Indischer Logistik-Tycoon im Visier von Shortsellern

Der Angriff beginnt in den Morgenstunden des 25. Januar um 3.45 Uhr in New York City. In den Räumen seines Firmensitzes postet der Shortseller Hindenburg Research (HR) eine Salve von 32 Tweets. Sie treffen ihr Ziel in Indien um 13.15 Uhr Ortszeit.

„Adani Group – Wie der drittreichste Mann der Welt den größten Betrug der Unternehmensgeschichte durchzieht“, ist der Twitter-Thread überschrieben; ein Klick führt zu einer Analyse über angebliche Straftaten im Firmenimperium des 60-jährigen Inders samt seiner Holdinggesellschaft Adani Enterprises.

Absturz ohnegleichen
Der Bericht listet minutiös Hunderte von Indizien auf, die belegen sollen, dass Adani gemeinsam mit Vertrauten innerhalb seines weitverzweigten Firmengeflechts mit einer Marktkapitalisierung von rund 218 Milliarden US-Dollar jahrelang systematisch die Finanzmärkte manipuliert und Bilanzbetrug in einer bislang unbekannten Größenordnung begangen haben soll.

Kurze Zeit nach Veröffentlichung des Berichts taumeln die Aktienkurse der Unterehmensgruppe sowie der zur Holding gehörenden eigenständigen börsennotierten Unternehmen; es wird Kapital in Höhe von rund 140 Milliarden Dollar vernichtet – rund sechsmal so viel wie im Fall Wirecard.

Adani selbst war vor der Veröffentlichung des Berichts mit einem Privatvermögen von rund 125 Milliarden Dollar der drittreichste Mensch der Welt sowie der reichste Inder; jetzt verliert er innerhalb weniger Wochen zwei Drittel seines Vermögens. Aktuell listet ihn das Magazin Forbes mit 47,3 Milliarden Dollar auf Rang 25.

Nationalistischer Zungenschlag
Adani lässt über einen Unternehmenssprecher mitteilen, die Vorwürfe seien haltlos. Der Angriff richte sich im Übrigen nicht nur auf Adani und sein Unternehmen; es sei auch eine Attacke des Westens gegen Indien.

Dieser Zungenschlag verfängt in einem Land, in dem die nationalistische Regierung von Premierminister Narendra Modi – ein enger Freund von Adani – eine rigide India-First-Politik betreibt. Diese soll den heimischen Markt mit zum Teil sehr protektionistischen Gesetzen vor westlichen Unternehmen abschirmen.

Adanis Aufstieg wäre ohne seine Nähe zu Modi nicht möglich gewesen. Beide Männer stammen aus der Region Gujarat, wo Modi als Generalsekretär der hindu-nationalistischen Bharatiya Janata Party (BJP) agierte und in der Regionalpolitik Erfolge feierte, bevor er 2014 zum Premierminister gewählt wurde.

Im Jahr 2001 überlässt die Regionalregierung Adani eine Konzession über 30 Jahre für den Betrieb und die Entwicklung des damals unbedeutenden Hafens Mundra. Adani erhält mit seiner Gujarat Adani Port Limited eine mehr als 3.800 Fußballfelder große Fläche für nur rund 580.000 Dollar zuzüglich einer jährlichen Pachtsumme von weniger als 30.000 Dollar.

Die Regionalregierung veranlasst zudem, den sumpfigen Küstenstreifen trockenzulegen und Bewohner umzusiedeln.

Kaum zu überblickendes Firmengeflecht
Der Hafen wird zum Ausgangspunkt eines steilen Aufstiegs; Adani investiert in den folgenden Jahren in ein kaum zu überblickendes Firmengeflecht. Heute ist Mundra der nach Güterumschlag größte Hafen in Privatbesitz; er ist einer von 13 Häfen, die der Tycoon inzwischen über Adani Port Logistics kontrolliert.

Der jährliche Seegüterumschlag des Unternehmens liegt aktuell bei 300 Millionen Tonnen, rund 4,5 Prozent mehr als der nach Umschlag zweitgrößte europäische Hafenstandort Antwerpen-Brügge. Der Containerumschlag von Mundra liegt mit 5,6 Millionen TEU in der Top 30 weltweit; insgesamt kommen Adanis Häfen mit mehr als 8 Millionen TEU auf das Niveau von Hamburg. Damit kontrolliert Adani 43 Prozent des indischen Containerumschlags und die Hälfte der Erlöse indischer Häfen.

Auch in der indischen Luftfracht führt an Adani kein Weg vorbei. Er kontrolliert rund 40 Prozent der von und nach Indien gehenden Tonnage. Sein Unternehmen Adani Airports besitzt sieben Flughäfen, unter anderem den nach Tonnage größten Frachtflughafen Mumbai International Airport.

Inzwischen hat sich der indische Supreme Court in die Auseinandersetzung eingeschaltet und eine gründliche Untersuchung der Anschuldigungen angeordnet. Ein sechsköpfiges Gremium soll klären, ob Adani Gesetze verletzt hat. Bislang hat er zu den Vorwürfen geschwiegen. Doch das wird er gegenüber seinen Investoren und dem Untersuchungsausschuss wohl nicht mehr lange durchhalten.

Quelle:
DVZ

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