Die 5-Milliarden-Wette des Rodolphe Saadé

Knapp drei Wochen Zeit hatte CMA-CGM-Chef Rodolphe Saadé, um sich zu entscheiden, ob er seinen Kaufüberlegungen Taten folgen lassen sollte. Und nach einem ersten Blick in die Bücher hat er dies getan. CMA CGM will Bolloré Logistics für 5 Milliarden Euro übernehmen und so unter dem Dach seiner Logistiktochter Ceva einen globalen Top-5-Akteur formen. Die Vorlage des entsprechenden offiziellen Kaufangebots haben beide Unternehmen am späten Montag vergangener Woche bekanntgegeben.

Der Deal bedarf noch der Genehmigung der relevanten Wettbewerbsbehörden. Zudem müssen die Arbeitnehmervertreter zustimmen. Bolloré-Logistics-CEO Thierry Ehrenbogen, der seine Karriere in dem Unternehmen bereits 1983 als Trainee begonnen hatte, geht denn auch davon aus, dass der Deal nicht vor dem ersten Quartal kommenden Jahres abgeschlossen werden kann, sagte er auf der transport logistic gegenüber der DVZ.

Für die noch verbleibenden Logistikaktivitäten des Mischkonzerns Bolloré – das Afrika-Geschäft hatte das von der Familie Bolloré dominierte Unternehmen bereits vor rund einem Jahr für 5,7 Milliarden Euro an MSC verkauft – muss CMA CGM tief in die Tasche greifen. Der Unternehmenswert wird mit 5 Milliarden Euro angegeben. Rechnet man Anteile von Minderheitsaktionären an der Bolloré SE heraus, ergibt sich ein Kaufpreis von immer noch 4,65 Milliarden Euro, wobei die Schulden und der Kassenstand bei Vollzug der Transaktion noch nicht abschließend einbezogen sind. Bei einem operativen EBITA- Gewinn von 437 Millionen Euro in 2022 beläuft sich der Kaufpreis-Multiplikator auf stattliche 10,6.

CMA CGM dürfte einige Zeit brauchen, damit sich dieses Investment unter dem Strich rechnet. Auf dem Papier entsteht zwar ein 24-Milliarden-Dollar-Anbieter (21,9 Milliarden Euro nach aktuellem Währungskurs). Allerdings ist Bolloré Logistics bei der Marge eher im internationalen Mittelfeld anzusiedeln. Bezogen auf das ausgewiesene EBITA und den Bruttoumsatz ergibt sich ein Wert von 6,1 Prozent. Ceva wiederum hat im vergangenen Jahr eine EBITDA-Marge von 7,6 Prozent erreicht. Und Top-Player wie Expeditors, DSV und Kühne + Nagel haben bei der EBIT-Marge zuletzt Werte um die 1O Prozent oder sogar darüber geschafft.

Als großes Plus wird gleichwohl immer wieder hervorgehoben, dass Ceva durch den Bolloré-Logistics-Kauf seine relative Schwäche in der See- und Luftfrachtspedition im Vergleich zur Kontraktlogistik ausgleichen könne. Richtig ist ohne Frage, dass Ceva künftig, die Bolloré-Mengen eingerechnet, mit gut 2 Millionen TEU in der Seefracht und einem Luftfrachtaufkommen von 800.000 Tonnen zu den ganz Großen der Branche gehören wird. Teil der Wahrheit ist aber auch, dass Bolloré 2022 nach dem Boomjahr 2021 kräftig Tonnage verloren hat. So sackte die Seefrachtmenge von 826.000 auf 710.000 TEU ab. In der Luftfracht büßte das Unternehmen sogar mehr als 40 Prozent von 656.000 auf 390.000 Tonnen ein.

Das eigentliche Asset dürfte vor diesem Hintergrund die Stärke von Bolloré in attraktiven Branchen wie Luxusgüter, Kosmetik und Healthcare, Aerospace sowie dem Verteidigungssektor sein. Gerade die Erstgenannten haben sich auch in den jüngsten Krisenzeiten als äußerst robust erwiesen und bieten eine gute Ergänzung zur Stärke von Ceva in der im Umbruch befindlichen und vergleichsweise volatilen Automobillogistik. Hinzu kommt, dass der Luftfahrtsektor nach Corona wieder wächst, gleiches gilt vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine für den Verteidigungssektor.

Gut ergänzen sich die Unternehmen auch regional. Während beide in Asien recht breit aufgestellt sind, gewänne Ceva durch Bolloré Logistics in Europa deutlich an Schlagkraft. Allein 4.000 der insgesamt 15.000 Mitarbeiter arbeiten in Frankreich.

Deutlich stärker ist Bolloré Logistics dabei auch auf dem deutschen Markt. Während der „Bundesanzeiger“ für die Ceva Logistics GmbH in 2021 einen Umsatz von knapp 147 Millionen Euro ausgewiesen hat, kam Bolloré Logistics auf beinahe 310 Millionen Euro und war damit gut doppelt so groß. Und für 2022 hatte das deutsche Geschäftsführungsduo Thomas Kuhn und Tobias Deil Ende vergangenen Jahres ein weiteres Umsatzplus von rund 40 Prozent avisiert.

Spannend wird derweil sein, wie und ob die beiden französischen Logistiker strukturell und bei der Unternehmenskultur zusammenfinden werden. So ist Bolloré Logistics in Summe regional aufgestellt, mit einer großen Verantwortung der Landeschefs für das Geschäft sowohl in der Spedition als auch in der Kontraktlogistik. Bei Ceva dagegen sind die Landeschefs im Rahmen einer Restrukturierung gerade entmachtet worden. An deren Stelle sind nun Cluster-Manager getreten.

Hinzu kommt, dass bei Ceva die Kontraktlogistik mit rund 10 Millionen Quadratmetern Fläche und die Speditionssparte seit jeher weitgehend als eigenständige Einheiten agieren. Schließlich ist Ceva nicht umsonst schon seit längerem ein Top-5-Kontraktlogistiker und führend in der automobilen Kontraktlogistik. Anders ist die Lage bei Bolloré. Dort ist die Kontraktlogistik mit den 900.000 Quadratmetern Fläche eher als Ergänzung zur See- und Luftfracht zu sehen und eng mit ihr verwoben.

Bleibt last but not least die Unternehmenskultur. Bolloré ist ein Familienunternehmen, welches stark auf Dezentralisierung und unternehmerisches Handeln der Verantwortlichen vor Ort setzt. Demgegenüber steht Ceva als ein Konzern, der nach der langen Zugehörigkeit zum Finanzinvestor Apollo Management eher „technisch-strukturell“ geprägt sei, wie es ein Marktkenner ausdrückt.

Quelle
DVZ

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