Kampf um die künftigen Logistikkorridore

Mit Global Gateway treibt die EU weltweit Verkehrsinfrastrukturprojekte voran. China macht das schon lange, Indien und Russland neuerdings auch. Für Logistiker ist dies ein zwiespältiger Länder-Wettstreit.

ie Welt ist im Investitionsfieber. Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht eine Absichtserklärung für den Aufbau eines neues Transportkorridors abgegeben wird. Die EU hat erst vergangene Woche bei einem Forum in Brüssel ihre Pläne für die 300 Milliarden Euro umfassende Initiative Global Gateway präzisiert. Damit möchte die Staatengemeinschaft insbesondere eine Alternative zum chinesischen Belt-and-Road-Projekt bieten, welches gerade sein zehnjähriges Bestehen gefeiert hat. Doch auch andere Länder haben längst erkannt, wie wichtig Handelsverbindungen und die dazugehörigen Infrastrukturen wie Häfen sind, um sich wirtschaftlichen und damit auch geopolitischen Einfluss zu sichern.

So wollen Dubai und Russland gemeinsam die arktische Schifffahrtsroute zwischen Europa und Fernost entwickeln. Der staatliche Terminalbetreiber DP World aus dem Emirat und die russische Atomenergiebehörde Rosatom, welche die für das Befahren des eisigen Transportweges notwendigen Atomeisbrecher betreibt, haben dazu das Joint Venture International Container Logistics gegründet. Zugleich möchte Russland Medienberichten zufolge mit dem Iran Milliarden in den schnellen Ausbau des International North-South Transport Corridor investieren, an dem auch Indien großes Interesse hat. Und China legt in der nächsten Entwicklungsphase seiner Seidenstraßen-Initiative einen besonderen Fokus auf den mittleren, weiter südlich verlaufenden Korridor.

Es geht nicht allein um freie und leistungsfähige Transportkorridore. Die Länderinitiativen sind auch machtgetrieben.

Aus Sicht der Logistikbranche ist das umfassende Engagement der genannten Staaten und Staatenverbünde zunächst ein gutes Signal. Denn wenn Handelswege erschlossen, Infrastrukturen ertüchtigt oder neu gebaut werden, so vereinfacht dies den Warenverkehr. Das wiederum nützt der Branche, die damit Geld verdient.

Dass es in vielen Regionen der Erde bei der Infrastruktur noch Nachholbedarf gibt, zeigen Indikatoren wie der Liner Shipping Connectivity Index der UN-Handelsorganisation UNCTAD. Er verdeutlicht immer wieder, dass gerade die Wirtschaft in Ländern mit einer Binnenlage, wovon es besonders viele in Afrika und Zentralasien gibt, unter unverhältnismäßig langen Transportzeiten und hohen Transportkosten leidet. Wird gezielt in Schienen- und intermodale Infrastruktur investiert, stellt sich damit schnell ein positiver Effekt ein, so das Kalkül.

Die EU wagt sich zudem mit Global Gateway in einer Zeit aus der Deckung, in der China bei Belt and Road zunehmend unter Akzeptanz- und Finanzierungsproblemen leidet. Insofern ist es der richtige Zeitpunkt, um dem Reich der Mitte eine westliche Alternative entgegenzusetzen.

Die Wirtschaft darf aber nicht der Illusion erliegen, dass es allein um freie und leistungsfähige Transportkorridore geht. Die Länderinitiativen sind stark geopolitisch motiviert und machtgetrieben.

Daher ist es wahrscheinlich, dass die Länder künftig diese Machtinstrumente nutzen, um ihre eigenen Interessen in Handelsdisputen durchzusetzen. Neben klassischen Handelsschranken wie Zöllen könnte somit der Zugang zu solchen Korridoren eingesetzt werden, um Druck auszuüben.

Es ist daher sehr wichtig, dass die EU mit Global Gateway schnell skaliert und verlorenen Boden wettmacht. Zu lange hat die Gemeinschaft China das Feld überlassen. Nur wenn sie bei möglichst vielen Korridoren involviert ist, kann sichergestellt werden, dass europäische Unternehmen und damit auch europäische Logistiker Zugang erhalten und im Spiel bleiben. Ein wenig Fieber kann dabei durchaus heilsam sein.

Quelle:
DVZ

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