Maritime Wirtschaft kritisiert EU-Regeln für „grüne“ Investments

Die EU-Kommission gefährdet aus Sicht der maritimen Wirtschaft die Klimawende in der Schifffahrt. Stein des Anstoßes sind von der Brüsseler Behörde definierte Kriterien, welche Investitionen künftig als „grün“ gelten dürfen – mit gravierenden Konsequenzen für Finanzierungs- und Fördermöglichkeiten. In einem Brandbrief an die Bundesregierung setzen sich acht Verbände dafür ein, die entsprechenden maritimen Regeln zu stoppen und zu überarbeiten. Das Thema gehört, wie die vor kurzem präsentierten Klimaziele, zum „Green Deal“ der EU.

Die Branchenvertreter kritisieren, dass von 2026 an nur noch solche Schiffe als nachhaltig gälten, bei denen keine CO2-Emissionen direkt aus dem Schornstein kommen. „Der Ansatz, Schiffsemissionen ausschließlich am Schornstein zu bewerten und nicht die Klimaneutralität eines Antriebskonzeptes eines Schiffes insgesamt, ist falsch, löst die Klimakrise nicht und wird der Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit der maritimen Wirtschaft schweren Schaden zufügen“, heißt es in dem Schreiben. Die EU-Kommission hatte im April Details der sogenannten „Taxonomie“ präsentiert. Der delegierte Rechtsakt zu der seit 2020 geltenden Taxonomie-Verordnung soll definieren, welche wirtschaftlichen Aktivitäten substanzielle positive Auswirkungen auf das Klima und die Umwelt haben.

Schiffsfinanzierungen gefährdet
Die Details sind technisch, doch auch politisch umstritten, weil Weichen für Finanzströme gestellt werden. So fürchten die maritimen Verbände nun, dass Finanzierungsinstrumente der öffentlichen Hand und EU-Beihilferegeln entsprechend angepasst werden, so dass Schiffsfinanzierungen oder die staatliche Förderung schadstoffarmer Treibstoffe künftig unmöglich würden.

Der von der maritimen Wirtschaft kritisierte „Schornstein-Ansatz“ reduziert aus ihrer Sicht das künftige Treibstoffportfolio der Schifffahrt auf Wasserstoff, Ammoniak und Batteriestrom. Stattdessen würden Bio-Kraftstoffe und klimaneutrale Treibstoffe wie zum Beispiel synthetisches Methanol verhindert. Diese seien jedoch besser für maritime Anwendungen geeignet, während Wasserstoff und Batterien aus Sicht der Branche im Langstreckenverkehr keine Alternative sind.

In der EU sollen die Treibhausgasemissionen nach dem Willen der Kommission gegenüber 1990 bis 2030 um mindestens 55 Prozent sinken. Bis 2050 sollen in der Union dann netto keine klimaschädlichen Treibhausgase mehr ausgestoßen werden. „Die Latte liegt für die maritime Wirtschaft sehr hoch, hat sich doch das seewärtige Gütervolumen seitdem mal eben verdreifacht“, heißt es beim Verband Schiffbau und Meerestechnik (VSM), der für die deutsche Werftindustrie spricht.

Selbstverpflichtung ohne bindende Wirkung
Im Selbstbild der Schifffahrtsindustrie leisten Schiffe zwar schon heute einen Beitrag zum Klimaschutz – jedenfalls in Relation zu anderen Verkehrsträgern. „Das Seeschiff ist das wichtigste und CO2-ärmste Verkehrsmittel für den internationalen Warenaustausch“, heißt es etwa beim Verband Deutscher Reeder (VDR). Allerdings: Im weltweiten Frachtverkehr auf See geht nach wie vor nichts ohne fossile Brennstoffe mit entsprechenden klimaschädlichen Emissionen. Nach Daten der Internationalen Schifffahrts-Organisation IMO gehen 1.076 Millionen Tonnen Treibhausgas-Emissionen (2018) auf das Konto der Schifffahrt – laut IMO ein Anteil von 2,9 Prozent aller Treibhausgas-Emissionen weltweit. Die UN-Sonderorganisation mit ihren 174 Mitgliedsländern hat als Richtschnur vorgegeben, bis 2050 die Treibhausgasemissionen der Schifffahrt um mindestens 50 Prozent gegenüber 2008 zu drücken – allerdings ohne rechtlich bindende Maßnahmen festzuschreiben. Klimaneutralität wird bei der IMO für das Ende des Jahrhunderts angepeilt. „Die bislang beschlossenen Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz und zur Erfassung der CO2-Emissionen aus dem Seeverkehr reichen nicht aus“, stellt das Bundesumweltministerium zur IMO-Strategie fest.

„Der erste Eindruck ist: Die EU will es schneller und besser machen“, sagt der für die Technik zuständige VSM-Geschäftsführer Ralf Sören Marquardt zu den Vorschlägen der EU-Kommission. „Das ist schon wirklich sportlich.“ Die wichtigsten Hebel: Ähnlich wie schon der Luftverkehr soll auch die Schifffahrt künftig für den CO2-Ausstoß Verschmutzungszertifikate vorweisen müssen. Das soll Anreize liefern, Emissionen so weit wie möglich zu reduzieren. Zudem stellt sich die Brüsseler Behörde in einer neuen maritimen Treibstoffrichtlinie (FuelEU Maritime) Mindestquoten für nachhaltige Treibstoffe vor – dort aus Sicht der maritimen Verbände ausdrücklich technologieoffen.

Derzeit ist nur LNG eine echte Alternative
Gegenwärtig kann ein Reeder, der ein Schiff bestellt, nur das ebenfalls fossile LNG als Alternative zu Schiffsdiesel wählen. LNG wird ein rund 15 bis 25 Prozent geringerer CO2-Ausstoß zugeschrieben. Für die Reederei Hapag-Lloyd, die vor kurzem erst ein Dutzend LNG-fähige Containerriesen bestellt hat, ist das Flüssiggas daher „derzeit der am besten geeignete Brennstoff auf dem Weg zur Emissionsfreiheit“.

Um den Klimawandel jenseits der fossilen Kraftstoffe zu schaffen, wird in den maritimen Branchen ein großes Spektrum an alternativen Antriebskonzepten und Treibstoffen diskutiert, dem eines gemein ist: Nichts ist wirklich marktreif oder für den breiten Praxiseinsatz verfügbar. VDR-Präsident Alfred Hartmann mahnt daher: „Ohne alternative Treibstoffe kann die Schifffahrt ihr Ziel, schnellstmöglich CO2-frei zu werden, nicht umsetzen.“

Diskutiert werden neben Wasserstoff und Ammoniak, Elektroantrieben und Bio-Kraftstoffen vor allem so genannte „E-fuels“ – beispielsweise Methanol, dessen Verbrennung zwar CO2 freisetzt, bei dessen Herstellung zuvor aber massenhaft CO2 gebunden wird, so dass ein neutraler Kreislauf entsteht. Die weltgrößte Containerreederei Maersk hat erst vor kurzem ein Containerschiff in Auftrag gegeben, das mit herkömmlichem Treibstoff oder Methanol betrieben werden kann. Die Stena Line ist seit mehreren Jahren mit der auf Methanolbetrieb umgerüsteten Großfähre „Stena Germanica“ unterwegs und spricht vom „Treibstoff der Zukunft“.

Quelle:
DVZ

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