Schenker: Woche der Wahrheit

Interessenten für die Logistiktochter der Deutschen Bahn haben noch bis zum 6. Februar Zeit, um sich als mögliche Käufer zu registrieren. Das „Projekt Nova“ nimmt Fahrt auf.

Der erste, auch Präqualifizierungsphase genannte Abschnitt des Schenker-Verkaufsprozesses ist demnächst abgeschlossen. Interessenten haben noch bis zum 6. Februar Zeit, ihre Registrierungsunterlagen bei den durch die Deutsche Bahn (DB) mandatierten Banken Goldman Sachs und Morgan Stanley einzureichen, hat die DVZ erfahren. Bis zum 15. Januar konnten sie diese laut Verkaufsanzeige anfordern. Das „Projekt Nova“, wie der Verkauf unternehmensintern genannt wird, nimmt Fahrt auf.

Die potenziellen Investoren müssen im ersten Schritt Angaben zu elf Punkten machen. Dabei sollen die Interessenten insbesondere nachweisen, dass sie Erfahrungen mit Logistik-M&A-Deals in dieser Größenordnung haben und über die entsprechenden finanziellen Mittel verfügen. Ferner müssen sie darlegen, welches Interesse sie an Schenker haben, und einen ersten Einblick in ihre Pläne für das DB-Logistikunternehmen geben, so sie den Zuschlag bekämen. Aus den Verkaufsunterlagen ist herauszulesen, dass ein Komplettverkauf weiterhin die präferierte Option ist, wenngleich ein Interesse an weniger als 100 Prozent der Anteile zum jetzigen Zeitpunkt noch kein K.-o.-Kriterium ist – also auch ein Teilverkauf nicht völlig ausgeschlossen wird.

Branchenbeobachter gehen davon aus, dass sich in dieser ersten Phase bis zu 25 Unternehmen aus der Deckung wagen. „Alle bisher genannten Kandidaten werden hier dabei sein“, ist ein Marktbeobachter überzeugt. Dazu zählen die Reedereien Maersk und MSC ebenso wie große Logistiker à la DSV, DHL und UPS. Ferner werden den arabischen Akteuren DP World und Abu Dhabi Ports Ambitionen nachgesagt. Zudem wollen die Finanzinvestoren Advent und Bain sowie gemeinsam Carlyle und CVC wohl ihr Interesse bekunden.

Anschließend dürfte das Feld auf etwa fünf Anbieter zusammenschrumpfen, mit denen dann weitere Verhandlungen geführt werden und die dann auch Gebote abgeben. In Finanzkreisen wird dabei von einer realistischen Bewertung von 12 Milliarden Euro gesprochen. Aus Sicht des Verkäufers ist bei der Auswahl des engeren Kandidatenkreises dann neben der finanziellen Leistungsfähigkeit auch wichtig, dass gewisse Compliance-Vorgaben eingehalten werden und dass die Interessenten die Freigabe durch die relevanten Wettbewerbsbehörden und nach dem Außenwirtschaftsgesetz erhalten würden. Letzteres dürfte vor allem bei Bietern von außerhalb der EU zum Tragen kommen.

Die Deutsche Bahn präsentiert Schenker den Interessenten dabei als „globalen Logistikchampion“. Es sei eine „einmalige Gelegenheit“, einen solchen Anbieter zu erwerben, heißt es in einer Präsentation, in welche die DVZ Einblick bekommen hat. Dies ist insofern richtig, als dass in den globalen Top Ten wohl höchstens bei C.H. Robinson bezogen auf die Eignerstruktur noch eine Chance für einen Einstieg gegeben wäre. Nicht umsonst gab es vor einigen Monaten Gerüchte bezüglich eines Interesses von DSV an dem US-Anbieter.

Angepriesen wird Schenker ferner mit einer marktführenden Position in verschiedenen Feldern. So wird das Unternehmen als globale Nummer vier in der See- und Luftfracht bezeichnet, als Nummer eins im europäischen Landverkehr sowie als globaler Top-Ten-Kontraktlogistiker. Gut die Hälfte der Erlöse und gar drei Viertel des operativen EBIT-Gewinns entfallen demnach auf die See- und Luftfracht. Der Landverkehr steuert ein Drittel zum Unternehmensumsatz und ein gutes Zehntel zum EBIT bei; die Kontraktlogistik kommt auf 13 Prozent beim Erlös und 14 Prozent beim operativen Gewinn.

Nicht ganz so leicht zu belegen ist indes die Behauptung, Schenker verfüge über ein „signifikantes Gewinnwachstumspotenzial“. Dies gilt zumindest nicht kurzfristig, wird doch intern damit gerechnet, dass Umsatz und operativer Gewinn in den kommenden Jahren nach den Rekordwerten in 2022 erst einmal auf deutlich niedrigerem Niveau stagnieren. Nach 27,6 Milliarden Euro Umsatz wird für 2023 und dieses Jahr mit einem Erlös von 19,5 Milliarden Euro kalkuliert. 2025 dürfte der Umsatz dann wieder die 20-Milliarden-Grenze überspringen, um bis 2028 auf gut 24 Milliarden Euro anzuziehen.

Beim EBIT folgt auf den Rekordbetrag von 1,8 Milliarden Euro in 2022 ein Einbruch auf noch 1 Milliarde Euro in 2023, was vor allem dem Frachtratenverfall in der See- und Luftfracht zuzuschreiben ist. Dieses Niveau wird Schenker auch dieses Jahr halten, um dann laut eigener Projektion über 1,3 Milliarden in 2025 auf 2 Milliarden Euro EBIT in 2028 zu wachsen.

Und wie geht es weiter im Verkaufsprozess? Als Nächstes dürften die mandatierten Banken ein „Information Memorandum“ an die ausgewählten Bewerber verschicken, das auch vorläufige Zahlen für 2023 enthält. Dies werde im Laufe des März erfolgen, glauben Marktkenner. Anschließend wird voraussichtlich ein Termin gesetzt, bis zu dem unverbindliche, aber mit einem Preis versehene Angebote abzugeben sind.

Grundsätzlich dürfte der zu erzielende Preis das zentrale Argument für die Käuferauswahl sein, so schreibt es auch das Haushaltsrecht beim Verkauf öffentlicher Unternehmen vor. Aber auch die Frage der Arbeitsplätze in Deutschland könnte ein wichtiges Kriterium sein. Würde Schenker von einem strategischen Investor übernommen, der die Bahntochter in seine bestehende Organisation integriert, dürften viele Jobs vor allem im mittleren und im oberen Management in Deutschland wegfallen. So sollte durchaus eine Gesamtkostenrechnung aus Sicht des Staates erfolgen, regt deshalb ein Marktbeobachter an. Nicht nur die Schenker-Gewinne selbst würden dem bisherigen Eigentümer fehlen, auch die Folgekosten wegfallender Arbeitsplätze und nicht zuletzt die wegbrechenden Steuereinnahmen, sofern der Schenker-Hauptsitz ins Ausland verlagert werde, würden zu Buche schlagen.

All dies müssen der Vorstand, der Aufsichtsrat und letztendlich der Bund als Eigner dann in die Gesamtgleichung einbeziehen. Keine leichte Aufgabe, weshalb von der DVZ befragte Experten davon ausgehen, dass es noch einmal rund sechs Monate dauern wird, bis es schlussendlich zu den Unterschriften unter einen Verkaufsvertrag kommt. Das Closing ist nicht vor Jahresende zu erwarten.

Und wie wahrscheinlich ist der Schenker-Verkauf nun? Sehr, sind sie sich grundsätzlich einig. Außer die Angebote liegen deutlich unter dem Zielverkaufserlös. Aber den dürfte ein nur sehr kleiner Kreis von Eingeweihten kennen.

Quelle:
DVZ

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