Die Schifffahrt ist wieder auf Abwärtskurs

Nach extremen Gewinnen während der Pandemie bauen sich im seeseitigen Welthandel wieder große Überkapazitäten auf. In dieser Lage muss die Branche den teuren Umstieg hin zu klimaneutralen Antrieben organisieren.
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Hapag-Lloyd-Chef Rolf Habben Jansen hat es bereits im vergangenen Jahr mehrfach gesagt, und kaum jemand mochte es so recht glauben. Die für die internationale Schifffahrt goldene Zwischenzeit ist bereits wieder vorüber. Transportpreise für die Container – die sogenannten Frachtraten – stürzen ebenso ab wie die Mietpreise für Schiffe, die Charterraten. Denn nach dem Ende der Pandemie trifft ein nur noch geringes Wachstum des Welthandels auf wieder stark wachsende Schiffskapazitäten, vor allem im Containerverkehr. Relativ gut sieht es hingegen weiterhin für die Tankschifffahrt aus – viele Staaten müssen nach Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine russisches Erdöl, das zuvor in Pipelines transportiert worden war, nun per Tanker aus anderen Ländern importieren.

Die Seehäfen Hamburg und Bremerhaven hätten im ersten Quartal dieses Jahres jeweils rund 20 Prozent weniger Containerumschlag verzeichnet als im Vorjahreszeitraum, Rotterdam etwa zehn Prozent weniger, sagte am Mittwoch beim „7. Hamburger Schifffahrtsdialog“ in der Handelskammer Hamburg Burkhard Lemper, Leiter des Instituts für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL) in Bremen: „Damit sind wir wieder auf einem Umschlag-Niveau von vor zehn Jahren.“

Lemper zitierte den britischen Branchendienst Drewry, die für dieses Jahr noch ein minimales Mengenwachstum im Containerverkehr erwartet, sowie dessen Konkurrenten Clarkson mit der Prognose eines leichten Minus: „In dieser Lage wird es für die kommenden Jahre sehr schwierig werden, in der Containerschifffahrt Gewinne zu erwirtschaften. Viele Reedereien werden ihre Rücklagen angreifen müssen.“ Deutschlands größte Reederei Hapag-Lloyd in Hamburg etwa hatte für 2022 einen exorbitanten Konzerngewinn von 17 Milliarden Euro ausgewiesen. Die Frachtrate für einen 40-Fuß-Container zum Transport von China nach Europa hatte in der Spitze des kurzfristigen Spotmarktes während der Pandemie um 15.000 Euro betragen, inzwischen liegt der reguläre Transportpreis wieder nahe bei 1000 Euro.

Eine der Ursachen für die neue Abwärtsbewegung in der Containerschifffahrt ist die starke Neubautätigkeit während der extremen Engpassjahre der Pandemie. Diese wiederum ist durch mehrere Trends getrieben. Die heutzutage weltgrößten Containerschiffe haben mittlerweile Kapazitäten von jeweils deutlich mehr als 24.000 Containereinheiten (TEU). Die. Reedereien versprechen sich von diesem Größenwachstum noch immer Einspareffekte bei den Transportkosten je Box – obwohl diese Riesenschiffe gerade während einer Marktflaute nur sehr schwer zu befüllen sind. Nur weitgehend voll beladen fahren sie aber wirtschaftlich.

„Wir werden deutlich wachsende Überkapazitäten haben, die Verschrottungen müssen wieder zunehmen“, sagte Lemper. Allein in diesem Jahr werden nach seiner Einschätzung trotz der Verschrottung älterer Schiffe etwa 1,5 Millionen TEU Kapazität auf Containerschiffen zusätzlich an den Markt drängen. Auch im kommenden Jahr werde die gesamte Kapazität in diesem Segment der Schifffahrt weiter wachsen.

Denn getrieben wird der Neubau auch vom Wunsch der Schifffahrtsunternehmen, möglichst neue, energiesparende Maschinen einzusetzen – und zunehmend auch solche, die später neben Schweröl und Marinediesel als Hybridmotoren auch synthetische, sogenannte „klimaneutrale“ Treibstoffe wie etwa Methanol oder Ammoniak verbrennen können. Für die Reedereien ist die Dekarbonisierung des Schiffsbetriebes das neben der Marktlage alles überragende Thema für die kommenden Jahre. Auch deshalb, weil es dafür noch kein globales Regelwerk gibt. In der Europäischen Union soll der Ausstoß von Treibhausgasen bei großen Schiffen bis zum Jahr 2050 um 80 Prozent sinken, auf globaler Ebene, nach den aktuellen Vorstellungen der International Maritime Organization (IMO), um „mindestens 50 Prozent“.

„Bei dem Kraftakt, den die Dekarbonisierung für die Schifffahrt bedeutet, müssen Politik und Wirtschaft an einem Strang ziehen“, sagte in der Handelskammer Gaby Bornheim, Präsidentin des Verbandes Deutscher Reeder. „Ein entscheidender Faktor wird sein, dass alternative Kraftstoffe in ausreichender Menge und flächendeckend zur Verfügung stehen.“ Hier seien nicht zuletzt Treibstoffhersteller und Häfen in der Pflicht, die nötigen Voraussetzungen für Produktion und Infrastruktur zu schaffen. Bornheim begrüßte es, dass Erlöse aus dem europäischen Emissionshandel, in den die Schifffahrt vom kommenden Jahr an stufenweise einbezogen wird, der Erforschung grüner Antriebstechnologien zugute kommen sollen.

Der Einsatz synthetisch hergestellter Treibstoffe wie Ammoniak oder Methanol auf der Basis von „grünem“ Wasserstoff erfordere von den Schifffahrtsunternehmen erhebliche Investitionen in die Flotte. „Insbesondere bei der Frage der Neubau-Finanzierung darf man die überwiegend mittelständisch geprägten Reedereien nicht allein lassen“, sagte Bornheim. Der Bund müsse hierbei aktiv werden. Hamburg als bedeutender europäischer Hafen- und Schifffahrtsstandort wiederum könne hier wichtige Akzente bei Forschung, Entwicklung und Infrastruktur setzen.

Auch Hafenstädte wie Hamburg stellt der Hochlauf der sogenannten „E-Fuels“ allerdings vor große Herausforderungen. Diese synthetischen Treibstoffe werden aus regenerativ erzeugtem Wasserstoff in Kombination mit Kohlendioxid (CO2) oder mit Stickstoff (N) hergestellt. „Wir als Hafenstadt haben die Aufgabe, alle relevanten Marktteilnehmer dabei einzubeziehen“, sagte Hamburgs Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhardt (SPD). „Für die Versorgung mit synthetischen Kraftstoffen müssen wir heutzutage schon Flächen im Hafen sichern, ohne zu wissen, welche Technologien dabei sich durchsetzen werden.“

Jens Broder Knudsen, Vorsitzende des Zentralverbands Deutscher Schiffsmakler, sagte: „Wichtig ist auch, dass der Gesetzgeber nun die notwendige Regulatorik schafft, um das Bunkern von alternativen Treibstoffen auch in deutschen Häfen barrierefrei zu ermöglichen. Denn Schiffe, die alternative Treibstoffe nutzen wollen, werden öfter bunkern müssen, auch in deutschen Häfen.“

Götz Wiese, hafen- und wirtschaftspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft, forderte, die nationale deutsche Hafenstrategie und der neue Hamburger Hafenentwicklungsplan müssten nun „endlich kommen. In Rotterdam steht ganz Holland hinter dem Hafen, in Antwerpen ganz Belgien“, sagte er. „Für die deutschen Seehäfen kommt es auch auf die Unterstützung des Bundes an. Neben der Finanzierung muss der Bund auch darauf hinwirken, dass international ein einheitlicher Rechtsrahmen besteht – von Investitionsanreizen bis zur Regulierung.“

Quelle:
welt.de

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