Wo ist mein Paket? Über die prekäre Situation der Zusteller und den Frust wartender Kunden

Onlineshops haben immer offen. Das ist ihr großes Asset. Bestellt werden kann am Sonntag in aller Ruhe von der Couch aus. Oder in der U-Bahn auf dem Weg in die Arbeit. Onlinebestellungen boomen. Ein Faktum, das auch der stationäre Handel spürt, dem das Geschäft zunehmend fehlt. Denn vieles, was im Internet bestellt wird, wird bei Amazon, Temu und Co geordert. Die Wertschöpfung passiert damit im Ausland.

Bequeme Lieferung nach Hause, kein Warten an der Kassa: Auch das ist ein Umstand, der Bestellungen im Internet so attraktiv macht. Doch die Sache hat auch einen Haken. Denn das Paket muss daheim auch erst einmal ankommen. Und hier häufen sich die Probleme – gerade in Zeiten, wenn wegen Aktionen wie Black Friday oder des laufenden Weihnachtsgeschäfts das Paketaufkommen deutlich steigt. Dann steigt nämlich auch der Frust der Kunden. Und das, obwohl viele Anbieter mit individualisierten Zustellmöglichkeiten punkten wollen.
DPD etwa bietet seinen Kunden an, Pakete umzuleiten oder an einem Wunschort zu hinterlegen. Die App myDPD soll es Kunden ermöglichen, ihre Zustellung so zu gestalten, dass Paket und Kunde rasch aufeinandertreffen. Doch was tun, wenn die gewünschte Lieferung vor die Wohnungstür nicht klappt – weil das Paket zwar vor einer Wohnungstür abgelegt wurde, aber eben nicht vor der gewünschten? Dann beginnt für den Kunden ein Hürdenlauf. Bei DPD beispielsweise kann man dann zwar eine Beschwerde aufgeben, aber das Paket wird nicht automatisch vom Paketzusteller gesucht. Eine Ausforschung des Pakets wiederum kann nur der Versender in Auftrag geben.

Rund 2.500 Zusteller liefern alleine bei DPD über das Jahr rund 66 Millionen Pakete (stand 2022) aus. Allein in Wien sind es laut DPD rund 220 Fahrer. Rund 20 Prozent der Jahrespaketmenge werden in der Weihnachtssaison abgewickelt. Die Schadens- bzw. Verlustquote liegt laut Angaben von DPD im einstelligen Promillebereich. Hinzu kommen andere Anbieter wie Amazon, DHL, UPS oder die Österreichische Post.

Die andere Seite der Bequemlichkeit
Perspektivenwechsel: Die Zusteller sind nicht selten zwölf bis 15 Stunden pro Tag unterwegs, um alles auszuliefern. Denn wenn der Kunde eine Zustellung erst am Abend wünscht, kann das Paket nicht schon zu Mittag geliefert werden. Die Touren der Zusteller sind damit oft wirr und lang. Prekär sind die Arbeitsbedingungen – noch immer. Obwohl in regelmäßigen Abständen auf die Arbeitsverhältnisse aufmerksam gemacht wird. „Für mich ist es unverständlich, dass man diese Arbeitsbedingungen und Vertragsverhältnisse einfach so zur Kenntnis nimmt und sich keine Gedanken über die Menschen macht, welche diese Tätigkeit durchführen“, teilt Katarina Pokorny, Vizepräsidentin des Sozialdemokratischen Wirtschaftsverbands (SWV) und Spartenobfrau für Transport & Verkehr, mit.

Gerade in der Weihnachtszeit seien 15-Stunden-Tage nicht ungewöhnlich, sagt Pokorny. Das bedeutet in der Praxis: Der Arbeitstag fängt zwischen 3 und 5 Uhr mit dem selbstständigen Vorsortieren der Pakete an, gefolgt von der Zustellung an die Kunden oder an diverse Paketboxen, und endet schließlich mit dem Retournieren der Pakete in das Depot. Das kann laut Pokorny zum Teil bis 22 oder 23 Uhr dauern. Sortieren, einladen und ausliefern: Das ist die Tour, die die Zusteller täglich zusammenstellen. Sortieren und einladen passieren meist fern vom Zustellgebiet.

Der enorme Zeitaufwand wird den Lieferanten auch nicht abgegolten. Die Bezahlung richtet sich meist nach der Anzahl der ausgelieferten Pakete. 100 bis 150 Pakete müssen mitunter pro Tag verteilt werden. Das schaffe nur, wer das Geschäft schon gut kenne, sagt ein ehemaliger Zusteller, der unlängst im Ö1-„Morgenjournal“ Einblick in den Arbeitsalltag der Zusteller gab. Wer das schaffe, bekomme aber automatisch mehr Pakete aufgeladen. 195 Euro für zehn Tage Arbeit gab es für diesen ehemaligen Zusteller, der über ein Subunternehmen beschäftigt worden war. Im Arbeitsalltag bedeutet das also rund 100-mal pro Tag aus dem Lieferauto ein- und aussteigen, zur Adresse hingehen, anläuten, warten, das Paket zur Not hinterlegen, einen Nachbarn für die Übernahme finden oder wieder mitnehmen. Pro zugestelltem Paket werden bei einigen Anbietern 80 Cent bezahlt. Das macht bei 100 Paketen gerade einmal 80 Euro pro Tag.

Das wirre System der Subunternehmer
Bis auf die Österreichische Post arbeiten viele Zusteller mit diversen Subunternehmern. Das heißt, dass die Fahrer gar nicht beim Paketzusteller angestellt sind. Dieser kauft die Lieferlogistik zu. Und das muss eben günstig sein. Denn Versandgebühren will kaum wer bezahlen, Extra-Liefergebühren schon gar nicht. Wie viele Subunternehmen in der Branche tätig sind, ist unklar. Von hunderten Anbietern ist oft die Rede. Der Druck ist auch hier enorm. Denn das Paketgeschäft ist ein knapp kalkuliertes. „Das System ist damit prädestiniert für Lohn- und Sozialdumping und für Schwarzarbeit und Arbeitsrechtsverletzungen“, sagt Jasmin Haindl, Arbeitsrechtsexpertin der Arbeiterkammer.

In Summe könne sich das alles nicht ausgehen. Es entstehe ein enormer Arbeitsdruck, Überstunden der Zusteller werden zudem nicht bezahlt. Pausen für Essen oder den Gang zur Toilette sind nicht vorgesehen. Sinkt das Arbeitsaufkommen, werden die Leute mitunter auch wieder nach Hause geschickt, eine Entlohnung gibt es dann freilich nicht. „Von fairen Arbeitsbedingungen ist man in dieser Branche also noch weit weg“, sagt Haindl. Die Expertin erklärte das im Ö1-„Morgenjournal“ auch damit, dass viele Fahrer Migrationshintergrund haben und über ihre Rechte als Arbeitnehmer nicht gut Bescheid wüssten. Hinzu komme die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes, also werden Missstände lieber nicht angesprochen.

Die Arbeiterkammer fordert daher die sogenannte Erstauftraggeberhaftung. Das bedeutet, dass die Unternehmen an der Spitze der Subvertragsvergabe auch für die Löhne einstehen sollen. Dort sollen Löhne einforder- und einklagbar werden. Auch gesetzliche Nachbesserungen in den Bereichen Lohn- und Sozialdumping werden gefordert. Hier hat die Regierung 2021 Strafmilderungen eingeführt. „Unterentlohnung und Lohnraub dürfen sich aber nicht auszahlen“, sagt Haindl.

Paketaufkommen steigt weiter
Die hohe Inflation jedenfalls drückt nicht auf die Bestelllaune der Österreicher. Heuer werden hierzulande voraussichtlich 351,5 Millionen Pakete zugestellt, das ist im Jahresvergleich ein Plus von 8,4 Prozent, prognostiziert die Regulierungsbehörde RTR. Im zweiten Quartal wurden rund 94,2 Millionen Pakete transportiert, 87,0 Millionen wurden in Österreich zugestellt, 7,2 Millionen wurden ins Ausland transportiert – ein Zuwachs von zwölf Prozent.

RTR-Chef Klaus M. Steinmaurer beobachtet mit der steigenden Paketmenge auch eine Zunahme der Beschäftigten. „Heuer wurde bereits deutlich mehr Leasingpersonal beschäftigt als im Vorjahr. Zu einem kurzfristigen Hype – das lassen unsere Datenreihen vermuten – wird es beim Leasingpersonal wieder im vierten Quartal 2023 kommen. Wir rechnen hier mit mehr als 2.000 Leasingkräften, das sind um rund 50 Prozent mehr als im ersten bzw. zweiten Quartal 2023“, so Steinmaurer.

Fake-Nachrichten und Gebührenfalle
Der Paketboom wird auch von Betrügern immer öfter ausgenutzt. Wer auf eine Zustellung wartet, ist freilich nicht überrascht, ein SMS oder eine Mail vom Paketzusteller mit dem Versandstatus zu erhalten. Doch es ist Vorsicht geboten, wenn man von Paketzustellern aufgefordert wird, Daten zu aktualisieren oder Geld zu zahlen. Dann handelt es sich um Fake-Nachrichten. Der Link in der Nachricht führt in eine Abo-Falle. Hohe Kosten und Datenklau sind die Folge, warnt die Arbeiterkammer Wien.

Immer wieder melden sich Konsumenten in der AK-Beratung, dass sie gefälschten Versandbenachrichtigungen aufgesessen sind. Gerade in der Vorweihnachtszeit kann es schon einmal passieren, dass die Paketzustellung etwas länger dauert. Das wissen auch Kriminelle und versuchen mit einem Trick an Daten und Geld von Konsumenten zu gelangen. Und so geht’s: Die Betrüger versenden Fake-Mails oder SMS, in denen es etwa heißt: „Bedauerlicherweise ist die Zustellung Ihres Paketes aufgrund ausstehender Zollgebühren verzögert. Wir bitten Sie, die fälligen Gebühren über folgenden Link zu begleichen“ oder „Die Zustellung Ihres Pakets wurde aufgrund einer fehlenden Hausnummer auf dem Paket ausgesetzt. Bitte aktualisieren Sie ihre Daten“ oder „Die Paketzustellung wurde unterbrochen. Es ist wichtig, dass Sie Ihre Adresse aktualisieren und die Versandkosten bezahlen“.

„Die gefälschten Websites sehen den echten verblüffend ähnlich. Sie fragen Bankdaten ab. Durch die Bezahlung eines geringen Betrags soll das Paket schneller beim Empfänger landen. Sind die Daten bekanntgegeben, folgen Abbuchungen über mehrere hundert Euro und ein Datenverlust an Kriminelle“, sagt AK-Konsumentenschützer Jakob Kalina.

Quelle:
MSN

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