Verbrenner-Verbot der EU: „Nutzlast ökonomisch irrelevant“: LKW-Experten zweifeln am Elektro-Brummi

Die EU forciert Elektroantriebe auch beim LKW. Der Chef des LKW-Giganten Iveco hält das derzeit für unrealistisch. FOCUS online hat beim größten deutschen Spediteurs-Verband nachgehakt: Was geht und was geht nicht mit dem Akku-Brummi?

Sie rollen langsam auf den Straßen, die ersten Hightech-Trucks von Tesla oder Nikola . Tesla hat die ersten Modelle seines „Semi“ ausgeliefert und das Konkurrenz-Startup Nikola hat den „Nikola Tre“ fertig entwickelt. Der fährt ebenfalls elektrisch, allerdings sorgt eine Brennstoffzelle für den Fahrstrom. Für Michael Lohscheller, ehemaliger Opel-Chef und jetzt Nikola-CEO, sind Brennstoffzellen-Trucks das „next big thing“ im Transportwesen.

LKW: Diesel-Ersatz durch Batterie oder Brennstoffzelle?
Die Gründe sind vielfältig: Zum einen schafft der Nikola Tre FCEV mehr Nutzlast als die elektrische Variante, außerdem ist die Reichweite mit 800 Kilometern um rund 300 Kilometer größer und auch das Tanken geht schneller vonstatten, als das bei aktuellen Elektro-Lkws derzeit der Fall ist.

Allerdings ist Wasserstoff kein einfach zu handhabender Treibstoff. Dementsprechend komplex und aufwendig ist auch die Tank-Infrastruktur. „Wir müssen uns zunächst auf einzelne Routen konzentrieren“, macht Michael Lohscheller klar. Das gilt auch in Deutschland beziehungsweise Europa, wo der Lkw im nächsten Jahr erscheinen soll.

Iveco-Chef: „Batteriewahnsinn führt nicht zum Ziel“
Was man bei all dem nicht vergessen darf: Noch ist der Anteil an Elektro-Fahrzeugen bei LKWs und Transportern geradezu mikroskopisch klein, er liegt bei schweren LKW weit unter einem Prozent. Das müsste sich allerdings quasi ab sofort radikal ändern. Denn Deutschland muss auf Weisung der EU, die das Verbrenner-Verbot ab 2035 will, nicht nur den PKW mit Benzin-, Diesel und Hybridantrieb ausmustern. Auch beim LKW soll, wenn auch mit nicht ganz so ambitionierter Zeitschiene, der Dieselmotor abgeschafft werden. Erlaubt wären dann nur noch Batterie- oder Brennstoffzellenfahrzeuge. Doch wie realistisch ist das?

Vom Chef eines der größten Brummi-Bauers kam jetzt eine ernüchternde Einschätzung, die vor allem für den Akku-Truck schlecht ausfällt. „Dieser Batteriewahnsinn führt uns nicht zum Ziel“, sagte Iveco-Chef Gerrit Marx Ende Februar bei einem Be­such von grünen Abgeordneten und von Fachleuten, über den die „FAZ“ berichtet . Zum einen reduziere das Mehrgewicht der Batterien – rund fünf Tonnen im Vergleich zu einem Diesel-LKW – die Nutzlast. Zum anderen stoße die Lade-Infrastruktur in der Praxis auf massive Probleme.

Ladezeiten nicht praxistauglich
Die „FAZ“ weiter: „’Da wird zwar von Megawatt-Chargern gesprochen, aber die gibt es nicht‘, sagt der Iveco-Chef. Und selbst wenn solche Ladestationen mit einer maximalen Ladeleistung von 1000 Kilowatt (kW) aufgebaut würden, bestehe das Risiko, dass in der Nachbarschaft das Licht ausgehe. An den bisherigen Ladesäulen mit 175 oder 375 kW Ladeleistung dauere das Aufladen eines Elektro-LKW zwei bis dreieinhalb Stunden, was für Spediteure unter Zeitdruck viel zu lange sei.“ Dieses Grundproblem bestätigte schon 2022 Fuhrunternehmer Jan-Hendrik Linnenkamp gegenüber FOCUS online, wenn auch etwas salopper formuliert: „Wir bräuchten zwei Stunden Ladezeit und 900 km Reichweite. Zur Verfügung steht das aber quasi nur andersherum“, so der Spediteur .

„Nutzlast des Elektro-LKW ist ökonomisch irrelevant“
FOCUS online hat beim Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) nachgefragt, der bundesweit 7000 Unternehmer vertritt. Dort lautet die Einschätzung ganz ähnlich wie die des Iveco-Chefs. „Der Wasserstoff-Lkw wird nach Daimler-Benz-Angaben erst 2027 serienreif. Batteriebetriebene Lkw für den Fernverkehr sind ebenfalls noch nicht greifbar, weil die Batterien aufgrund mangelnder Energiedichte noch so schwer sind, dass die verbleibende Nutzlast ökonomisch irrelevant ist“, so Vorstandssprecher Dirk Engelhardt zu FOCUS online.

Beim Brennstoffzellen-LKW sei zudem unklar, ob das Antriebssystem auch die vom Diesel-Truck gewohnte Lebensdauer von mindestens 500.000 Kilometer durchhalte. „Welche Antriebsarten in Zukunft zum Einsatz kommen, wissen wir nicht – wir wissen nur eines: dass unsere Auftraggeber die Leistungsfähigkeit, Flexibilität und Zuverlässigkeit des Diesel-Lkw zur Benchmark gemacht haben“, so Engelhardt weiter.

Elektro-LKW muss gegen Diesel am Markt bestehen
Wenn die Politik die elektrische Antriebswende wolle, werde diese für die Steuerzahler sehr teuer: „Finanzielle Unterstützung für Betreiber von Lkw mit alternativen Antrieben ist für deren Wettbewerbsfähigkeit elementar, da diese viel teureren Fahrzeuge über eine ganze Reihe von Jahren zeitlich parallel zu den weniger kostenintensiven Diesel-Lkw am Markt bestehen müssen“, so der BGL-Vorstand. Auch er betont zudem, dass die Ladeinfrastruktur für große LKW noch völlig fehle.

Oberleitungs-LKW kostet 1,5 Millionen Euro
Auch das mit viel Aufsehen im Jahr 2019 gestartete „e-Highway“-Experiment mit Oberleitungs-LKW auf zwei Autobahn-Teststrecken (A1 und A5) hat den Beweis der Praxistauglichkeit noch vor sich. Während in den 1920er Jahren dieselelektrische Lokomotiven zu dem Zweck eingeführt wurden, auf Oberleitungen verzichten zu können, macht der Oberleitungs-LKW 100 Jahre später genau das Gegenteil: Er benötigt drei Technologien – Dieselhybrid, Elektroantrieb und zum Fahren auf der Autobahn noch eine Stromversorgung über den Pantographen.

Während E-Fahrzeuge in der Stadt neben lokaler Emissionsfreiheit auch noch leiser sind als Diesel-LKW und keine Schadstoffe wie Stickoxide produzieren, hat der Oberleitungs-LKW auf der Autobahn im wesentlichen einen Zweck: Die Reduzierung von CO2-Emissionen. Iveco-Chef Gerrit Marx bezweifelt den Sinn der Technik: „Große Lastwagenbatterien re­agierten empfindlich, wenn wegen Un­ebenheiten der Fahrbahn der Ladestrom mit Unterbrechungen ankäme. Zudem gebe es zu viel Verschleiß an den Stromkabeln, und schließlich koste ein Versuchsfahrzeug mit Stromabnehmer, Batterie und dennoch auch mit Dieselmotor derzeit 1,5 Millionen Euro“, zitiert die „FAZ“ den Brummi-Boss.

Amortisation noch nicht in Aussicht
Und der Kostenaspekt? E-Highway-Projektpartner Siemens geht von einer Krafstoffersparnis von rund 16.000 Euro beim Betrieb eines 40 Tonnen-Sattelzugs mit einer Jahresfahrleistung von 100.000 km aus. Die Anschaffungskosten für die Spezial-Trucks müssen also stark sinken, damit die Amortisationsschwelle erreicht wird. Die Ausbau-Kosten für die Oberleitungen selbst sind dabei aber nicht berücksichtigt. BGL-Vorstand Engelhardt will zumindest noch etwas abwarten, wie der Oberleitungs-LKW am Ende zu bewerten ist: „Wir sehen der wissenschaftlichen Auswertung der Testergebnisse mit großem Interesse entgegen.“

Lieferverkehr ist derzeit die beste Elektro-Anwendung
Während der Diesel-LKW auf der Langstrecke nach Ansicht von Praktikern also erheblich langsamer aussterben dürfte, als das die Brüsseler Pläne vorsehen, fällt das Urteil zum elektrischen Lieferverkehr anders aus. „Batteriebetriebene Lkw für den Regional- und Nahverkehr sind in dreistelligen Größenordnungen überwiegend im Testlauf unterwegs und scheinen sich dabei als praxistauglich zu erweisen“, so BGL-Vorstandssprecher Dirk Engelhardt zu FOCUS online. Auch Iveco-Chef Gerrit Marx stellt klar, dass die Kosten-Kalkulation im lokalen Lieferbetrieb für den Elektro-Lieferwagen deutlich günstiger ausfalle als für die Fernstrecke.

Bei der Lieferbarkeit sieht es bei den E-Transportern ebenfalls deutlich besser aus als beim spärlichen Angebot an akkubetriebenen 40-Tonnern. Neben Iveco, Mercedes, VW oder Fiat als etablierten Nutzfahrzeug-Größen ergänzen Hersteller wie Maxus aus China das Angebot.

Quelle:
focus.de

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