Seehafenabfertigung in Hamburg bringt Transporteure auf die Barrikaden

Bis zu vier Stunden Zeitverlust: Die desolate Abfertigungssituation an zwei Hamburger Terminals macht den Trucking-Unternehmen schwer zu schaffen. Jetzt heben sie die Preise an und verlangen Zuschläge für Wartezeiten.

Am Eurogate Container Terminal und dem Burchardkai der HHLA in Hamburg haben sich die Engpässe bei der Lkw-Abfertigung offensichtlich dermaßen zugespitzt, dass mehrere Trucking-Dienstleister ihren Auftraggebern jetzt Preiserhöhungen beziehungsweise Zuschläge für Wartezeiten angekündigt haben. Der DVZ liegen entsprechende Schreiben von EKB Container Logistik und der Zippel Group vor. So will EKB die Grundfrachtraten im Seehafenverkehr zum 01. Juni generell um 6 Prozent anheben, während Zippel sich gezwungen sieht, eine „aufwandsbezogene Entschädigung für nicht performende Terminals“ in Hamburg einzuführen. Ab der zweiten Stunde Wartezeit am Terminal müssen Auftraggeber für Vor- und Nachläufe einen Zuschlag von rund 100 Euro pro Stunde zahlen, wie Zippel-Geschäftsführer Axel Plaß erläuterte.

Behinderungen „existenzbedrohend“
Die aktuellen Behinderungen – schwerpunktmäßig am Burchardkai der HHLA sowie dem Eurogate-Terminal in Waltershof – nähmen „existenzbedrohende Formen“ für Dienstleister im Intermodalgeschäft an, warnt Zippel in seinem Rundschreiben. Vor Auftragsannahme benötige das Unternehmen von Kunden in Zukunft eine schriftliche Risikoübernahme. EKB verweist seinerseits auf längere Durchlauf- und Standzeiten, höhere Aufwände in der Tourenplanung und daraus resultierende verringerte Einfuhrergebnisse mit „Schwerpunkt Hamburg“.

Der Verein Hamburger Spediteure hatte bereits auf einer Pressekonferenz anlässlich der Jahresmitgliederversammlung Ende April die aus seiner Sicht unhaltbaren Zustände in der Seehafenabfertigung der Hansestadt angeprangert. Seither habe sich die Situation noch verschlimmert, so Plaß, der auch Präsident des Bundesverbands Spedition und Logistik (DSLV) ist. „So etwas wie jetzt habe ich in 35 Jahren Berufstätigkeit noch nicht erlebt.“

Bis zu vier Stunden Zeitverlust
Trotz gebuchter Slots bräuchten die Lkw bis zu zwei Stunden für die Ablieferung und Abholung von Containern innerhalb der Terminals. Durch Staus davor und danach komme man auf drei bis vier Stunden pro Nahverkehrstour. Mehr als zwei Rundläufe pro Tag bekämen die Lkw unter diesen Umständen nicht hin, womit der Betrieb bei aktuellen Preisen nicht mehr kostendeckend sei, bestätigt auch ein anderer Unternehmer.

Große Seefrachtspeditionen wie Kühne + Nagel verweisen in Kundenschreiben seit einigen Wochen ebenso auf eine knappe Verfügbarkeit von Abfertigungsslots für Lkw und lange Wartezeiten sowohl am Burchardkai als auch am Eurogate-Terminal.

Im Falle des HHLA-Terminals kommt erschwerend hinzu, dass das betriebliche IT-System ausgewechselt wurde. „Durch die umfassende Systemumstellung sowie weitere IT-Störungen externer Dienstleister kommt es am CTB (Container Terminal Burchardkai) seit der vergangenen Woche teilweise zu Verzögerungen in der Lkw-Abfertigung“, bestätigte eine HHLA-Sprecherin. Nach einer kurzfristigen Absenkung der Slotkapazitäten laufe der Betrieb jetzt wieder „stabil“.

Massive Verschiebung der Schiffsanläufe
Der Terminalkonzern Eurogate begründet die angespannte Lage am Standort Hamburg mit einer „massiven Verschiebung von Großschiffsanläufen aus dem April in den Mai“. Wegen der verspäteten Schiffsankünfte sei die Terminalauslastung stark angestiegen. Der dadurch erhöhte Umstaubedarf und längere Fahrstrecken für Umschlaggeräte wirkten sich auch negativ auf die Verladeleistung für Lkw aus.

„Wir reagieren natürlich darauf im Rahmen unserer Möglichkeiten. Seit Ende April setzen wir die maximal mögliche Anzahl von Geräten und Personal für die Lkw-Verladung ein“, sagt Eurogate-Sprecher Steffen Leuthold. Allerdings musste die Flexibilität bei der Zeitfensterbuchung für die Containerlogistiker eingeschränkt werden.

No-Show-Sanktionen verschärft
Umbuchungen und Stornierungen von Slots bei Eurogate in Hamburg sind jetzt nur noch bis 36 Stunden vor Beginn der Slotzeit ohne Auswirkungen möglich. Wird kurzfristiger umgebucht, gilt dies als „No Show“. Ab einer No-Show-Quote von 50 Prozent drohen Sanktionen für Truckingfirmen. „Wenn es bei diesen Bedingungen bleibt, ist Hamburg kein Hafen mehr, den man anfahren kann“, konstatiert Zippel-Chef Axel Plaß. In anderen Häfen der Nordrange wie Bremerhaven oder Rotterdam, die ebenfalls mit der Ballung von Schiffsanläufen konfrontiert sind, funktioniere die Lkw-Abfertigung besser. „Die Lage ist berechenbarer, die Verantwortlichen dort gesprächsbereiter.“

In Hamburg kapselten sich die Terminalbetreiber hingegen ab, „anstatt dass sie offen mit dem Problem umgehen“, kritisiert Plaß. Sowohl Zippel als auch EKB warnen ihre Kunden vor noch größeren Engpässen bei Lkw, Chassis und Fahrern, wenn die Unternehmen auf ihren erhöhten Kosten sitzen bleiben und die Preise unverändert bleiben. So sei zu befürchten, dass „weitere Fuhrunternehmen ihren Betrieb einstellen und sich das landseitige Angebot an Transportkapazität qualitativ und quantitativ weiter verknappt“. Bei Zippel kennt man Fälle, in denen sich Fuhrunternehmer bereits aus dem Seehafengeschäft verabschiedet haben, um lieber im Umland Hühnerkot oder Gülle zu fahren.

Bahnoperateure auch betroffen
Auch ist zu befürchten, dass neben dem Truckingsektor bald die Eisenbahnoperateure mit ähnlichen Zuschlägen oder Preiserhöhungen für Hamburg und weitere Häfen nachziehen. Der Container-Bahnbetreiber Eurogate Intermodal wies vor einigen Tagen auf „immer größere Verspätungen und dadurch abgebrochene Verladungen und in Teilen auch komplette Zugausfälle“ hin.

Auf allen Korridoren müssten Kunden derzeit mit mindestens fünf Stunden Verspätung sowohl im Import als auch im Export rechnen. Gründe dafür seien eine schleppende Abfertigung in den Seehäfen und diverse Baustellen auf den nord- und südgehenden Strecken.

Quelle:
DVZ

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