So viel zahlt die Deutsche Bahn ihren Angestellten schon jetzt

Die GDL will deutlich mehr Geld. Dabei behauptet die Deutsche Bahn, ihre Arbeitnehmer bereits jetzt am besten zu bezahlen. Das ist meist nicht ganz richtig. Und teilweise sogar total falsch.

Unter Deutschlands Führungskräften gibt es einen Witz: Wer als Manager unmögliche Aufgaben sucht, geht zur Deutschen Bahn. Möglicherweise ist das beim Job des Personalplaners sogar wahr.

Seit vier Monaten versucht Bahn-Personalvorstand Martin Seiler, im Tarifstreit mit der Bahngewerkschaft EVG einen Kompromiss auszuhandeln. Bislang vergebens. Seit Anfang der Woche ist die Aufgabe noch schwerer geworden. Da präsentierte GDL-Chef Claus Weselsky den Forderungskatalog seiner Anhänger für die Tarifverhandlungen im Herbst. Ganz oben auf der Liste: Lohnerhöhungen von mindestens 555 Euro im Monat und eine Verkürzung der Arbeitszeit auf 35 Stunden pro Woche, ohne Lohnverlust. „Bahnbrechend“, nannte das Weselsky.

Für Seiler sind die Verhandlungen schon heute eine Krux. Er muss zusehen, dass der hochverschuldete Staatskonzern nicht weiter in die rote Zahlen rauscht. Gleichzeitig muss er seinen Arbeitskräften genug bieten, um sie bei der Stange zu halten. Denn schon jetzt fehlen der Bahn rund 1500 Lokführer. So viel zur Aufgabe.

Auf dem Tisch liege das „höchste Angebot“ in der Geschichte der Deutschen Bahn, betont das Unternehmen immer wieder. Würde die EVG das Paket akzeptieren, kostete es die Bahn 1,4 Milliarden Euro im Jahr, sagt Seiler. Würde die Bahn allein auf sämtliche Forderungen der EVG eingehen, wären es fast doppelt so viel. Nur der Wunschkatalog der GDL käme womöglich noch teurer. Dabei betont die Bahn schon heute: Die aktuellen Tarif-Gehälter lägen „fast überall oberhalb des Niveaus der Wettbewerber“. Hat sie Recht? Teilweise ja. Doch liegt das Unternehmen in einem Segment komplett daneben. Dazu später mehr.

Schaut man auf die Gehaltstabellen der Deutschen Bahn und ihrer Konkurrenz, erscheint ein Lohn-Vergleich auf den ersten Blick nicht so einfach möglich. Nicht nur gibt es zwischen den Tarifen unterschiedliche Anzahl der Arbeitsstunden und Vergütung von Zulagen. Hinzu kommen Abweichungen bei der Anrechnung der Rentenleistungen.

Lokführer beispielsweise verdienen bei der Deutschen Bahn je nach Berufserfahrung und konkreter Tätigkeit inklusive Zulagen und Sonderzahlungen im Jahr zwischen 44.500 und 53.400 Euro, teilt das Unternehmen mit. Das seien im Durchschnitt 4100 Euro im Monat. Zugbegleiter, also Kundenbetreuer oder Zugchefs verdienten jährlich zwischen 37.400 und 50.800 Euro. Zum Gehalt der Bahn kämen dazu „branchenführende betriebliche Altersvorsorge“ und Wahlmodelle, bei denen Beschäftigte zwischen mehr Geld, kürzerer Arbeitszeit und mehr Urlaub (bis zu zwölf Tage) wählen könnten.

Arbeitet ein Lokführer nicht für die Deutsche Bahn, verdient er allerdings in den wenigsten Fällen automatisch weniger. „Nur bei einigen wenigen Arbeitnehmern sind die Löhne wirklich schlechter als bei der DB“, sagt Thomas Gelling von der GDL. Ihm zufolge sind die Löhne der Privaten in diesen vereinzelten Fällen um etwa zehn Prozent niedriger.

Ist jemand Mitglied der GDL, verdient er sowieso das Gleiche, auch wenn er bei einem Bahn-Konkurrenten arbeitet. Seit 2022 herrschen bei allen 63 GDL-Tarifpartnern identische Bedingungen. Über die Jahre haben die beiden wichtigen Bahn-Gewerkschaften auch durch Streiks erkämpft, dass sich die Tarifbedingungen der meisten Bahnen nicht voneinander unterscheiden. Das war nicht immer so. Noch im Jahr 2008, 14 Jahre nach der Privatisierung der Reichsbahn und der Öffnung des Marktes für mehr Wettbewerb, betrugen die Gehaltsunterschiede zwischen DB und den Privaten volle 40 Prozent. Die Angleichung der Niveaus hat die Personalkosten für viele Bahnen seither verdoppelt.

Größere Unterschiede zur Bahn sieht Gewerkschaftler Gelling zum Teil noch bei der Altersversorge. Noch heute zahlt die Bahn nämlich die üppigen Pensionsforderungen derer, die zur Zeit der Reichsbahn zum Unternehmen hinzustießen. Die Arbeitgeber-Beiträge der Bahn für die Altersvorsorge liegen heute bei 3,3 Prozent. Für alle, die vor 1994 beim Unternehmen anfingen, liegen sie allerdings doppelt so hoch. „Vielleicht behauptet deshalb die Deutsche Bahn, besser zu zahlen als andere“, sagt Gelling.

Und zumindest bei der Bezahlung der Lokführer liegt Personalvorstand Seiler ziemlich falsch. Denn nicht zuletzt ihr Mangel ließ die Nachfrage nach den Spezialisten zuletzt stark in die Höhe steigen. Neben den Bahnbetreibern tummeln sich auf dem Personalmarkt mittlerweile etliche Leihfirmen, die ihren Beschäftigten vergleichsweise üppige Konditionen bieten.

Artur Penkala gründete vor vier Jahren das Unternehmen die Loklöwen – 60 Lokführer hat er seither unter Vertrag und verleiht sie für mindestens ein Jahr an verschiedene Zugunternehmen für Güter- und Personenverkehr. Rechnet Penkala Spesen und sämtliche Vergütungen zusammen, verdienen seine „Löwen“, wie er die Mitarbeiter nennt, nicht weniger als monatlich 5500 Euro. Dazu kämen Boni, wie eine Bahnkarte 100 erster Klasse oder E-Bikes für die Angestellten und ihre Lebenspartner.

„Viele Bahnmitarbeiter vermissen die Wertschätzung“, sagt Penkala. Er wollte mit seinem Unternehmen zeigen, dass es auch anders gehe. Die Loklöwen beschäftigen eine Feelgood-Managerin, die einmal die Woche die Angestellten anruft. „Und wenn ihre Frau Geburtstag hat, schicken wir Blumen – aber keine roten Rosen, die sind dem Ehemann vorbehalten“, wirbt der Gründer.

Dass das Konzept aufgeht, zeigen die Zahlen: 40 Bewerbungen landen jeden Monat im Mailfach des Unternehmens. Genommen werde nur ein Bruchteil. Man wolle auf die Qualität achten, sagt Penkala.

Auch die Gewerkschaften wollen einen ähnlichen Weg einschlagen. Bei der Präsentation seiner Forderungen vor einigen Tagen, sagte GDL-Mann Weselsky, dass man eine Genossenschaft gegründet habe, die als Leihfirma für Lokführer auftreten soll. Die Gewerkschaft will also indirekt selbst zum Arbeitgeber werden und Fachkräfte mit besonderen Konditionen anstellen. Vielleicht verschickt Weselsky dann auch Blumen an die Ehefrauen.

Quelle:
wiwo.de

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