Alpentransit: Schiene verliert Marktanteile

Im Schweiz-Transit sind die Verluste der Bahn im ersten Halbjahr größer als die des Lkw. Damit sinkt der Marktanteil des Schienengüterverkehrs gegenüber der Straße.

Die Schweizer sind ein Bahnvolk. Dementsprechend dürfte ihnen die Statistik, die das Bundesamt für Verkehr (BAV) in Bern veröffentlicht hat, nicht gefallen. Im ersten Halbjahr 2023 verringerte sich zwar das Lkw-Transportvolumen im Alpentransit um 2,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Die Schiene musste aber deutlich höhere Einbußen verkraften (minus 6 Prozent). Damit sank der Marktanteil der Güterbahnen im Alpentransit von 73,4 Prozent (erstes Halbjahr 2022) auf 72,7 Prozent. Doch nach wie vor dominiert die Schiene eindeutig im Vergleich zur Straße (siehe obere Grafik rechts).

Auch wenn die Zahl der Transit-Lkw in der Schweiz rückläufig war, und zwar von 476.000 auf 463.000: Das gesetzlich verankerte Ziel, die Zahl auf jährlich 650.000 Fahrten zu begrenzen, wird auch 2023 angesichts der vielen Lkw im ersten Halbjahr nicht erreicht werden.

Nur 50 Prozent der Züge pünktlich
Als Begründung für den Rückgang auf der Straße wie auch auf der Schiene nennt das BAV die schwächere Wirtschaftsentwicklung in Europa. Die höheren Einbußen auf der Schiene führt das BAV unter anderem auf die weiterhin ungenügende Zuverlässigkeit der Bahn im Transitverkehr zurück. Nur rund 50 Prozent aller Güterzüge hätten ihr Ziel pünktlich erreicht.

Besonders betroffen von den Rückgängen auf der Schiene im ersten Halbjahr 2023 war die Simplon-Strecke. Hier brach das Transport-aufkommen um 14,2 Prozent ein, während über den Gotthard-Basistunnel das Minus nur 2,6 Prozent betrug. Die Verkehrsachse über den Gotthard hat die konjunkturellen Folgen auch deshalb weniger zu spüren bekommen, weil auf dessen Route mit der Inbetriebnahme des Ceneri-Basistunnels Ende 2020 ein 4-Meter-Korridor möglich wurde. Diese Verbesserung macht sich immer noch positiv bemerkbar.

Das dürfte auch ein Grund sein, warum unter den Bahnen BLS Cargo Marktanteile im Alpentransit verloren hat. Denn BLS Cargo ist vor allem auf der Simplon-Route stark. SBB Cargo International (Anteilseigner: SBB mit 75 Prozent und Hupac mit 25 Prozent) kann deutlich zulegen, während DB Cargo im ersten Halbjahr minimale Marktanteilsverluste (minus 0,4 Prozentpunkte) hinnehmen musste (siehe untere Grafik).

Noch ausgeprägter als in Europa und Deutschland ist im Transit durch die Schweiz die Dominanz des Kombinierten Verkehrs (KV): 71,4 Prozent des Aufkommens auf der Schiene erfolgt im unbegleiteten KV. Dazu kommen noch 4,8 Prozent auf der Rollenden Landstraße (RoLa). Auf den Wagenladungsverkehr entfällt ein Anteil von 23,8 Prozent.

Ein wichtiger Erfolgsfaktor für den Schienengüterverkehr ist die Pünktlichkeit. Das BAV befragt die Bahnen respektive Operateure zu den Verspätungen im KV. Messfaktor ist dabei, wann ein Zug für die Entladung bereit ist, also der Transport von Kran zu Kran. Hier gibt es in den ersten sechs Monaten 2023 eine geringfügige Verbesserung. So erreichten im Durchschnitt 45,6 Prozent der Züge ihr Ziel pünktlich (Verspätungen zwischen 0 und 30 Minuten). Im gleichen Zeitraum des Vorjahres waren es 44,1 Prozent. Doch richtig zufriedenstellend sind diese Werte nicht.

Die Folgen der Zugentgleisung
Gespannt darf man sein, welche Folgen die (Teil-)Sperrung des Gotthard-Tunnels aufgrund der Zug- entgleisung im August für die Entwicklung des Alpentransits hat. Auf jeden Fall dürften deutlich mehr Züge über die Simplon-Strecke gefahren sein. Aus dem Gewerbe ist aber auch zu hören, dass es zu Verlagerungen auf die Straße gekommen ist.

Wie sich das Angebot auf der Gotthard-Route in den kommenden Monaten gestalten wird und wann die zweite Röhre wieder befahrbar ist, dazu will sich SBB-Chef Vincent Ducrot am heutigen Donnerstag äußern. Als sicher gilt, dass die Infrastruktur nach wie vor eine Achillesferse im Alpentransit bleibt. Denn für 2024 hat das BAV bereits 17 Baustellen auf dem europäischen Schienengüterverkehrs-Korridor Rhein-Alpen (Rotterdam–Genua via Schweiz) ausgemacht, verbunden mit Einspurbetrieben oder Vollsperrungen. Darunter befinden sich 10 Baustellen in der Südschweiz oder Italien. Gebaut und saniert wird also nicht nur in Deutschland.

Quelle:
DVZ

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