Was der Hafen-Deal für die deutsche Wirtschaft bedeutet

Der chinesische Staatskonzern Cosco darf sich mit knapp 25 Prozent an einem Containerterminal des Hamburger Hafens beteiligen. China hat sich damit mehr Einfluss gesichert – auf den Deutschland angewiesen ist.
Über der Entscheidung, China Anteile am Hamburger Hafen zu überlassen, scheiden sich die Geister. Wer dagegen ist, kritisiert vor allem den Bundeskanzler. Denn der hat das Projekt quasi im Alleingang durchgewunken – trotz massiver Kritik und Bedenken aus Politik und Wirtschaft. Das hat immerhin dazu geführt, dass der chinesische Staatskonzern Cosco zu einem geringeren Anteil als ursprünglich geplant an einem Hamburger Containerterminal beteiligt wird.

Ein Kompromiss, auf den sich das Bundeskabinett schnell einigen musste, denn: Hätte das Kabinett nicht in dieser Woche entschieden, wäre der Verkauf automatisch so wie von Cosco und dem Hamburger Hafen (HHLA) vereinbart genehmigt worden. Ursprünglich sollte Cosco einen Anteil von 35 Prozent erwerben. Jetzt sind es nur noch 24,9 Prozent. Ein Erwerb oberhalb dieses Schwellenwerts wurde untersagt. Das verhindert, dass der chinesische Staatskonzern wichtige Geschäfts- und Personalentscheidungen blockiert.

Kurzfristig gesehen gibt es an der Zusammenarbeit nichts auszusetzen: Cosco zählt zu den größten Logistikunternehmen weltweit und könnte die Verschiffung von Waren über den Hamburger Hafen attraktiver machen. Jobs und Umsatz wären so gesichert. Auch zusätzliches Kapital könnte in den Wirtschaftsstandort Hamburg fließen und dem Ausbau der hiesigen Infrastruktur dienen.

Ein „gesichtswahrender“ Kompromiss
Dem gegenüber stehen jedoch eine Menge Bedenken, angefangen mit dem Einfluss auf die bereits genannte digitale Infrastruktur. Gleichzeitig hätte sich China unter einer Beteiligung von 35 Prozent Einfluss erobert, den es ausländischen Investoren im eigenen Land nie gewähren würde. Dazu zählen Investitionen in die kritische Infrastruktur, die Telekommunikation und verschiedene Technologiebereiche. Hätte Cocso, wie geplant, den 35-prozentigen Anteil erworben, hätte China darauf drängen können, dass der Hamburger Hafen Lieferungen bestimmter Länder nicht mehr zulässt. Der Marktzugang hätte beispielsweise für Taiwan erschwert werden können und Hamburg damit zum Spielball chinesischer Politik geworden.

Wirtschaftswissenschaftler Rolf Langhammer vom Kieler Institut für Weltwirtschaft bezeichnet den nun getroffenen Kompromiss deshalb als „gesichtswahrend für beide Seiten“, also sowohl für Deutschland als auch für China. Auch das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) nimmt den Kompromiss lobend zur Kenntnis.

Die Entscheidung sei „konsequent, denn bei dem modernen Containerterminal Tollerort handelt es sich um einen zwar nur kleinen, aber relevanten Teil deutscher kritischer Infrastruktur“. Es handele sich nun mehr um eine rein finanzielle Beteiligung ohne Sonderrechte, „gegen die grundsätzlich nichts einzuwenden ist. Zudem darf Cosco keinen Zugang zu sensiblen Daten der Hafengeschäfte bekommen“, schreibt das IW.

China sichert sich Zugriff auf Daten seiner Kunden
Doch wie groß die Beteiligung am Ende ausfällt, ist laut dem Kieler Wirtschaftsforscher Langhammer gar nicht entscheidend. Cosco hatte zugesagt, im Gegenzug zu der Beteiligung den Container-Terminal Tollerort (CTT) zu einem bevorzugten Umschlagpunkt in Europa zu machen. „Ein privatwirtschaftliches Unternehmen könnte dies an sich nicht versprechen, ein Staatskonzern aber doch“, sagt Langhammer. „Und hierin liegt auch ein gewisses Erpressungspotenzial seitens Cosco.“

Er gibt zudem zu bedenken, dass „Cosco ein zentraler Akteur in der maritimem und digitalen Seidenstraße ist“. Als maritime Seidenstraße wird die Beteiligung an verschiedenen Häfen bezeichnet. Nach Recherchen und Medienberichten hat sich der chinesische Konzern Beteiligungen an Ankerplätzen auf nahezu allen Kontinenten gesichert – auch 14 Häfen Europas stehen auf der Liste.

Mit der digitalen Seidenstraße meint der Kieler Wirtschaftsexperte die digitale Abwicklung des Seehandels. „Und da hat Cosoco erhebliche Ambitionen zusammen mit anderen chinesischen Partnern, um die Digitalisierung des Seetransports voranzutreiben.“ So könnte das Unternehmen einen weiteren Wettbewerbsvorteil erwerben – in der von Politikern und Experten immer wieder zuletzt genannten kritischen Infrastruktur. Deshalb müsse die Software, die Cosco nutzt, auch anderen Wettbewerbern offen stehen, stellt der Experte klar. Zudem müsse eindeutig geregelt sein, auf welchen Servern die Kundendaten liegen – jener Kunden außerhalb Chinas.

Möglicherweise ist das aber auch nicht mehr von Belang, denn dadurch, dass China bereits an anderen Häfen beteiligt ist oder diese ganz besitzt, könnte es auch schon an Kundendaten gelangt sein, die auf chinesischen Servern gespeichert und genutzt werden, sagt etwa der China-Experte Christian Rausch. Zweifelsohne habe sich China durch den Hafendeal mit Deutschland weiteren Einfluss gesichert, auch wenn er begrenzt ist. China ist Deutschlands größter Handelspartner. „Die Chinesen sind zum Teil aber auch abhängig von uns, weil wir denen auch ihre Waren abnehmen. Das heißt, diese Abhängigkeit besteht natürlich beiderseits, aber nichtsdestotrotz ist sehr stark augenfällig (…) dass China hier wieder sehr stark an Bedeutung gewonnen hat“, sagt Rausch.

Deutschlands autokratische Handelsbeziehungen
Seit dem Ukrainekrieg wird immer wieder die Frage nach dem Abbruch aller Beziehungen zu Diktaturen und Autokratien gestellt. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock prägte hierfür die werteorientierte Außenpolitik. Doch das würde kosten. Laut Ifo-Institut gehen zwölf Prozent der deutschen Exporte in Autokratien. Und 15 Prozent aller Importe stammen aus Ländern, die nicht demokratisch regiert werden. „Es wird deutlich, dass die Handelsbeziehungen mit Autokratien für Deutschland sowohl auf der Import- als auch auf der Exportseite eine größere Rolle spielen als es für die EU-27 insgesamt der Fall ist“, schreibt das Ifo Institut für Wirtschaftsforschung in einer Studie von Anfang August.

Würde Deutschland seine Produktion aus China wieder nach Europa verlegen, ginge das zulasten des Wohlstandes, haben die Ifo-Experten berechnet. Eine sogenannte Renationalisierung, also eine Verlagerung der Produktion nach Deutschland, würde uns rund zehn Prozent der Wirtschaftskraft kosten. Beim Nearshoring, also der Verlagerung in andere (Nachbar-)Länder, würde Deutschland knapp über vier Prozent seiner Wirtschaftsleistung einbüßen.

Auch eine vollständige Entkopplung der EU von China haben die Forscher untersucht. Das Ergebnis: Das deutsche Bruttoinlandsprodukt würde um 0,52 Prozent fallen. Zuzüglich chinesischer Gegenmaßnahmen lägen die Einbußen sogar bei 0,8 Prozent. Das klingt wenig, hätte aber einen viermal so starken Effekt wie der Brexit.

Eine De-Globalisierung würde einen massiven Wohlstandsverlust für Deutschland bedeuten, bilanzieren die Ifo-Forscher.

Hamburg braucht Cosco
Dass der Hafendeal mit China platzt, ist von deutscher Seite daher ausgeschlossen. Unklar ist bisher, wie sich Cosco nun verhält. Bis Ende des Jahres soll der Deal abgeschlossen werden. HHLA-Chefin Angela Titzrath will „zeitnah“ mit den Chinesen sprechen. Aus Unternehmenskreisen hieß es zuletzt, man gehe davon aus, dass die Chinesen die Kompromisslösung mittragen. „Es gibt keine Garantie, dass die Transaktion stattfinden wird oder wann sie stattfinden kann“, heißt es vom chinesischen Staatskonzern.

Würde Cosco seine Schiffe aus Hamburg abziehen, träfe das den Hafen empfindlich. „Für die Wettbewerbsfähigkeit des Hamburger Hafens ist die positive Entscheidung des Investitionsprüfverfahrens durch das Bundeskabinett von großer Wichtigkeit“, heißt es von der Marketingorganisation des Hafens.

Quelle:
capital.de

Schreibe einen Kommentar