Chinesischer Zughersteller CRRC macht die europäischen Konkurrenten nervös

Der chinesische Großkonzern bemüht sich um den europäischen Markt. Bisher war er wenig erfolgreich. In Österreich wetteifert er nun um einen Auftrag der ÖBB.

Die Angst europäischer Produzenten, von Chinas teils stark subventionierter Industrie überrollt zu werden, ist riesig. Nervös sind auch die Hersteller von Schienenfahrzeugen. Der chinesische Zughersteller CRRC, der größte Fertiger der Welt mit 160.000 Angestellten und Verkäufen von 28,8 Milliarden Euro, bemüht sich um den europäischen Markt – und die hiesige Industrie wehrt sich.

Heftige Diskussionen gab es laut der österreichischen Tageszeitung „Presse“ jüngst im Aufsichtsrat der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB). Das Unternehmen will über eine Ausschreibung 200 Rangierlokomotiven kaufen, im Rennen um den Auftrag sind noch CRRC und der Schweizer Hersteller Stadler Rail.

Offenbar ist der Führung der ÖBB bewusst, welche Diskussionen die Vergabe des Auftrags an CRRC auslösen könnte. Den Chinesen gelänge es, zum ersten Mal eine bedeutende staatliche Eisenbahngesellschaft als Kunden zu gewinnen. Das würde helfen, an weitere europäische Aufträge zu gelangen.

Der Stadler-Rail-Präsident Peter Spuhler hat laut Insidern wiederholt in Wien lobbyiert, um die Vergabe an CRRC zu verhindern. Er besitze gute Beziehungen und soll sich auch Gehör verschafft haben. Stadler Rail hat von der ÖBB schon mehrere Großaufträge bekommen, im Gegenzug wird das Unternehmen in Wien einen Engineering-Hub mit 50 Arbeitsplätzen einrichten.

Chinesischer Zughersteller CRRC: Bisher wenig Erfolg in Europa
Bisher konnte CRRC in Europa nur bescheidene Erfolge verbuchen. In Nordmazedonien verkehren chinesische Züge, allerdings sind diese nur mit maximal 140 Stundenkilometern unterwegs. Und der teilweise private tschechische Bahnbetreiber Leo Express hatte Züge bei CRRC zwar bestellt, den Auftrag aber zurückgenommen. Die Gründe sind nicht klar. Leo Express zählt wie die ÖBB zu den Kunden von Stadler Rail.

CRRC versucht seit einiger Zeit, in erster Linie mit privaten zentral- und osteuropäischen Bahnen ins Geschäft zu kommen. Marktbeobachter sagen, dies sei eine bewusst gewählte Strategie.

Für Europas Staatsbahnen ist es nach wie vor politisch nicht opportun, sich von traditionellen europäischen Herstellern wie Alstom, Siemens oder Stadler Rail abzuwenden. Private Bahnen müssen dagegen keine Rücksichten nehmen, zumal ihre Investoren mit Transportdienstleistungen Geld verdienen wollen.

Doch das ist schwierig, denn die Staatsbahnen wehren sich mit vielen Mitteln gegen die Privaten. Das bekam etwa die österreichische Westbahn zu spüren, die von Wien über Salzburg nach Innsbruck und München fährt. Laut Vertretern der Westbahn hat sie den ÖBB jahrelang „Phantompreise“ bezahlen müssen, etwa für die Nutzung der Trassen.

Erste Bahngesellschaft in Westeuropa kooperiert mit CRRC
Umso mehr muss die Westbahn, die teilweise dem Bauunternehmer Hans Peter Haselsteiner gehört, auf die Kosten achten. Bezeichnenderweise ist das Unternehmen auch die erste Bahngesellschaft Zentral- und Westeuropas, die voraussichtlich Rollmaterial von CRRC einsetzen wird. Sie plant, vier Elektro-Triebzüge in Betrieb zu nehmen.

Das Angebot von CRRC sei signifikant günstiger gewesen als die Offerten der Konkurrenz, sagt Thomas Posch, Co-Chef der Westbahn. Noch befinden sich die Züge aber im Zulassungsverfahren bei der Eisenbahnagentur der Europäischen Union (ERA); der aufwendige und sehr bürokratische Prozess wird voraussichtlich 2024 abgeschlossen sein. Dann können die Züge in Österreich, Deutschland, Ungarn und in der Slowakei verkehren.

Das wird es der Westbahn ermöglichen, ihren Expansionskurs fortzusetzen. Ab Dezember wird sie von Wien bis nach Bregenz im Westen Österreichs fahren. Angedacht ist auch eine Verlängerung der Linie von München nach Stuttgart; noch will die Westbahn dieses Projekt aber nicht verwirklichen, da sie keinen Trassenzugang zu einer attraktiven Tageszeit bekommen hat.

Europäische Hersteller reagieren nervös auf CRRC
Vier Züge für die Westbahn, Rangierloks für die ÖBB, Fahrzeuge in Nordmazedonien – das sind keine großen Aufträge für einen Riesen wie CRRC. Warum reagieren die europäischen Hersteller trotzdem so nervös auf die bescheidenen Vorstöße der Chinesen?

Der Manager eines europäischen Herstellers sagt, dass die Chinesen bewusst kleine Aufträge suchten, um nicht die Aufmerksamkeit der Politik auf sich zu ziehen. Gleichzeitig halte er Rangierlokomotiven für ein geeignetes Produkt, um in den europäischen Bahnmarkt vorzustoßen: Die Bauart der Loks sei standardisiert.

Wenn CRRC es schaffe, einen Kunden zu gewinnen, sei es für die chinesische Firma ein Leichtes, die Produktion und den Absatz zu skalieren, so der Manager.

Dabei hilft, dass CRRC in Europa eine Fabrik besitzt. Im Jahr 2020 haben die Chinesen den Kieler-Hersteller Vossloh Locomotives übernommen, einen eher kleinen Anbieter von Diesellokomotiven, für den sich damals kein anderes Unternehmen interessierte.

So kann CRRC leichter mit europäischen Bahnen ins Geschäft zu kommen – schließlich fertigt Vossloh in Europa. Heftig diskutiert wird in Bahnkreisen allerdings die Frage, wie hoch der Wertschöpfungsanteil ist, der tatsächlich in Europa anfällt.

Zugbauer CRRC erhält Subventionen vom chinesischen Staat
Besonders aufgebracht sind Europas Bahnhersteller aber, weil CRRC laut Marktbeobachtern vom chinesischen Staat auf vielfältige Weise subventioniert wird. In einem Bericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) von Februar heißt es, dass etwa auch der französische Hersteller Alstom Staatshilfe erhalte, kein Produzent aber so großzügig subventioniert werde wie CRRC.

Das ermöglicht günstige Angebote. Die Chinesen hätten in Kanada, Europa und in den USA Aufträge für Metrozüge erhalten; ihre Offerten seien um 20 bis 30 Prozent günstiger gewesen als jene der Konkurrenten, schreibt die OECD.

Gleichzeitig scheinen aber die Bahnbetreiber froh zu sein, dass ein weiterer Anbieter versucht, im europäischen Bahngeschäft Fuß zu fassen. „Jede Alternative ist willkommen“, sagt Thomas Posch von der Westbahn. Derzeit seien die Preise für Rollmaterial sehr hoch, fast noch schlimmer seien die langen Lieferzeiten. Vertreter der ÖBB bestätigen diese Einschätzung – so warten sie seit rund einem Jahr auf die bei Siemens bestellten neuen Nachtzüge.

Quelle:
Handelsblatt

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