Rheinschiffe können zu wenig laden

Die Dürre behindert die Logistik auf Europas wichtigster Wasserstraße. Schon jetzt müssen Rheinschiffe die Ladung um 40 Prozent reduzieren. Immerhin haben Unternehmen Lager aufgebaut, um die Folgen zu mildern.

Die Gefahr von anhaltend niedrigem Wasser im Rhein ist nach Einschätzung des Beratungsunternehmens Everstream Analytics aktuell so groß wie sie seit dem historischen Niedrigwasser im Jahr 2018 nicht mehr gewesen ist. Denn das Flusswasser an der kritischen Stelle bei der Stadt Kaub in Rheinland-Pfalz sei seit Mitte Mai auf den tiefsten Stand seit 30 Jahren gesunken. Das erschwert den Schiffsverkehr nicht nur an der kritischen Stelle bei Kaub sondern auf dem ganzen, für die Logistik wichtigen Rhein.

Der Rhein gilt als die wichtigste Wasserstraße Europas noch vor der Donau oder der Elbe. Rheinschiffe transportieren große Mengen an Kohle, Öl, Chemikalien, Metallen oder Agrargütern. Wegen des niedrigen Wassers können jedoch deutlich weniger Waren befördert werden, weil Schiffe sich nicht mehr so schwer beladen lassen. Laut Everstream Analytics können Binnenschiffe auf dem Rhein derzeit 40 Prozent weniger Ladung transportieren als noch vor zwei Wochen.

Das Unternehmen ist spezialisiert auf die Beobachtung von Risiken in den internationalen Lieferketten und erwartet negative Auswirkungen auf die Industrie, wenn der Wasserstand an der Engstelle bei Kaub anhaltend unter 70 Zentimeter sinkt. Bei diesem Pegelstand mussten schon im vergangenen Jahr Energieerzeuger entlang des Rheins in Deutschland und der Schweiz die Produktion drosseln. Das habe im August, September und Oktober mindestens 7 Atom- und Kohlekraftwerke getroffen. Während Kohlekraftwerke den Rhein vor allem als Nachschubweg für die Brennstoffe benötigen, brauchen Atomkraftwerke das Flusswasser vor allem für die Kühlung.

BASF setzt auf extra flache Schiffe als Notlösung
Obwohl viele Unternehmen sich seit dem historischen Niedrigwasser im Jahr 2018 besser gewappnet haben, ist das Risiko von anhaltendem Niedrigwasser nach Einschätzung von Everstream Analytics nach wie vor sehr hoch. Denn Unternehmen könnten nur sehr begrenzt auf andere Transportwege ausweichen. Mit der Bahn lässt sich bei weitem nicht so viel transportieren wie mit Binnenschiffen.

Immerhin haben viele Unternehmen Vorkehrungen getroffen, um die Folgen zu mildern. „Bisher sehen wir an unseren Daten, dass insbesondere Industrieunternehmen besser auf Niedrigwasser vorbereitet sind, und weniger Betriebseinschränkungen verzeichnen“, sagt Mirko Woitzik von Everstream Analytics. Neben flacheren Rheinschiffen und einem größeren Vorrat an Vorprodukten hätten viele Kunden mehr Lagerkapazität für Endprodukte geschaffen, falls diese nicht mehr so schnell abtransportiert werden können. Auch hätten Unternehmen flexiblere Pläne für Wartungsarbeiten ihrer Werke entworfen, die eventuell vorgezogen werden müssen. Zudem wurden zusätzliche Kapazitäten auf der Schiene gesichert, damit Fracht auf die Bahn ausweichen könne.

Das Niedrigwasser von 2018 hatte zu Stillständen von 18 Industrieunternehmen entlang des Rheins geführt. Seitdem sei es jedes Jahr wieder zu Problemen für Industriebetriebe gekommen, vor allem in der Chemiebranche. Der Chemieriese BASF setzt daher seit diesem Jahr Schiffe mit wenig Tiefgang ein, die auch bei flacherem Wasser die Versorgung aufrecht erhalten können.

Grund für den Wassermangel im Rhein sind nicht nur die trockenen Sommer sondern vor allem der Schneemangel in den Alpen. Weil es in den Bergen selbst im Winter viel weniger schneit, fehlt im Sommer das Schmelzwasser in den Flüssen. Die Probleme für die Schifffahrt treffen nicht nur einzelne Unternehmen sondern die gesamte Wirtschaft. Schon Mitte Juni warnte der Ökonom Marc Schattenberg von der Deutschen Bank, dass die Erholung der Konjunktur in Gefahr sei, wenn der Wasserstand des Rheins bei Kaub auf das niedrige Niveau des Jahres 2018 sinken sollte.

Quelle:
FAZ

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