Europäische Hafenallianz gegen Drogenschmuggel geplant

Drogenhandel wird in der EU zu einer immer größeren Gefahr – auch für die Häfen. Die EU-Kommission hat jetzt einen Plan vorgelegt, wie stärker gegen die kriminellen Netzwerke vorgegangen werden könnte.

Anfang August meldeten Drogenfahnder im Rotterdamer Hafen einen neuen Rekordfang: 8 Tonnen Kokain wurden dort sichergestellt. Bestand hatte dieser Rekord allerdings nur zwei Wochen lang, dann wurden im Hafen des spanischen Algeciras sogar 9,5 Tonnen Drogen beschlagnahmt.

In den vergangenen Jahren sind die Probleme deutlich größer geworden. 2021 wurden in der EU 303 Tonnen Kokain sichergestellt, das ist über viermal so viel wie zehn Jahre zuvor. „Europa hat die USA nun als größten Kokainmarkt der Welt abgelöst und ist rasch zu einem Drehkreuz für den weltweiten Drogenhandel geworden“, sagte EU-Kommissionsvizepräsident Margaritis Schinas bei der Präsentation eines Aktionsplans zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität und des Drogenhandels.

Da über 70 Prozent der in die EU geschmuggelten Drogen in Häfen gefunden werden, bildet der Schutz von EU-Häfen und Logistikzentren einen Schwerpunkt in dem Papier. Kriminelle Banden nutzten zahlreiche Methoden, um Drogen in Containern per Schiff nach Europa zu bringen, heißt es im Text. So würden etwa Container-Referenz-Codes gestohlen oder Registrierungsnummern von Boxen geklont. Ausgesucht würden möglichst Container, die weniger häufig vom Zoll kontrolliert werden.

Spezielle Teams warteten dann auf günstige Gelegenheiten, um Schmuggelware aus den Boxen und Häfen herauszuholen. Dabei versuchten die Kriminellen, durch Korruption oder Bedrohung Hafeninsider auf ihre Seite zu ziehen und Umschlagbetriebe sowie Transport- und Logistikunternehmen zu infiltrieren.

Fachkräfte werden abgeschreckt
Diese Bedrohungen betreffen nach Ansicht von Experten nicht nur große Hafenstädte. Kriminelle Netzwerke passen ihre Schmuggelrouten bei Bedarf rasch an und weichen auf weniger gut geschützte oder kleinere Häfen aus, heißt es auch in dem Kommissionspapier. Die Banden würden größer, komplexer und auch gewalttätiger.

Die Sorge um die eigene Sicherheit könne Fachkräfte abschrecken, in der Logistik zu arbeiten, hört man in der Branche. Die Verfolgung von Drogenschmugglern gleiche nicht mehr einem Katz-und-Maus-Spiel, sondern eher „einem Kampf gegen Bären“. Selbst Unbeteiligte sind bei Auseinandersetzungen zwischen Drogenbanden schon ums Leben gekommen. So wurde in Antwerpen im Januar ein elfjähriges Mädchen erschossen, auch im französischen Nimes und in Stockholm starben in diesem Jahr zwei Kinder.

Wo es Lücken und Schwächen beim Kampf gegen Drogenschmuggel gibt, lässt die Kommission bereits untersuchen, nicht nur in Häfen, sondern auch im Hinterland, etwa bei Bahn- und Straßentransportunternehmen. Ergebnisse werden in diesem und im nächsten Jahr erwartet, ein Bericht über bewährte Praktiken im Kampf gegen die Drogenkriminalität in Häfen soll dem EU-Ministerrat Anfang 2024 vorgelegt werden. Um die Erkenntnisse für die Praxis zu nutzen, schlägt die Kommission die Bildung einer „Europäischen Hafenallianz“ vor.

Allianz gegen Unterwanderung
In deren Rahmen will die Kommission etwa Akteure aus öffentlichen und privaten Einrichtungen wie Stadt- und Hafenverwaltungen, Justizbehörden, Transport- und Logistikunternehmen zusammenbringen, damit diese gemeinsam etwas dagegen tun, dass Kriminelle die Wirtschaft unterwandern und bereits junge Menschen in Schule und Ausbildung anwerben. Wichtig sei etwa, dass die Akteure den Hintergrund ihrer Beschäftigten gut überprüften und sie davor schützten, von Drogenschmugglern korrumpiert oder unter Druck gesetzt zu werden. Auch müssten die notwendigen Mittel mobilisiert werden, um Hafenanlagen mit Kameras, Sensoren und Scannern zu sichern und den Weg von Containern nachzuverfolgen.

Mehr Geld für den Zoll versprochen
„Erste Verteidigungslinie“ gegen die Drogenschmuggler sei der Zoll, schreibt die Kommission. Die Hafenallianz soll zu einer besseren grenzüberschreitenden Zusammenarbeit der Zollbehörden beitragen. Vorgeschlagen wird etwa die Bildung einer Expertengruppe, die hilft, „blinde Flecken“ in Häfen und Lieferketten zu finden und Kriterien für eine bessere Risikoanalyse zu entwickeln.

Ab 2024 sollen im EU-Haushalt dann über 200 Millionen Euro bereitgestellt werden, damit Zollbehörden moderne Ausrüstung anschaffen können, etwa zum Scannen von Containern und Fahrzeugen oder für Labore, in denen mutmaßliche Drogen untersucht werden. So könne man Drogenausgangsstoffe besser aufspüren, die ebenfalls zunehmend geschmuggelt würden und teils auch für eine legale Verwendung deklariert werden könnten.

Suche nach den Hintermännern
Die Hafenallianz soll zudem Akteure der Strafverfolgung zusammenbringen. Manchmal sei es vielleicht sinnvoller, wenn der Zoll einen Container nicht direkt beschlagnahme, sondern die Polizei seinen Transport ins Hinterland beobachte, um eventuell Hintermännern auf die Spur zu kommen, schreibt die Kommission. Durch abgestimmte „digitale Ermittlungen“ könne man versuchen, den Missbrauch von Software für Kontrollsysteme in Häfen aufzudecken. Auch bei Korruptionsermittlungen könnten Justizbehörden zusammenarbeiten oder als Kontaktstelle für Hinweisgeber fungieren.

Die Kommission plant eine Bestandsaufnahme der größten kriminellen Netzwerke. Gegen die soll dann vorgegangen werden, indem spezialisierte Staatsanwälte und Richter zusammenarbeiten und die Überwachung von Finanzströmen und des Darknets verbessert werden.

Nachdem es im Juni niederländischen und französischen Strafverfolgern mit Unterstützung von Europol und der EU-Justizkooperationsbehörde Eurojust gelang, das verschlüsselte Kommunikationsmittel Encrochat zu knacken, seien 6.558 Personen im Zusammenhang mit Drogenkriminalität festgenommen und 900 Millionen Euro sichergestellt worden, schreibt die Kommission.

Ergänzt werden sollen diese Pläne „durch eine intensive Zusammenarbeit mit Partnern weltweit, um die wichtigsten Versorgungsrouten zu vernichten – zunächst mit unseren lateinamerikanischen Partnern, die ich Ende des Monats besuchen werde“, sagte Kommissionsvizepräsident Schinas.

Quelle:
DVZ

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