Verkehrsminister planen keine EU-Strompreishilfe für die Bahn

Für die europäische Bahnbranche ist es eine Enttäuschung: Die EU-Verkehrsminister haben derzeit nicht vor, die Unternehmen wegen der hohen Energiepreise durch EU-weite Programme zu unterstützen, etwa durch eine Verlängerung der generellen Erlaubnis von Trassenpreisrabatten. Einzelne Mitgliedstaaten planten, Trassennutzungsgebühren zu ermäßigen oder Aufschläge zu streichen, aber „das wird kein allgemeiner EU-Ansatz“, sagte Tschechiens Verkehrsminister Martin Kupka, amtierender Vorsitzender des EU-Verkehrsministerrates, nach einem Treffen mit seinen Amtskollegen in Prag.

In Tschechien etwa machten die Trassenpreise keinen sehr großen Anteil an den Kosten der Bahnunternehmen aus, begründete Kupka das im Gespräch mit der DVZ. Seine Regierung unterstütze die Branche aber durch die Deckelung des Preises für Bahnstrom. Belgien setze auf Kompensationszahlungen. Er sei durchaus der Meinung, dass die Bahnunternehmen angesichts der hohen Strompreise unterstützt werden müssen, und die meisten Mitgliedstaaten wollten das so gut wie möglich tun, um einen Anstieg der Transportpreise zu vermeiden. Doch hielten die Verkehrsminister die exorbitanten Preise für ein vorübergehendes Problem, um das sie sich zunächst national kümmern wollen, sagte Kupka.

Wissing gegen Rückkehr zu Diesel-Loks
Auch Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) sieht die Regierung gefordert. „Wir müssen permanent prüfen, wo wir helfen müssen, wo wir helfen können“, sagte er der DVZ. Deutschland sei gut vorbereitet. Wichtig sei, den Wettbewerb in der EU nicht zu verzerren und den Bahnverkehr nicht wegen der hohen Strompreise zu reduzieren. „Wir brauchen die Bahn als Verkehrsträger, und ich mache mir Sorgen darüber, dass einige bereits angekündigt haben, darüber nachzudenken, von der E-Lok wieder auf Dieselbetrieb umzusteigen. Das hat keinen Sinn. Wir können nicht überall, so wie wir es im Energiesektor schon tun, unsere Klimaschutzziele beiseiteschieben und wieder mit fossilen Energieträgern arbeiten“, sagte Wissing. Nach dem Treffen hieß es, die Minister seien sich einig, dass der generelle Trend, die Bahn weiter zu elektrifizieren, trotz der hohen Strompreise nicht gestoppt werden soll.

„Die hohen Energiepreise treffen alle Wirtschaftssektoren, einschließlich der Bahn“, sagte Estlands Infrastrukturministerin Riina Sikkut. Sie schlügen sich auf die Transportpreise durch. Doch wie bei der Energie sei auch im Bahnverkehr Versorgungssicherheit wichtiger als das Preisniveau, sagte Sikkut zur DVZ. „Gute Bahnverbindungen und Dienstleistungen sind wichtiger als die Energiepreise“. Für Estland sei die Fertigstellung der Rail Baltica das wichtigste Projekt.

Branche warnt vor Preissteigerungen
Ohne Unterstützung auf europäischer Ebene könnten die Preise im Schienengüterverkehr in den kommenden Wochen um zweistellige Prozentwerte steigen, hatten die European Rail Freight Association ERFA, der internationale Verband der Güterwagenhalter UIP und der internationale Verband für den Kombinierten Verkehr UIRR vor dem Verkehrsministertreffen gewarnt. Während für die konkurrierenden Straßengüterverkehrsunternehmen die Dieselpreise um rund 70 Prozent gestiegen seien, hätten Bahnunternehmen je nach Mitgliedstaat Strompreiserhöhungen von 300 bis 1.000 Prozent zu schultern.

Wünsche der Bahnverbände nicht diskutiert
Neben einer Verlängerung der in der Covid-Pandemie erteilten EU-Erlaubnis, Trassenpreise zu ermäßigen, sprachen sich die drei Verbände dafür aus, Bahnunternehmen mit dem Geld zu unterstützen, das in der EU über die neue Verordnung EU/2022/1854 bei Energieerzeugern abgeschöpft werden soll, die derzeit hohe „Zufallsgewinne“ machen. Die Verbände hatten die Minister aufgerufen, festzuschreiben, dass speziell der Schienengüterverkehr zum Kreis derjenigen gehört, die durch die eingesammelten Mittel unterstützt werden. Diese Möglichkeit wurde jedoch in Prag nicht diskutiert, sagte Kupka zur DVZ.

„Unser Fokus liegt zunächst darauf, allgemein die hohen Strompreise zu senken“, sagte Kupka. Während die Verkehrsminister in Prag tagten, diskutierten die EU-Staats- und Regierungschefs beim Gipfeltreffen in Brüssel, wie das erreicht werden kann. Ein Weg soll über die Senkung der Gaspreise durch mehr Möglichkeiten für gemeinsame Gaseinkäufe der Mitgliedstaaten führen. Am Dienstag sollen die Energieminister die Debatte weiterführen.

Liste mit Energiesparideen zusammengestellt
Der niederländische Infrastrukturminister Mark Harbers sagte, kurzfristig könne man den Bahnunternehmen helfen, indem die Mitgliedstaaten Ideen austauschen, wo bei der Bahn Energie gespart werden kann. Das taten die Minister in Prag. Sie stellten eine Liste von Energiesparmöglichkeiten zusammen. Einige seien leicht zu verwirklichen, weil es dabei um operationelle Veränderungen gehe, sagte Kupka. Man könne Züge zum Beispiel ein klein wenig langsamer fahren lassen oder die Temperatur in den Zügen etwas vermindern.

Wenn der Lauf von Güterzügen so geplant werde, dass sie möglichst wenig anhalten und wieder anfahren müssen, lasse sich ebenfalls Energie sparen. Weitere Einsparmöglichkeiten gebe es beim Beheizen von Weichen im Winter. „Da sollten wir uns in der EU absprechen, was wirklich beheizt werden muss“, sagte Kupka.

Andere Punkte auf der Liste erfordern Investitionen. Etwa der Einsatz von modernen Loks und Waggons, die Energie zurückgewinnen können, etwa beim Bremsen. Oder der Austausch von konventionellen Lampen gegen energiesparende LED-Leuchten, zum Beispiel auf Rangierbahnhöfen und entlang von Trassen. Auch die Vereinheitlichung der Stromversorgung in der EU (zu Wechselstrom) sehen die Minister als Sparmöglichkeit an. Zu den weiteren Punkten auf der Liste gehören:

  • Investitionen in neue, nachhaltige Energiequellen.
  • Erschließung weiterer, permanenter Energiequellen, ausdrücklich auch durch Nutzung von Atomenergie.
  • Einführung verpflichtender Programme zur Messung des Energieverbrauchs.
  • Kompensationszahlungen an Bahnunternehmen.
  • Subventionierung öffentlichen Verkehrs im Rahmen von gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen (PSO – Public Service Obligations)

CER beurteilt Sparpotenzial skeptisch
Der Ratsvorsitzende Kupka schätzt, dass auf diesem Weg insgesamt rund 10 Prozent Energie eingespart werden können. Die Gemeinschaft der europäischen Bahnunternehmen und Infrastrukturbetreiber CER ist allerdings skeptisch, ob sich das Preisproblem bei der Bahn durch Energiesparen in den Griff bekommen lässt. Die EU strebe derzeit an, Strom hauptsächlich zu Zeiten der höchsten Nachfrage zu sparen und so das Zuschalten der sehr teuren Gaskraftwerke zu vermeiden, was den Strompreis senken könnte. Dieses Prinzip würde bei der Bahn aber bedeuten, dass Züge zu Hauptverkehrszeiten ausfallen würden. „Man muss darüber nachdenken, ob man das wirklich will“, sagte CER-Exekutivdirektor Alberto Mazzola.

Ebenso zurückhaltend beurteilt er die Möglichkeiten, Energienachfrage auf andere Zeiten zu verlagern. „In der Stahl- oder Aluminiumindustrie kann man das vielleicht machen. Bei der Bahn ist das nicht dasselbe“, sagte Mazzola zur DVZ. Züge, die zu bestimmten Zeiten gebraucht würden, ließen sich nicht so einfach auf andere Zeiten verlegen.

Quelle:
DVZ

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