Shortsea-Schifffahrt steuert immer mehr auf eine Kapazitätskrise zu

Selbst nach zwei finanziell sehr guten Jahren hinkt die Investitionstätigkeit in der Küsten- und Shortsea-Schifffahrt in Europa weiter hinterher. Für die Erneuerung und den Ausbau der Flotte fehle es sowohl an Finanzierungs- als auch an Werftkapazitäten, kritisieren Branchenvertreter. Um den Verkehrsträger nach vorne zu bringen, bedürfe es entschlossenen politischen Handelns. An eine Verlagerung von Verkehren von der Straße auf den Seeweg im großen Stil sei sonst nicht zu denken.

Der Seeschiffsmakler-Verband Rhein-Ruhr appelliert jetzt an die Bundesregierung, verbindliche Ziele und Anreize für eine Verkehrsverlagerung auf das Wasser zu formulieren. „Die Verabschiedung einer Shortsea-Strategie, die Impulse zur Flottenmodernisierung und zum verstärkten Ausbau der Infrastruktur beinhaltet, wäre ein wichtiges Signal“, erklärte Verbandsvorsitzender Wolfgang Nowak kürzlich auf dem traditionellen Schiffsmakleressen in Duisburg vor mehr als 250 Gästen aus dem In- und Ausland.

Engpässe absehbar
In den vergangenen 15 Jahren habe es kaum eine Güterverlagerung zugunsten des Seetransportes gegeben, trotz der besonderen Energieeffizienz des Seetransportes und möglichen positiven Effekten auf Klima und Umwelt. Daher wäre es wichtig, dass der Bund dieses Ziel mit einer Shortsea-Strategie wieder aufgreift, so Nowak, der selbst Geschäftsführer der Amadeus Schifffahrts- und Speditions GmbH ist, einer Tochterfirma der Häfen und Güterverkehr Köln AG. Die bevorstehende nationale maritime Konferenz Mitte September in Bremen biete einen geeigneten Anlass für die nötige Initiative des Bundes.

Auch wenn sich der Shortsea-Frachtenmarkt nach einer sehr starken Phase inzwischen abgekühlt hat, sollte sich die verladende Wirtschaft mittelfristig auf erneute Laderaumengpässe gefasst machen. „So gibt es kaum Neubauten, schon jetzt sind viele Größensegmente unterbaut“, warnte Nowak. Das bestätigt auch eine aktuelle Studie der Marktforschungsfirma BMTI mit dem Titel „Short Sea on the Move“, die das Flottensegment der kleinen Stückgutfrachter und Bulker genauer unter die Lupe nimmt.

Besorgniserregend wenige Schiffsbestellungen
In den Größenklassen zwischen 3.000 und 15.000 tdw Tragfähigkeit gebe es aktuell nur gut 180 Schiffbauaufträge bei einer Gesamtflotte von über 7.600 Schiffen weltweit, von denen auch noch nahezu jedes zweite über 20 Jahre alt sei. Das entspricht nur 2,4 Prozent.

Zum Vergleich: In der Containerschifffahrt hat das Neubauorderbuch einen Umfang von 29 Prozent der in Fahrt befindlichen Kapazität. Für Bulkcarrier im Hochseebereich ab 10.000 tdw aufwärts liegt die Neubauquote mit 7 Prozent ebenfalls noch wesentlich höher als im Shortsea-Segment. Konsequenz: Die Flotte der Kümos und Minibulker werde in den nächsten Jahren weiter schrumpfen.

Hingegen zeichne sich bei der Transportnachfrage eher eine Beschleunigung ab, vor allem wenn sich der Trend zu einem „Re-Shoring“ der Industrie in Europa als Reaktion auf die geopolitischen Unsicherheiten durchsetzt. Neben politischen Risiken könnten auch wachsende Katastrophenrisiken im Zuge der Klimaerwärmung zur Reindustrialisierung und dem Wachstum der Shortsea-Ladungsmengen in Europa beitragen, schreibt BMTI.

Es fehlt an Werften
So beurteilen die Experten die finanziellen Aussichten für das Shortsea-Geschäft in ihrer Studie durchaus positiv. Die durchschnittliche Frachtrate auf der Kümo-Rennstrecke von den baltischen Staaten zu den Beneluxhäfen dürfte danach ohne erneute externe Schocks um die 30 Euro pro Tonne schwanken, heißt es – zwischen den sehr hohen Werten des Vorjahres und dem aktuellen Spotniveau.

Zwei wesentliche Hindernisse für die Flottenmodernisierung – da sind sich die Duisburger Schiffsmakler und die Marktforscher von BMTI einig – seien das Fehlen leistungsfähiger Werften für kleine Handelsschiffe, vor allem in Deutschland, und die Unsicherheit über geeignete Antriebslösungen und Treibstoffe auf dem Weg ins emissionsfreie Zeitalter.

Erste Schiffsprojekte für den Betrieb mit Methanol und Ammoniak sind in Nordeuropa in Planung, stellen bislang aber nicht mehr als den berühmten Tropfen auf dem heißen Stein dar. Der Markt benötige dringend

Quelle:
DVZ

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