EU-Lieferkettengesetz könnte an Deutschland scheitern

Nach der Ablehnung von Finanzminister Lindner und Justizminister Buschmann bestätigt Arbeitsminister Heil die Enthaltung Deutschlands bei der Brüsseler Entscheidung über die geplante Richtlinie. Bis zuletzt hatte er mit Kompromissvorschlägen um die Zustimmung der Bundesregierung gekämpft. Damit bleibt offen, ob die Regelung dennoch beschlossen werden kann.

Kurz vor der Abstimmung am Freitag über das EU-Lieferkettengesetz bleibt dessen Verabschiedung ungewiss. Nach der Intervention von Bundesfinanzminister Christian Lindner und Bundesjustizminister Marco Buschmann (beide FDP) wird Deutschland der Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) nicht zustimmen. Das bestätigte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) am Dienstag in Berlin. Damit die Richtlinie beschlossen wird, müssen Länder zustimmen, die mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren.

Die Enthaltung der Bundesrepublik wirkt sich somit faktisch wie ein Nein-Votum aus. Diese Entscheidung hatten die beiden FDP-Minister mit einem Brief forciert, in dem sie der Richtlinie ihre Zustimmung verweigern. Sie kritisieren in erster Linie, dass der Entwurf eine zivilrechtliche Haftung der Unternehmen vorsieht. Diese gibt es im deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) nicht.

Beschwerderecht für Dritte
Darüber hinaus bemängeln sie, dass die CSDDD auch Organisationen wie Umweltverbänden erlaube, die vorgesehenen Beschwerdemechanismen zu nutzen, ohne selbst direkt betroffen zu sein.

Bedeutsam sind diese Bestimmungen vor allem deshalb, weil die Richtlinie von den Betrieben konkrete CO₂-Reduktionsziele verlangt. Diese sollen sicherstellen, dass die Vorgaben des Pariser Klimaschutzabkommens erfüllt werden. Auf die Transportbranche heruntergebrochen, könnte das die Unternehmen beispielsweise zwingen, verbindliche Quoten für Fahrzeuge mit alternativen Antrieben in ihren Fuhrparks festzulegen. Lindner und Buschmann nennen das bürokratisch und unangemessen.

Zudem stört die beiden FDP-Politiker eine Doppelbestrafung von Verstößen. Der Entwurf sehe neben der Haftung auch eine verwaltungsrechtliche Sanktionierung in Höhe von 5 Prozent des Umsatzes vor, ohne dass es davon Ausnahmen für kleinere Verstöße gibt. Das erhöhe das Strafrisiko erheblich, zumal die Regelung eine deutlich weitere Definition der Lieferkette als das LkSG anwende, die nicht zwischen unmittelbaren und mittelbaren Lieferanten unterscheide.

Heil macht Kompromissvorschläge
Als Replik auf die Ablehnung der CSDDD durch seine Kabinettskollegen hatte Arbeitsminister Heil mit einem kurzfristigen Kompromissangebot um die Zustimmung zum von ihm maßgeblich mit verhandelten Entwurf geworben. Er schlug eine Reihe von Sofortmaßnahmen in Deutschland vor, die insbesondere kleine und mittelgroße Unternehmen entlasten sollen. Im Vordergrund steht dabei eine unmittelbare Aussetzung der Berichtspflicht nach dem LkSG.

Für rund 3.000 Unternehmen, die seit erst Januar berichtspflichtig seien, könne der Umstellungsaufwand auf den neuen europäischen Berichtsstandard ESRS (European Sustainability Reporting Standard) entfallen, wenn sie ihre Berichte erst ab dem kommenden Jahr in dem dann verbindlichen Format einreichten. Zudem sprach sich Heil dafür aus, mehrfache Berichtpflichten nach LkSG, CSDDD und der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) zu vermeiden und sie alle durch die neuen Lageberichte im ESRS-Format zu ersetzen. Das erspare den Betrieben überbordende Bürokratie.

Weitere Entlastungen könnten ferner durch die konsolidierte Risikobetrachtung von Konzernen, gemeinsame Branchenaudits, zum Beispiel von Transportunternehmen, und die Erfüllung von Sorgfaltspflichten über Brancheninitiativen erreicht werden. Zudem solle sich die Bundesregierung für vergleichbare, unabhängige und praktikable Branchenstandards einsetzen, die durch Siegel und Zertifizierungen bestätigt würden. Das lasse sich effizient umsetzen und schaffe ebenso wie Handreichungen und Auslegungshilfen des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) maximale Rechtssicherheit für die Unternehmen.

Heil plädiert außerdem für eine mittelstandsfreundliche Auslegung des Gesetzes, die den bürokratischen Aufwand vermindere und dadurch auch kleine und mittlere Unternehmen entlaste. Die Aussicht auf diese Vereinfachungen knüpfte der Bundesarbeitsminister aber an die Zustimmung zum vorliegenden, im Trilog ausgehandelten Kompromisstext der CSDDD.

Findet dieser am Freitag keine Mehrheit, kann eine modifizierte Richtlinie wohl erst nach der Europawahl im Herbst vom neu gewählten Europäischen Parlament verabschiedet werden. Für die Enthaltung der deutschen Bundesregierung machte der SPD-Politiker die FDP verantwortlich. Diese sei nicht bereit gewesen, seinen Lösungsweg mitzugehen. Heil warf dem Koalitionspartner eine „ideologisch motivierte Blockade“ vor, die er selbst für falsch halte. Eine deutsche Enthaltung werde bei den europäischen Partnern auf Unverständnis stoßen.

Quelle:
DVZ

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