EU streckt Fühler weiter in alle Welt aus

Bei einer ersten großen Konferenz zum EU-Konnektivitätsprogramm „Global Gateway“ wurden einige Fortschritte beim Schmieden von Rohstoff- und Energiepartnerschaften verkündet Auch am Ausbau von Verkehrswegen in aller Welt will sich die EU beteiligen. Konkrete Projekte gibt es etwa in Afrika und den östlichen EU-Nachbarstaaten.

Verkehrsverbindungen und Energiepartnerschaften stehen weit oben auf der Tagesordnung, wenn EU-Vertreter mit Staaten aus aller Welt über eine Zusammenarbeit im Rahmen der EU-Konnektivitätsstrategie Global Gateway sprechen. Etwa bei einer Konferenz mit über 40 hochrangigen Regierungsvertretern in Brüssel. Dort unterzeichnete die EU-Kommission am Donnerstag zwei Absichtserklärungen (MoU – Memorandum of Understanding) über Rohstoffpartnerschaften mit Sambia und der Demokratischen Republik Kongo.

Ein weiteres MoU wurde mit den beiden genannten Staaten, Angola, den USA, der African Development Bank und der Africa Finance Corporation über die Unterstützung des Lobito-Verkehrskorridors unterschrieben. Dieser soll den südlichen Teil der DR Kongo über den nordwestlichen Teil Sambias mit dem Hafen Lobito in Angola verbinden.

Rohstoffexport über Angola
In Kongo und Sambia gibt es große Vorkommen der wichtigen Rohstoffe Kupfer, Kobalt und Lithium. Durch die angestrebten Partnerschaften würden „nachhaltige und resiliente Wertschöpfungsketten für kritische Rohstoffe sowie gute Arbeitsplätze vor Ort entstehen“, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. „Der Lobito-Verkehrskorridor wird zudem ein Game-Changer beim Ankurbeln des regionalen und globalen Handels werden.“

Bei dem Aufbau des Korridors geht es in erster Linie, aber nicht ausschließlich, um Verkehrsverbindungen. Zudem sollen der grenzüberschreitende Handel erleichtert, Prozesse digitalisiert und verschiedene Wirtschaftssektoren wie die Landwirtschaft entlang des Korridors gefördert werden. Angolas Staatsminister für wirtschaftliche Koordinierung, José de Lima Massano, sagte beim Global Gateway Forum in Brüssel, es seien bereits Konzessionen für den Ausbau des Verkehrskorridors vergeben. Aufbauend auf einer bestehenden Bahnverbindung werde ermittelt, welchen Bedarf es gebe. Gesprochen werde auch über eine mögliche Bahnverbindung von Sambia ins nördlich gelegene Ruanda, sagte Massano.

EU will Hafenausbau in Namibia fördern
„Wir bauen auch strategische Wirtschaftskorridore im südlichen Afrika, die den Atlantik und den Indischen Ozean verbinden“, sagte Kommissionspräsidentin von der Leyen. „Namibia zum Beispiel soll zu einem regionalen und globalen Energiezentrum werden. Gemeinsam arbeiten wir mit der Europäischen Investitionsbank zusammen, um Namibias immense Wind- und Solarressourcen in reichlich erneuerbare Energien umzuwandeln“. Dafür unterzeichnete von der Leyen mit Namibias Präsident Hage Geingob den Fahrplan für den Aufbau einer Wertschöpfungskette, an der sich die EU mit 1 Milliarde Euro beteiligen will.

Als grüner Wasserstoff könne diese Energie sowohl von der Wirtschaft vor Ort genutzt als auch leicht exportiert werden, sagte von der Leyen. Zum Beispiel können Schiffe nach Europa auslaufen vom Hafen Walvis Bay. An einer Studie über dessen Ausbau zu einem Industrie- und Logistikhub für die ganze Region will sich die EU ebenfalls beteiligen. Zudem soll der Hafen Antwerpen-Brügge die namibischen Behörden bei der Entwicklung des Hafens Walvis Bay unterstützen. Dieser sei „natürliches Zugangstor“ für den Handel mit der Southern African Development Community, einer Region mit über 300 Millionen Einwohnern.

China ist dort allerdings auch bereits aktiv. So baute die China Harbour Engineering Company im Hafen Walvis Bay ein neues Containerterminal – zu über 70 Prozent mit einem Darlehen der Afrikanischen Entwicklungsbank.

Elf „strategische Korridore“ in Afrika
Walvis Bay ist einer der Endpunkte einer geplanten durchgehenden Verbindung im südlichen Afrika zwischen Atlantik und dem Indischen Ozean. Sie soll über Gaborone (Botswana) bis Maputo (Mosambik) laufen. Es handelt sich um einen von elf strategischen Verkehrskorridoren in Afrika, die die EU durch ihr Global-Gateway-Investitionspaket unterstützen will. Insgesamt sollen bis 2027 möglichst 300 Milliarden Euro für Investitionen in die Infrastruktur für Verkehr, Energie, Kommunikation, Gesundheitsversorgung, Bildung und Forschung in aller Welt mobilisiert werden. Wobei der Großteil des Geldes von privaten Geldgeben und Finanzinstitutionen kommen soll, angereizt durch Garantien aus dem EU-Haushalt.

Neue Mittel für den Westbalkan zugesagt
Der für Erweiterung und Nachbarschaftspolitik zuständige EU-Kommissar Oliver Varhelyi sagte bei der Brüsseler Konferenz, es seien bereits erhebliche Beiträge privater Geldgeber mobilisiert worden. Über 8 Milliarden Euro etwa für über 30 Verkehrsprojekte in den Westbalkanländern. Varhelyi nannte hier den Ausbau von Bahnstrecken im „Paneuropäischen Korridor X“ zwischen Griechenland, Bulgarien, Serbien und Nordmazedonien als Erfolg. „Hier haben wir mit China konkurriert und wir haben gewonnen“, sagte er. „Weil wir die besseren Projekte haben“.

Die EU-Kommission kündigte beim Global Gateway Forum an, dass sie gemeinsame mit der Europäischen Investitions Bank (EIB) 16 Millionen Euro für mehr Verkehrssicherheit auf der Ost-West-Autobahn durch Georgien verfügbar machen und die Modernisierung von zwei Bahnstrecken in Moldau mit 12 Millionen Euro fördern will. Am Donnerstag wurden drei Fördermittelabkommen zur Unterstützung besserer Verkehrsverbindungen zwischen Rumänien und Moldau unterzeichnet. Dafür sollen 45 Millionen Euro aus dem EU-Finanzierungsinstrument CEF (Connecting Europe Facility) fließen.

Auf rumänischer Seite sollen 18 Kilometer Straße zum Grenzübergang Ungheni modernisiert werden, auch um dort die Zollabwicklung zu erleichtern. Moldau will eine neue Zubringerstraße und einen neuen Grenzübergang bauen. Beim Übergang Albita-Leuseni soll die bestehende Infrastruktur auf beiden Seiten der Grenze modernisiert werden, damit der Verkehr besser fließen kann. Im Drei-Länder-Eck Rumänien-Moldau-Ukraine sollen im moldauischen Donauhafenort Giurgiulesti mehr Parkplätze geschaffen und Ausrüstung für den Zoll gekauft werden. Das werde den „Verkehr über die Grenze zwischen Moldau und Rumänien deutlich erleichtern“, erklärte EU-Verkehrskommissarin Adina Valean. Die Ukraine und Moldau nutzen diese Route seit Russlands Blockade der Seewege im Schwarzen Meer deutlich mehr für ihre Ex- und Importe.

Länder des „mittleren Korridors“ interessiert
Moldaus Premierminister Dorin Recean betonte in Brüssel, dass er auf den Ausbau der Verkehrsverbindungen in die EU setzt. Auch Irakli Garibashvili, Premierminister Georgiens, sieht sein Land als Partner für Global Gateway. Er unterstrich das Potenzial Georgiens als Transportdrehscheibe auf dem „mittleren Korridor“ der Landverbindung zwischen Europa und Asien und als Lieferant von nachhaltig erzeugter Energie.

Interesse an dem EU-Investitionsprogramm äußerten auch die Verkehrsminister der Türkei und Kasachstans, Abdulkadir Uraloglu und Marat Karabayev, sowie der Wirtschaftsminister Turkmenistans, Serdar Jorayev. Sie berichteten über verschiedene Pläne zum Ausbau der Verkehrsinfrastruktur, mit denen die Transportkapazität auf dem „mittleren Korridor“ erhöht werden soll.

Keine Aussagen zum Korridor nach Indien
Zu den Plänen für einen Wirtschafts- und Verkehrskorridor von Indien über den Nahen Osten nach Europa (IMEC), die beim G20-Gipfel im September angekündigt wurden, äußerte sich bei der Brüsseler Konferenz keiner der Teilnehmer des Panels zu Transportverbindungen, obwohl das Thema auf dem Programm stand. Die Kämpfe zwischen Israel und den Palästinensern dürften den Bau einer Bahnverbindung über Saudi-Arabien, Jordanien und Israel ans Mittelmeer sicherlich erschweren. Dass sie aufgegeben werden könnten, sei derzeit reine Spekulation, hieß es zuletzt in der EU-Kommission dazu. Bis zum 8. November wird eigentlich die Vorlage eines Aktions- und Zeitplans für IMEC erwartet.

Quelle:
DVZ

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