Diskussion um Aufspaltung: Was die Deutsche Bahn vom Vorbild Spanien lernen kann

Die Monopolkommission will den Bahnkonzern aufspalten und verweist auf den Fall Spanien. Tatsächlich sind dort die Ticketpreise nach der Trennung günstiger und der Service besser geworden. Auf Deutschland übertragen lasse sich der „Erfolg mit Ausrufezeichen“ nur begrenzt.

Diskussionen über die Deutsche Bahn hat es schon viele gegeben, so grundsätzlich wie jetzt aber wurde es dabei selten. Folgt man den jüngsten Plänen der CDU, der Bahngewerkschaft GDL und anderer, dann stünde eine historische Aufspaltung bevor: Eine Gesellschaft würde das Bahnnetz verantworten, die anderen den Zugbetrieb. Bislang ist das Staatsunternehmen ein integrierter Konzern. Eine Trennung, so die Befürworter, hätte viele Vorteile: Mehr Wettbewerb könnte entstehen, was gut für Preise und die Qualität wäre, argumentiert auch Jürgen Kühling, der Präsident der Monopolkommission. Und richtet seinen Fokus vor allem auf ein Land: Spanien. Dort habe sich durch die Trennung zwischen Netz und Betreiber der „Wettbewerb verbessert, und die Ticketpreise sind gefallen“, sagte Kühling der Süddeutschen Zeitung.

Doch wie weit trägt dieser Verweis wirklich? Wie viel Spanien täte der Deutschen Bahn gut? Tatsächlich könnte die Bahn von Spanien einiges lernen. Doch der Blick nach Süden zeigt auch: Dass sich der Konzern aufspalten muss, um diese besseren Ergebnisse zu erzielen, ist fraglich.

Mehr Anbieter, günstigere Preise
Wer in Barcelona mit dem Zug nach Madrid fährt, hat seit diesem Jahr die Wahl zwischen gleich drei Anbietern: Ouigo, eine Tochter des französischen Anbieters SNCF. Avlo, der low-budget-Arm des spanischen Anbieters Renfe. Und seit Dezember auch Iryo, ein Gemeinschaftsunternehmen zwischen der italienischen Trenitalia und dem spanischen Unternehmen Air Nostrum. Vom Angebot unterscheiden sich die Züge kaum: Helle Optik, moderne Ausstattung. In weniger als drei Stunden befindet man sich in der anderen Metropole, 620 Kilometer entfernt. Und das Beste: Eine Fahrt im Hochgeschwindigkeitszug kostet gerade einmal so viel wie ein Kinoeintritt samt Popcorn (Tickets ab 18 Euro). Im Schnitt sind die Preise 43 Prozent günstiger als noch 2019, wie ein Reiseportal ausrechnete.

Der lebendige Wettbewerb auf der wichtigen Strecke zieht inzwischen Kreise. Mittlerweile fahren die günstigen Hochgeschwindigkeitszüge auch nach Valencia und in den Süden Andalusiens, nach Malaga und Sevilla.

„Die Betreiber konzentrieren sich bislang auf die rentabelsten Trassen, aber das Angebot wird weiter wachsen“, prophezeit der spanische Bahnexperte Juan Jose Montero von der europäischen Verwaltungshochschule in Florenz.

Nach Monteros Einschätzung befindet sich Spaniens Bahnlandschaft ganz grundsätzlich im Wandel. Noch vor knapp zehn Jahren wollte kaum jemand Zug fahren – die Bahn war für viele zu teuer und zu langsam. „Heute sind die Spanier stolz auf ihre Eisenbahn.“

Aus einem Bahnentwicklungsland erwächst im Schnelldurchlauf ein Musterknabe, den die Politik gerne ins Rampenlicht hält. „Der Wettbewerb, den wir in Spanien bevorzugen, sollte in der gesamten Europäischen Union als Beispiel dienen“, sagte die spanische Verkehrsministerin Raquel Sánchez bei der Einweihung der neuen Iryo-Strecken.

Wie hat Spanien das geschafft?
Die Gründe für den Erfolg liegen zum einen tatsächlich in der Umorganisation des ehemals integrierten Eisenbahnbetriebs. 2005 nutzte das Land eine neue EU-Wettbewerbsregelung für die nationalen Bahnen. Während Deutschland und andere diese eher für kosmetische Korrekturen ihrer Finanzflüsse nutzten, machte Spanien den Radikalschnitt und trennte das Monopol in zwei große staatliche Unternehmen: die Infrastruktureinheit Adif und den Zugbetreiber Renfe. Ersteres kümmerte sich fortan um Planungen, Neubau und Sanierungen der Strecken und Bahnhöfe. Renfe um den Regional- und Fernverkehr sowie die Instandsetzung der Fahrzeuge.

Zunächst änderte sich dadurch wenig. Kurz nach der Finanzkrise stand das Geschäft von Renfe vor dem Kollaps. Fast 20 Milliarden Euro Schulden, kaum Fahrgäste und ein mehr als verstaubtes Image erinnerten nicht wenige an einen Monopolisten wie zu Zeiten Francos. 2012 entschloss sich die Regierung erneut für Reformen. Formal wurde Renfe in kleinere Subeinheiten getrennt und direkt dem Verkehrsministerium unterstellt. Für Bahnexperten Montero noch wichtiger jedoch war die politische Absicht, den Service zu verbessern und die Führung aktiv zu steuern. „Die Regierung gab vor, welche Bahn das Land will und leitete davon ab, was getan werden muss“, sagt der Experte.

Fortan formulierte das Ministerium Ziele, wie oft, wann und in welcher Waggonqualität die Bahnen fahren müssen. Die Frequenz der Züge wurde um fast 50 Prozent erhöht. Zeitslots und Kapazitäten für einzelne Strecken wurden ausgeschrieben und an Unternehmen für jeweils zehn Jahre vergeben.

Die vergangenen Reformen des spanischen Eisenbahnsystems bezeichnet Montero als einen „Erfolg mit Ausrufezeichen“. Die Übertragung auf Deutschland aber ist dennoch nicht ohne weiteres möglich.

Denn im Gegensatz zum maroden deutschen Schienennetz fahren die Schnellzüge in Spanien auf teilweise nagelneuen Trassen, die für Geschwindigkeiten ab 300 Kilometer pro Stunde reserviert sind. Spanien hielt trotz Krisen an der Idee fest, sein Hochgeschwindigkeitsnetz, AVE, weiter auszubauen. Die erste Strecke konstruierte man zwischen Madrid und Sevilla für die dortigen Olympischen Spiele 1992, mittlerweile verfügt das Land mit 4000 Kilometern über das größte Schnelltrassen-Netzwerk der Welt. In Deutschland hingegen gibt es nur sehr wenige reine Schnelltrassen. Auf dem Mischnetz drängen sich sowohl ICEs, Güterzüge und Regiobahnen.

„Das deutsche Netz ist wesentlich komplexer als in Spanien“, sagt Raphael Cavalcanti, der als Bahn-Berater für Nova Mobility verschiedene europäische Unternehmen betreut. Wäre das spanische Netz so ausgelastet wie in Deutschland, würde es auch dort zu Schwierigkeiten kommen. Doch wären wegen der getrennten Netze in Spanien Verspätungen und Ausfälle weniger wahrscheinlich.

Zudem seien Cavalcanti zufolge die neuen spanischen Strecken leistungsfähiger, weil digitaler. Während das AVE-Netz nahezu vollständig über moderne Leitsysteme wie das sogenannte ETCS verfügt, mit dem Stellwerke und Züge mehr Daten austauschen und so mehr Wagen auf der Trasse ermöglichen, sind in Deutschland damit bisher nur wenige Abschnitte ausgestattet – und das obwohl sich alle europäischen Bahnen vor Jahren auf den Ausbau geeinigt haben.

„Das Problem in Deutschland ist, dass wir uns darüber wenige Gedanken gemacht haben, welche Infrastruktur wir in Zukunft brauchen“, sagt Cavalcanti. So sei es schon seit Langem klar, dass die Gütermengen auf der Schiene und die Fahrgastzahlen steigen. Doch wurden gleichzeitig Weichen im Netz abgebaut und die Sanierungen und Modernisierungen verschleppt. „Uns fehlt immer noch der langfristige Blick.“

Hinzu kommt: So attraktiv das spanische Hochgeschwindigkeitsnetz sein mag, so groß sind die Mängel im restlichen Bahnsystem. Noch immer existieren weit abseits der Metropolen unterschiedliche Spurweiten, die nur für spezielle Züge geeignet sind. Auch sind die Regionalverbindungen weniger attraktiv als in Deutschland. Kaum ein Zug verirrt sich in die abgelegenen Gebiete am Atlantik.

Und so hält der Bahnkenner Juan Jose Montero die deutsche Debatte für eine „Fetisch-Diskussion“. Am Ende komme es nicht auf die juristische Form an, sondern um eine klare Antwort auf die Frage: „Welches Bahnsystem will ich und was soll es leisten?“.

Quelle:
Wirtschaftswoche

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