbewerb der Verkehrsträger.“ Der langjährige Infrastrukturvorstand Ronald Pofalla hatte die Bahn verlassen.

SPD-Fraktionsvize Detlef Müller sagte, es sei zu begrüßen, dass Wissing und Bahnchef Lutz die Steigerung der Zuverlässigkeit der Bahn zur Chefsache erklären und sie ein entsprechendes Konzept zur Verbesserung der Baustellenplanung vorlegen wollten. „Neben der Klärung von operativen Problemen braucht es aber auch weiter ein klares Bekenntnis zur Bahn als Infrastrukturträger der Zukunft.“

Das bedeute mehr Mittel für den Schienenausbau schon im kommenden Haushalt 2023, eine deutliche Beschleunigung von Planungs- und Umsetzungsprozessen und vor allem eine tragfähige Konzeption für die zu entwickelnde Infrastruktursparte der Deutschen Bahn AG, sagte Müller. „Hier haben wir die klare Erwartung an Verkehrsminister Wissing, dass in diesen Bereichen schnell geliefert wird. Es braucht nicht nur Absichtserklärungen und Bekenntnisse, sondern Taten.“

Der stellvertretende Vorsitzende der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG, Martin Burkert, sagte, die Bahn brauche eine ausreichende Finanzierung der Infrastruktur. Es müsse dringend dauerhaft mehr Mittel geben. Die ersten Erfahrungen mit dem 9-Euro-Ticket zeigten, dass dieses Angebot angenommen werde. „Die Menschen sind bereit, auf die Bahn umzusteigen; aber dafür brauchen wir Nachhaltigkeit.“

Auch Dirk Flege, Geschäftsführer des Lobbyverbandes Allianz pro Schiene, forderte Wissing zum Handeln auf. „Wie der Bahnverkehr besser werden kann, steht seit 2020 im Masterplan Schienenverkehr“, sagte er der dpa. „Seit dem Amtsantritt von Minister Wissing ist keine einzige Maßnahme neu in die Umsetzung gegangen.“

Quelle:
welt.de

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