Hafenwettbewerb: Der Markt verschiebt sich

Die dänische Linienreederei Maersk verfolgt seit kurzem eine neue Strategie. Weil sich seit Monaten die Frachter gerade vor den Nordrange-Häfen stauen, kommen Waren aus Asien verspätet in Europa an. Um die Verzögerungen zu minimieren, nutzt das Unternehmen einen neuen Feederservice. Künftig sollen Waren zwischen dem Hafen von Port Said in Ägypten und dem Hafen Vado Gateway im italienischen Genua transportiert werden. Damit könne die Transportzeit der Waren zwischen Asien und Europa um 5 bis zu 21 Tage verkürzt werden, erklärt Maersk.

Die Linienreederei reagiert damit auf die Überlastung in den Häfen Rotterdam, Antwerpen, Hamburg, Bremerhaven und Wilhelmshaven. Allein in der Deutschen Bucht warteten am Dienstag 19 Schiffe.

Drei Häfen im Süden fallen auf
Sollten die Hafenarbeiter in den deutschen Seehäfen erneut streiken, würde sich der Konflikt wieder zuspitzen, sagt Niels Madsen von Sea-Intelligence. „Es muss mit weiteren Verspätungen von Schiffen in den Häfen und Kapazitätsengpässen im intermodalen Bereich gerechnet werden“, so der Vice President des Marktforschungsunternehmens.

Damit könnten Transportrouten über die Häfen im Süden interessant werden: Beachtenswert sind hier vor allem drei Häfen, deren Wachstum schon jetzt im Markt sichtbar wird. Der spanische Mittelmeer-Hafen Valencia verfügt über den größten Containerumschlag in der Südrange. Dort wuchs die Anzahl der umgeschlagenen Boxen im vergangenen Jahr auf 5,6 Millionen TEU (plus 3,4 Prozent). Damit überholt Valencia den griechischen Hafen Piräus (5,3 Millionen TEU) und rangiert als erster Mittelmeer-Hafen auf Platz 4 hinter den Nordrange-Hubs Rotterdam, Antwerpen und Hamburg. Das zeigt ein Ranking von Port Economics. Untersucht wurden 15 europäische Häfen mit einem gemeinsamen Umschlagvolumen von 78 Millionen TEU. Knapp 36 Millionen TEU entfallen davon auf die Häfen Rotterdam, Antwerpen und Hamburg.

Krisenresilienter im Süden
Die Entwicklung in Valencia im vergangenen Jahr ist dabei Teil eines schon länger zu beobachtenden Trends: Im Zeitraum zwischen den Jahren 2007 und 2021 verzeichnete die Mehrheit der 15 größten europäischen Containerhäfen Wachstum im Containerumschlag. Besonders stark waren die Anteilsgewinne in der Südrange (siehe Grafik).

Zudem scheinen die jüngsten wirtschaftlichen Verwerfungen die Süd-Hubs etwas weniger zu tangieren als die Konkurrenz im Norden. Die Russland-Sanktionen hätten wenig Auswirkungen auf die Südhäfen, sagt Sönke Maatsch, Containerverkehrsexperte am Institute of Shipping Economics and Logistics (ISL). „Das Russland-Embargo spielt dagegen in den Nordrange-Häfen als Transhipment-Hubs Richtung Ostsee und St. Petersburg eine größere Rolle.“

Drei Tage längere Fahrzeit, kein Stau
Insbesondere für den Transport von zeitkritischer Ladung wie Hightech- und Medizingüter nach Österreich, in die Schweiz oder nach Süddeutschland werden Reeder möglicherweise über die Südhäfen umrouten, erklärt Madsen. „Im Vergleich zur Nordrange müssen die Verlader zwar bis zu drei Tage länger einplanen“, dennoch sei der Transport derzeit zuverlässiger.

Auch die wirtschaftsgeografischen Vorteile wie die kürzere Distanz und geringere Kosten bei Asien-Verkehren könnten Marktchancen bieten, so Maatsch. „Weitere Bahnverbindungen könnten diese Marktstellung der Südhäfen festigen“, sagt er.

In Deutschland wird das Wachstum im Süden aufmerksam verfolgt. „Ich sehe im europäischen Wettbewerb eine wachsende Konkurrenz durch die Südhäfen und außereuropäische Häfen wie Tanger Med in Marokko“, sagt Maya Schwiegershausen-Güth, Bundesfachgruppenleiterin Maritime Wirtschaft bei Verdi. Es sei die Frage, ob „Unternehmen wie Mercedes und BMW ihre Autos auch in Zukunft noch an den deutschen Seehäfen umschlagen oder dies künftig vermehrt über die Adria-Häfen passiert“, so Schwiegershausen-Güth.

Erste Anzeichen seien schon spürbar. „Es gab bereits Marktanteilsverlagerungen von den deutschen Häfen zu den Südrange-Häfen“, sagt ISL-Verkehrsexperte Maatsch. „Südhäfen wie Triest und Koper haben Hamburg in der Vergangenheit Marktanteile abgenommen. Weitere könnten folgen.“

Quelle:
DVZ

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