Deutsche Post: Jetzt fordert die Post das Recht auf Langsamkeit

Die Mengen sinken, die Kosten steigen, neues Personal ist nicht zu finden: Das Briefgeschäft der Post schwächelt. Deshalb will sie ein verändertes Postgesetz durchsetzen, das es ihr erlaubt, Briefe später zustellen zu dürfen. Dabei warten Kunden jetzt schon tagelang auf ihre Briefe.

Die Kunden der Deutschen Post müssen sich darauf einstellen, dass ihre Briefe in Zukunft länger unterwegs sein werden. „Wir müssen darüber nachdenken, ob jeder Brief am nächsten Tag zugestellt werden muss“, sagte Postchef Frank Appel bei einer Telefonkonferenz. Derzeit gilt für 80 Prozent der täglichen Briefmenge per Postgesetz eine Zustellung am Tag nach dem Einwurf in den Briefkasten.

Für 95 Prozent der Briefsendungen ist eine Laufzeit von zwei Tagen vorgeschrieben. Nun aber will der Bonner Konzern das Postgesetz ändern lassen und sich bei der zuständigen Bundesnetzagentur für eine langsamere Zustellung starkmachen. „Das Anspruchsniveau an unsere Dienstleistung führt zu enorm hohen Kosten“, sagte Appel.

Hintergrund ist, dass die Post mit sinkenden Briefmengen und steigenden Zustellkosten zu kämpfen hat. Im dritten Quartal 2022 betrug der Mengenrückgang fünf Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Dem stehen höhere Löhne und Energiepreise gegenüber. Die Briefpreise wiederum kann die Post nicht ohne weiteres erhöhen. Zuletzt gestand die Regulierungsbehörde dem Konzern eine Preisanpassung im Durchschnitt von knapp fünf Prozent zu.

Dadurch hat sich das Briefporto zum Jahresanfang 2022 von 80 Cent auf 85 Cent verteuert. Gültig sind die neuen Portopreise bis Ende 2024. „Das reicht bei weitem nicht aus, um die Kostensteigerungen aufzufangen“, sagte Appel. Der Konzern brauche eine Kostenentlastung. Das Briefporto der Deutschen Post liegt nach Konzernangaben um durchschnittlich 30 Cent unter den Preisen anderer Länder Europas. Zudem bekommen nationale Postgesellschaften staatliche Unterstützungen. „Das wollen wir nicht, aber wir brauchen ein verändertes Postgesetz“, sagte Appel.

Anders als beim Brief sieht es bei den Preisen für den Paketversand aus. In diesem Jahr hat die Post die Paketpreise im einstelligen Prozentbereich angehoben und kündigt weitere Schritte an. „Preiserhöhungen 2023 für Paket-Geschäftskunden werden Energie- und Peakzuschläge enthalten“, heißt es in einer Präsentation. Gemeint sind Zuschläge etwa an Feiertagen wie Ostern oder Weihnachten.

Die Aussagen des Postvorstands fallen in eine Zeit, in der die Post große Probleme in der Briefzustellung hat. In etlichen Zustellbezirken des Landes fehlt derart viel Personal, dass die Arbeit nach Notfallplänen organisiert werden muss. Das wiederum hat zur Folge, dass einzelne Bezirke nicht mehr an jedem Tag Postsendungen erhalten. Der Konzern begründet die Ausfälle mit einem überdurchschnittlich hohen Krankenstand unter den Briefzustellern auch aufgrund der Corona-Pandemie. Weitaus problematischer ist es jedoch, dass die Post kaum mehr neues Personal für die Zustellung findet.

Einnahmen aus dem Briefgeschäft sinken seit Jahren
Dagegen dürfte die ebenfalls per Gesetz vorgeschriebene Zustellung an sechs Werktagen kein zentrales Thema bei einer Gesetzesänderung sein. Postchef Appel sagte dazu, die Sechs-Tage-Zustellung sei eine hypothetische Frage. Hintergrund der Einschätzung ist, dass der Postkonzern in immer mehr Bezirken Briefe und Pakete zusammen an die Haustüren bringt und die sogenannte Verbundzustellung nahezu flächendeckend ausbaut. Dadurch ergibt sich kein einzelner Wochentag, an dem ein komplettes Auslassen der Zustellung für den Betriebsablauf der Post wirtschaftlich sinnvoll erscheint.

So werden Pakete in großen Mengen an Samstagen ausgefahren, weil dann die Empfänger zuhause sind. An Montagen wiederum sind die Paketmengen wegen der Bestellungen der Privatkunden bei den Onlinehändlern über das Wochenende besonders groß. „Wir müssen ohnehin an jedem Tag Pakete ausfahren“, beantwortete unlängst Nikola Hagleitner die Frage nach der Sechs-Tage-Zustellung. Sie verantwortet im Postvorstand das Brief- und Paketgeschäft. Auch die zunehmende Zustellung von Tageszeitungen über die Post spricht gegen die Verringerung der Zustelltage.

Tatsächlich hat sich die Situation im Postkonzern in den vergangenen Jahren gedreht. War früher die Briefzustellung der Gewinngarant des Konzerns, so sinken die Einnahmen und Erträge aus dem Geschäft seit Jahren. Das Paketgeschäft wiederum ist wegen eines ausgeprägten Wettbewerbs – etwa mit der Otto-Tochter Hermes oder der eigenen Zustellung bei Amazon – nicht derart lukrativ wie der Briefversand.

Rund zwei Drittel des Umsatzes im deutschen Brief- und Paketgeschäft entfallen auf Briefe. Ein Achtel des Konzerngewinns stammen aus dem kombinierten Geschäftsbereich – erwartet werden knapp 1,4 Milliarden Euro im laufenden Jahr.

Anders sieht es bei den DHL-Gesellschaften des Konzerns aus. Das Expressgeschäft – mit weltweitem und vergleichsweise teurem Versand eiliger Sendungen – bringt fast die Hälfte des Konzerngewinns ein. Rund 8,4 Milliarden Euro Vorsteuergewinn erwartet der Vorstand im laufenden Jahr. Neben dem Expressversand tragen dazu vor allem die Luftfracht sowie die Seefracht bei. Auch bei einer „weltweit sich abkühlenden Wirtschaft und unsicheren Lage“ bleibt das Management zuversichtlich für weiteres Wachstum.

Quelle:
Welt.de

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